Handy weg, Yps-Heft her: Frank Heuß verzichtete in diesem Urlaub auf sein Smartphone. Sein Fazit: wiederholenswert. Foto: Stephanie Kern
Von Frank Heuß
Mosbach. Was "So.Me.-Detox" ist, war mir nicht bekannt, bis ich Mitte Juli eine E-Mail erhielt, in der jemand erklärte, deswegen momentan nicht erreichbar zu sein. Die Suche im Internet half: Gemeint ist damit die "Entgiftung" (englisch "Detox") von sozialen Medien ("Social Media"). Als mir dieselbe Person circa zwei Wochen später lebhaft berichtete, in dieser Zeit gemerkt zu haben, wie hoch die mentale Abhängigkeit von Smartphone und Internet bereits sei, folgte ich der Empfehlung, das einmal selbst auszuprobieren.
Ständige Erreichbarkeit ist heute oft auch berufliche Voraussetzung und bezieht sich nicht mehr nur auf Telefonate, sondern auch auf unverzügliche Kenntnisnahme von Nachrichten. Über 100 pro Tag sind keine Seltenheit, wenn man solche beruflich, ehrenamtlich und privat erhält. Wie aber soll jemand noch die nötige Ruhe zur mentalen Erholung finden, wenn das Handy immer und überall mit dabei ist? Während akustisch wie optisch immer wieder Aufmerksamkeit verlangt wird? So wanderte mein Smartphone diesmal während meines Sommerurlaubs zu Hause in eine Schublade.
Schon am ersten Tag griff ich immer mal wieder zur Hosentasche, um Nachrichten zu checken. Das Gerät nicht vorzufinden, bringt das Gefühl mit sich, etwas Wichtiges verloren oder vergessen zu haben. Kaum sind ein oder zwei Tage um, kommt man zu dem unwohlen Gedanken, gerade etwas zu verpassen, das man nicht im Radio hören oder am nächsten Morgen in der Zeitung lesen kann. Ist etwas im Büro aufgeschlagen, das keinen Aufschub duldet? Hat jemand aus dem eigenen Umfeld etwas gepostet, das man wissen sollte? Entsteht mir just in diesem Moment ein (vermeidbarer) Nachteil durch den selbst gewählten Informationsrückstand...?
Nach drei oder vier Tagen tritt aber zumindest eine gewisse Gewöhnung an den Zustand der "Handylosigkeit" ein. Gedanken gehen dann ein Stück weit "freier" auf Reisen. Den Effekt erleichterte das Lesen alter Yps-Comic-Hefte, die an unbeschwerte Zeiten meiner Kindheit erinnerten, als es noch gar keine mobile Telekommunikation gab.
Jedoch stellt man bisweilen gerade an etwas abgeschiedeneren Ort fest, was heutzutage so alles nicht mehr geht, weil das Handy selbstverständlich geworden ist. Die aufkommende "Zwei-Wege-Verifizierung" (etwa für Online-Banking) kann selbst an Terminalcomputern dafür sorgen, dass man zur Überprüfung der Identität eine SMS auf das Handy geschickt bekommt. Telefonzellen, etwa wenn man sich von unterwegs kurz zu Hause melden möchte, findet man kaum noch - weil sie ebenso gut wie niemand mehr benutzt.
"Entscheiden Sie sich für ein privates Gerät, welches Sie immer zur Hand haben - auch im Urlaub", schreibt meine Krankenkasse in einer Mitteilung zur Digitalisierung ihrer Kundenbetreuung. Sie sprachen mir auf den Anrufbeantworter: Man habe festgestellt, dass ich per E-Mail nicht zu erreichen sei, ich sollte mich melden. Tatsächlich war mein E-Mail-Postfach zwischenzeitlich übergelaufen, und der Server sendete alle eingehenden Mails zum jeweiligen Absender zurück.
Meine Erkenntnis nach den zwei Wochen Selbstversuch ist, dass die Erholung am Ende größer ist als bei ständiger Erreichbarkeit über das Smartphone. Natürlich eröffnet die neue Technik riesige Möglichkeiten, steigert jedoch nicht immer den Lebenskomfort, birgt Sicherheitsrisiken und kann auf Dauer sogar krank machen. Aber erlaubt die Gesellschaft überhaupt noch, dass Entwicklungen hinterfragt werden, die der Wirtschaft satte Profite einbringen? So oder so sind Aus(schalt)zeiten sinnvoll - ich habe fest vor, das "So.Me.-Detox" im nächsten Urlaub zu wiederholen. Bis dahin bin ich aber erreichbar.