Wer solch ein Gespinst sieht, sollte Abstand halten und es auf keinen Fall anfassen. Gerd Hauck zeigt an einer Eiche, was der Eichenprozessionsspinner zurücklässt. Foto: Stephanie Kern
Von Stephanie Kern
Schefflenz. Wer einen Beweis für den Klimawandel sucht, der muss nicht an die Pole schauen. Ein Spaziergang durch den Schefflenzer Wald reicht aus, um sich von den aktuellen Veränderungen zu überzeugen. Ein sichtbares (und vor allem schmerzhaftes) Zeichen für den Klimawandel ist der Eichenprozessionsspinner. Und dessen verstärktes Aufkommen in den Schefflenzer Wäldern bereitet Revierleiter Gerd Hauck aktuell Kopfzerbrechen. "Halten Sie Abstand", rät Hauck deshalb denjenigen, die im Wald Ruhe, Erholung und etwas Schatten suchen.
"Es ist noch nicht so, dass ich den Wald sperren muss. Aber die Bevölkerung soll gewarnt sein", sagt Hauck. Denn die Gespinste des Eichenprozessionsspinners sind gefährlich. Die Brennhaare rufen schweren Ausschlag hervor, bis zu zwei Wochen kann der jucken und schmerzen. Die Brennhaare schlagen sich auch auf die Bronchien nieder. "Und Allergiker können einen anaphylaktischen Schock bekommen." Im Schefflenzer Wald gebe es Bereiche, die massenhaft befallen sind. Das Tückische: Oft stehen die befallenen Bäume am Wegesrand oder auf Lichtungen - die Raupen des nachtaktiven Falters mögen es gern kuschelig warm. In sechs Generationen reifen die Raupen heran und fressen - man ahnt es - die Blätter der Eiche auf. Nur der Kuckuck ist ein natürlicher Fressfeind und kann die Raupen trotz der Brennhaare verspeisen.
Bereits im vergangenen Jahr ist Hauck ein vermehrtes Aufkommen des Eichenprozessionsspinners aufgefallen. "In diesem Jahr sind es mehr", meint Hauck. "Das Problem ist: Ich weiß nicht, wohin es sich die nächsten Jahre entwickeln wird." Denn selbst wenn ein nasses, kühles Jahr käme. Die Überbleibsel der Spinner sind über Jahre problematisch. An Spielplätzen, in Parks, dort, wo viele Menschen sind, werden solche Nester deshalb auch entfernt. Im "normalen" Wald und unter den aktuellen Bedingungen hat die Gespinstentfernung in den Forstämtern aber keine Priorität. "Wir haben große Schäden an der Fichte, der Buche und der Esche", erklärt Hauck. Hitze und Trockenheit des vergangenen und auch des aktuellen Sommers setzen dem Wald zu, der Borkenkäfer vernichtet große Mengen an Fichtenholz. "Die Eiche war eigentlich unser Notnagel, ein Baum, der diese Bedingungen aushalten kann. Wenn der jetzt massenhaft von einem Schädling befallen wird…", lässt Hauck den Satz unvollendet.
Schon im Rekordsommer 2003 begegnete Hauck dem Eichenprozessionsspinner im Schefflenzer Wald. "Davor war der hier nie ein Thema." Bis 2007 verzeichnete Hauck dann einen Anstieg des Schädlings. Danach ging die Population wieder zurück. Nun ist der Eichenprozessionsspinner wieder auf dem Vormarsch. "Das trockene und warme Wetter kommt ihm entgegen." Der Klimatrend der vergangenen Jahre zeigt nach oben, nicht steil, aber konstant. Der Eichenprozessionsspinner ist nur eines von vielen Symptomen des Klimawandels im Schefflenzer Wald. Überall stehen kaputte Buchen oder Fichten. Auch einige Eichen und Kirschbäume sind deutlich geschwächt. "Die könnten es aber gerade noch schaffen", sagt Hauck. "Das, was wir hier an Baumarten haben, das wird sich verabschieden", ist der Revierleiter überzeugt. Doch womit kann man planen? "Das ist Neuland", gibt der Fachmann zu. Er experimentiere gerne, habe Ideen, doch ein Wald habe auch eine wirtschaftliche Funktion. "Daran müssen wir auch denken." Die Frage zu beantworten, was in 50 Jahren noch hier wachsen kann, gleiche einem Blick in die Kristallkugel. "Ich tippe auf Eiche, Elsbeere, Nussbäume, die Zeder und die Douglasie", sagt Hauck und schiebt "ohne Gewähr" hinterher. In einem normalen Jahr setzt Hauck im Wald 5000 neue Pflanzen. Dieses Mal werden es bis zu 20.000 sein.