Volksfeststimmung im Mosbach der Nachkriegszeit: Jugendliche aus Mosbach und Umgebung boten mit ihren selbst gebauten Seifenkistenrennen spannende Duelle. Drumherum feuerten zahlreiche begeisterte Zuschauer die jungen Rennfahrer an. Foto: privat
Mosbach. (dore/ar) Tollkühn flitzten sie die steile Straße hinunter. Umgeben von ein paar Brettern und auf vier Rädern suchten sie den Geschwindigkeitsrausch. Auf ihren selbst gebauten Seifenkisten jagten Jugendliche in Mosbach auf der Sulzbacher Straße zwischen dem Bergfeld und Mosbach dem Ziel entgegen. Zwei dieser Fahrer waren damals Peter Steiner, aufgewachsen in Obrigheim, und der Mosbacher Gregor Rechner.
"Die Seifenkistenrennen waren für die Region absolute Höhepunkte. Hier war ja nichts los, in der Region um Mosbach wurde auch noch kein Fußball gespielt", berichtet Peter Steiner. Eine Volksfeststimmung herrschte damals entlang der Rennstrecke, erinnert sich noch gut Gregor Rechner. Zahlreiche Schaulustige säumten in den Jahren der Nachkriegszeit die Straße und fieberten mit den Jugendlichen in ihren Gefährten mit. "In der Hufeisenkurve stand damals noch ein Baum, auf dem Jugendliche saßen, die uns kräftig und lauthals anfeuerten", erzählt Gregor Rechner. Dieses besondere Sportereignis wollten damals viele Schaulustige miterleben.
Die Rede ist von vier "Seifenkistenrennen" zwischen 1947 und 1952 in Mosbach. Peter Steiner begann damals im zarten Alter von neun Jahren mit dem Spektakel. Doch wie kam es überhaupt zu diesen Rennen? "Die Region war damals noch von den Amerikanern besetzt. Sie hatten die Idee und haben das ganze Ereignis auch tatkräftig unterstützt", so Steiner.
Veranstalter war die Ortsgruppe Mosbach des ADAC in Zusammenarbeit mit dem Kreisjugendausschuss Mosbach und den Opelhändlern des Kreises Mosbach, wie auf einem Flugblatt aus dem Jahr 1951 zu lesen ist. Peter Steiner nahm an zwei Rennen teil und fuhr einmal auf den siebten, und einmal auf den vierten Platz. 1951 und 52 sauste Gregor Rechner die Sulzbacher Straße hinunter, der dabei einmal sogar auf den dritten Platz fuhr. "Ich gewann damals einen Fotoapparat", schildert Gregor Rechner erfreut über diesen Erfolg.
Foto: Alexander RechnerFahrerisches Geschick und Mut waren damals gefragt und stellte die Teilnehmer vor Herausforderungen. "Die Strecke war nicht ungefährlich. Besonders in der Hufeisenkurve musste man aufpassen, nicht ins angrenzende Feld hinauszuschießen", erläutert Peter Steiner. Und man hatte mit den damaligen Seifenkisten schon ein gutes Tempo drauf.
Jeweils "eins gegen eins" lieferten sich die Jugendlichen, die nicht älter als 14 Jahre alt sein durften, heiße Duelle auf der rund einen Kilometer langen Strecke im Kampf um die Spitzenplätze. "Es gab zwei Durchgänge und die Sieger kamen jeweils weiter. Außerdem wurde die Zeit gestoppt. Derjenige mit der insgesamt besten Zeit war dann auch der Sieger", erklärt Steiner die Regularien des Rennens. Für heutige Verhältnisse gewiss ungewöhnlich waren die Preise für die Bestplatzierten, so Steiner: "Es gab aber keinen Pokal oder Preisgeld, wie man es heute vielleicht erwarten würde - stattdessen bekam man Geschenkkörbe mit amerikanischen Lebensmitteln". Zudem hätten die amerikanischen Soldaten die Teilnehmer während des Rennens gut versorgt. "Wir bekamen reichlich Cola und Schokolade", schildert Gregor Rechner.
Als damals Neunjähriger sei Peter Steiner natürlich nicht selbst auf die Idee gekommen, sich bei dem Rennen anzumelden. "Mein Vater war die treibende Kraft. Er hatte eine Ausschreibung in der Zeitung gesehen und mich angemeldet."
Doch um an dem Rennen überhaupt teilnehmen zu können, brauchte Peter Steiner erst einmal einen "Rennwagen". Und der musste selbst gebaut werden. "Mein Vater, Onkel und Bekannte haben natürlich geholfen." Das Holz für den Kasten, in dem die Rennfahrer saßen, musste Steiner selbst besorgen. Auch Gregor Rechner bastelte sein Gefährt selbst zusammen - im Keller. "Ganz am Anfang waren die Seifenkisten noch mit Kinderwagenrädern ausgestattet", erläutert Gregor Rechner.
Später wurden Räder, die die Teilnehmer von den Autohäusern Opel Spitzer und Opel Heinrich gestellt bekamen, dran geschraubt. Dazu kamen ein Lenkrad und eine "primitive Bremse in Form eines Brettes, die unten an der Seifenkiste befestigt wurde und auf die Straße gedrückt hat, sobald man mit dem Fuß darauf trat", ergänzt Peter Steiner. Zu guter Letzt musste das "Fahrzeug" noch gestrichen werden.
Doch bevor das Rennen nach einem etwa halben Jahr Vorbereitungszeit endlich losgehen konnte, musste Steiners Seifenkiste erst einmal von seinem Zuhause in Obrigheim zur Kontrollstelle am alten Gymnasium in Mosbach gebracht werden. Und das ohne Auto, Transporter oder Laster, sondern mit Freunden, zu Fuß. "An der Kontrollstelle haben Experten die Seifenkisten auf Sicherheitsaspekte überprüft, und wir bekamen einen Helm", erklärt Steiner. Aber dann ging es los: Vom Startpunkt "an den drei Bänken" flitzten sie den Hang hinunter.