Der Blick von Heddesbach in Richtung "Greiner Eck" zeigt: Alle fünf Windräder sind fertiggestellt, Mitte des Monats ist auch das letzte ans Stromnetz gegangen. Foto: Alex
Von Nikolas Beck
Neckarsteinach. Jürgen Simon machte drei Kreuze. Es ist vollbracht: Auch das fünfte und letzte Windrad am "Greiner Eck" speist nun Strom ins Netz ein. Am 11. Mai ging die Anlage in Betrieb. "Zwar ein bisschen später als wir wollten, denn ursprünglich hatten wir den April ins Auge gefasst", sagt der Windparkplaner, "aber natürlich sind wir froh, dass es nun so weit ist."
Dass man gerne etwas zügiger gebaut hätte, hat zwei einfache Gründe. Zum einen, weil natürlich so schnell wie möglich "sauberer" Strom produziert werden soll. Zum anderen kostet die Betreiber - die Stadtwerke Viernheim und Bad Vilbel sowie eine Bürgergenossenschaft - jeder Monat Verzögerung dauerhaft Geld. Schuld daran trägt das Erneuerbare-Energien-Gesetz, das Anfang des Jahres in Kraft getreten ist. Zwar gilt für die fünf Anlagen am "Greiner Eck" noch die staatlich festgesetzte Einspeisevergütung, die Förderhöhe sinkt aber für Anlagen, die zwischen 1. März und 1. August 2017 in Betrieb gehen, um durchschnittlich 1,05 Prozent pro Monat. Jürgen Simons Freude über den fertiggestellten Windpark kann dies aber nicht trüben. Schließlich naht nun das Ende eines fast viereinhalbjährigen - und teilweise auch steinigen - Wegs.
Begonnen hatte alles im Frühjahr 2013 mit der Suche nach einer geeigneten Fläche. Als laut Planer "windhöffigster" Standort im ganzen Odenwald fiel die Wahl schließlich auf das "Greiner Eck". Schallausbreitung, Schattenwurf und Artenschutz - zahlreiche Untersuchungen standen an, ehe der Bauantrag eingereicht und schließlich im Oktober 2014 die Genehmigung der fünf Windräder beim Regierungspräsidium Darmstadt beantragt werden konnte. Nachdem im Februar 2016 zunächst vier Anlagen genehmigt wurden, begannen die vorbereitenden Arbeiten. Im Juli wurden die ersten Fundamente gegossen, sodass mit dem Turmbau begonnen werden konnte. Im November wurden dann die über 40 Meter langen Teile der Rotorblätter angeliefert - auf dem Weg vom Bahnhof in Neckarhausen über Darsberg hoch in den Windpark war Millimeterarbeit gefragt.
Inzwischen sind die Großgeräte von der Baustelle abgezogen. Gearbeitet wird trotzdem noch. Die Flächen um die Windräder werden ummodelliert, die Zufahrtswege auf Vordermann gebracht. Im Spätjahr werden weite Teile der Baustelle wieder bepflanzt. Freibleiben muss lediglich der Kranplatz, damit im Bedarfsfall ein Kran schnell und ohne Bäume fällen zu müssen aufgestellt werden kann.
Weil es sich beim Greiner Windpark um den ersten überhaupt im Kreis Bergstraße handelt, rief er rasch Kritiker auf den Plan. Über eine Klage, die von der Bürgerinitiative (BI) "Greiner Eck" unmittelbar nach der Genehmigung eingereicht wurde, weil diese ohne vorherige Umweltverträglichkeitsprüfung ausgesprochen wurde, ist noch nicht entschieden. Sie ist nur eines der vielen Störgeräusche, mit denen Planer Simon während der letzten Monate zu kämpfen hatte. Heute spricht er von einer "kritischen, teilweise überkritischen Begleitung". Es sei auch immer mal wieder "bewusst Sand ins Getriebe gestreut" und es seien "Dinge überzogen dargestellt" worden. So befürchten Windkraftgegner beispielsweise, das "Greiner Eck" könnte aufgrund der im "Teilplan für Erneuerbare Energien" ausgewiesenen 32 Vorrangflächen zum Pilotprojekt für 500 bis 600 weitere Windräder im Odenwaldkreis und im Kreis Bergstraße werden. Simon hält das für unrealistisch: Nicht einmal die Hälfte davon werde es am Ende wirklich, ist er sich sicher.
Neckarsteinachs Bürgermeister Herold Pfeifer hat kein Problem damit, eine Art "Windpark-Vorreiter" zu sein. Im Gegenteil: "Wir freuen uns, dass der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung nun umgesetzt ist und wir unseren Beitrag zum Klimaschutz leisten." Dass das Projekt unter anderem von der Bürgerinitiative nach wie vor skeptisch beäugt wird, stört ihn nicht. Schließlich sei der Widerstand immer in einem vernünftigen Rahmen geblieben. Polizeieinsätze wie etwa am Stillfüssel, wo Demonstranten unlängst mittels Sitzblockaden die Rodungen für Windräder verhindern wollten, waren am "Greiner Eck" nicht nötig. Pfeifer ist sich sicher: "Die Wege für andere Windparks werden nicht nur steiniger, sondern felsiger."