Flüchtlinge in Leimen: Nicht bei allen läuft das Asylverfahren

Bis zu 480 Flüchtlinge leben in Leimens großer Notunterkunft - Die RNZ gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen

19.01.2016 UPDATE: 20.01.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 24 Sekunden

Die Schranke an der ehemaligen Gewerbehalle ist unten: Wo einst Arbeiter ihr Tagewerk vollbrachten, sind heute Flüchtlinge untergebracht. F.: Fink

Von Nikolas Beck

Leimen. Aus den ursprünglich angekündigten rund 300 Bewohnern waren zwischenzeitlich 480 Flüchtlinge geworden, die seit rund zwei Monaten eine ehemalige Gewerbehalle in der Travemünder Straße bewohnen. Seither erreichen die RNZ viele Fragen: Um welche Art der Unterbringung handelt es sich? An welchem Punkt im Asylverfahren befinden sich die Bewohner? Und darf ein Asylbewerber die Unterkunft wechseln? Die RNZ hat bei Berno Müller und Silke Hartmann vom Landratsamt des Rhein-Neckar-Kreises nachgehakt und klärt die wichtigsten Fragen:

Hintergrund

5557 Asylbewerber waren es zum 31. Dezember 2015, die der Rhein-Neckar-Kreis in Wohnungen, Gemeinschafts- (GUK) und Notunterkünften (NUK) unterbringen musste.

Für Januar 2016 waren dem Kreis weitere 1045 Flüchtlinge zugewiesen. Weil im Dezember 108 Menschen mehr

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5557 Asylbewerber waren es zum 31. Dezember 2015, die der Rhein-Neckar-Kreis in Wohnungen, Gemeinschafts- (GUK) und Notunterkünften (NUK) unterbringen musste.

Für Januar 2016 waren dem Kreis weitere 1045 Flüchtlinge zugewiesen. Weil im Dezember 108 Menschen mehr aufgenommen wurden, reduziert sich diese Zahl auf 937. Das entspricht 261 Asylbewerbern pro Woche.

Auch in der Region rund um Heidelberg versucht das Landratsamt, die benötigten Kapazitäten zu schaffen. Zum 31. Dezember 2015 waren in folgenden Gemeinden Flüchtlinge untergebracht: nb

> in Dossenheim: 200 (GUK)

> in Eppelheim: 180 (GUK)

> in Leimen: 41 (Wohn.), 397 (NUK)

> in Meckesheim: 18 (Wohnungen)

> in Neckargemünd: 52 (GUK)

> in Sandhausen: 19 (Wohnungen)

> in Spechbach: 70 (GUK)

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> Um welche Art der Unterbringung handelt es sich bei der Notunterkunft in der Travemünder Straße?

Im Flüchtlingsaufnahmegesetz sind drei verschiedene Unterbringungsstufen geregelt: Die Erstaufnahme erfolgt in einer Einrichtung des Landes, nämlich der Landeserstaufnahmestelle (LEA), der Bedarfsorientierten Landeserstaufnahmestelle (BEA) oder dem Registrierungszentrum im Heidelberger Patrick Henry Village (PHV). Danach werden die Flüchtlinge vom Regierungspräsidium auf die Stadt- und Landkreise als Untere Aufnahmebehörden weiterverteilt und kommen in die sogenannte vorläufige Unterbringung. Diese Unterbringung erfolgt in Gemeinschaftsunterkünften, Wohnungen oder in Notunterkünften wie in Leimen. Nach spätestens 24 Monaten - oder falls das Asylverfahren vorher abgeschlossen ist - geht es in die dritte Unterbringungsstufe, die sogenannte Anschlussunterbringung, für die die Gemeinden zuständig sind.

> Wer ist in der Leimener Notunterkunft untergebracht und welche Stationen haben die Bewohner bereits durchlaufen?

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Laut letzter Auskunft des Landratsamtes sind es derzeit rund 470 Bewohner, die aus dem Heidelberger PHV oder den LEA in Karlsruhe, Meßstetten oder Ellwangen zugewiesen wurden. Erst wenn Asylbewerber in den Erstaufnahmestellen registriert wurden, Fingerabdrücke genommen und eine Gesundheitsuntersuchung einschließlich Röntgenuntersuchung stattgefunden hat, können sie auf die Stadt- und Landkreise zur vorläufigen Unterbringung wie etwa in der Notunterkunft in Leimen verteilt werden. Es ist auch möglich, dass die Bewohner bereits in anderen Notunterkünften untergebracht waren, bevor sie nach Leimen kamen. Derart große Unterkünfte werden ausschließlich von Männer bewohnt.

> Wie sieht die medizinische Versorgung aus?

Für den ersten Gesundheitscheck in den LEA oder im PHV gibt es keine freie Arztwahl. In Heidelberg übernimmt das Gesundheitsamt des Rhein-Neckar-Kreises die Inaugenscheinnahme einschließlich der Überprüfung, ob ansteckende Krankheiten vorliegen. Am Ende der Untersuchungen wird ein Gesundheitszeugnis ausgestellt, ohne das die LEA nicht verlassen werden darf. Wenn Asylbewerber in der Anschlussunterbringung, etwa in Leimen, akut krank sind oder Schmerzen haben, dürfen sie sich von einem Arzt ihrer Wahl behandeln lassen. Laut Asylbewerberleistungsgesetz besteht außerdem ein Anspruch auf die Versorgung mit Arznei- oder Verbandsmitteln. Dazu sind Behandlungsscheine erforderlich. Diese stellt das Ordnungsamt des Landratsamts aus, nachdem der Erkrankte oder sein behandelnder Arzt einen Antrag gestellt hat.

> Ist bei den Bewohnern in Leimen das Asylverfahren bereits angelaufen?

Nicht bei allen. Denn der Asylantrag kann erst gestellt werden, wenn Registrierung und Gesundheitscheck durchlaufen wurden. Aufgrund des großen Ansturms konnten die Neuankömmlinge den Antrag nicht immer bereits in den LEA stellen, da sie in den Erstaufnahmestellen maximal drei Monate bleiben können, ehe sie auf Stadt- und Landkreise verteilt werden.

> Sind die Bewohner auch in der Unterkunft in Leimen registriert?

Ja. Anhand des in Baden-Württemberg genutzten Migranten-Verwaltungs-Informationssystems wird für jeden Bewohner ein Datenblatt erstellt. Darauf finden sich persönliche Daten, ein Lichtbild und eben auch die zugewiesene Adresse.

> Wie kommt ein Asylbewerber nach Leimen und kann er die Unterkunft selbstständig wechseln?

Die Flüchtlinge werden den Stadt- und Landkreisen nach einem Verteilschlüssel zugewiesen, der sich im Regelfall an der jeweiligen Einwohnerzahl richtet. Damit soll eine gleichmäßige Verteilung im Land sichergestellt werden. Mit der Zuteilung zum Rhein-Neckar-Kreis sind die Bewohner verpflichtet, in der zugewiesenen Unterkunft zu wohnen. Allerdings können die Bewohner ihre Unterkunft verlassen, wann immer sie wollen. Manche wollen lediglich Freunde oder Familienangehörige besuchen, andere glauben, der Asylantrag würde anderswo schneller umgesetzt. In anderen Unterkünften dürfen Asylbewerber - die von selbst kommen - allerdings nicht aufgenommen werden, sondern würden dann nach Leimen zurückgeschickt.

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