Blick in die Endoskopische Abteilung im Krankenhaus Buchen. „Nicht jedes Krankenhaus muss alles machen können“, stellte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn fest. Er forderte eine Vernetzung von Krankenhäusern. Foto: M. Bernhard
Von Martin Bernhard
Neckar-Odenwald-Kreis. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat sich am Samstagnachmittag in einer Online-Diskussion des CDU-Landtagskandidaten Peter Hauk für den Erhalt kleiner Krankenhäuser im ländlichen Raum ausgesprochen. Außerdem kündigte er an, dass im April mit dem Impfen in Arztpraxen begonnen werden soll.
"Viele Leute werden der Corona-Maßnahmen überdrüssig, die Einzelhändler griesgrämig", stellte Peter Hauk, Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, zu Beginn der knapp einstündigen Online-Diskussion fest. "Ich halte den Inzidenzwert für problematisch", kritisierte er die Fixierung auf die Zahl positiv Getesteter pro 100.000 Einwohner. Denn wenn jetzt mehr getestet werde, werde man mehr positiv Getestete ermitteln. "Ich halte eine Mischung aus Inzidenz, R-Wert (der besagt, wie viele Personen ein Infizierter rechnerisch ansteckt) und Belegung der Intensivstationen für sinnvoller", sagte Hauk. Denn die Belastung des Gesundheitssystems sei der Punkt, an dem der Staat eingreifen dürfe.
Zu dieser Problematik nahm der Bundesgesundheitsminister keine Stellung. Er bezeichnete Corona als "Naturkatastrophe". Als Politiker müsse man ständig "um die richtige Balance ringen". Denn es gebe keine Entscheidung, die keinen Schaden anrichte. "Wir müssen testen und impfen", sagte Spahn. "Innerhalb weniger Wochen sind Schnell- und Selbsttests massenhaft verfügbar." Er erhalte viele Mails, in denen ihm "Angebote für Selbsttests in Millionenhöhe" unterbreitet würden.
Derzeit seien rund sechs Prozent der Deutschen geimpft. Ein Großteil der Personen über 80 Jahren hat ein Impfangebot erhalten. Im nächsten Schritt seien Menschen im Alter von über 70 Jahren mit dem Impfen dran sowie weitere Personengruppen wie Pflegekräfte und Polizisten. Ab April werde man in Arztpraxen impfen. Den genauen Termin müsse man noch abstimmen. "Bis Sommer kann jeder, der will, geimpft sein", stellte Spahn in Aussicht.
Thomas Ulmer, ehemaliger CDU-Europaabgeordneter und seit 35 Jahren niedergelassener Arzt, äußerte sich zufrieden über das Krisenmanagement der Bundesregierung. Er will so schnell wie möglich in seiner Praxis impfen. "Ich schaffe 300 bis 400 Impfungen pro Woche in meiner Praxis", sagte er. Kritisch sieht er den Einsatz von Selbsttests, da man deren Nutzung schwer überwachen könne. Spahn geht davon aus, dass Menschen, die sich selbst testen, bei einem positiven Ergebnis ihr Verhalten ändern werden.
Beim Thema "Gesundheitswesen allgemein" ging es überwiegend um die Finanzierung der Neckar-Odenwald-Kliniken. Landrat Dr. Achim Brötel monierte, dass die Kliniken ihre Vorhaltekosten nicht erstattet bekämen: "Wir versorgen viele hochaltrige Patienten und erhalten dafür keine kostendeckende Vergütung."
Kliniken-Geschäftsführer Frank Hehn verwies auf eine Studie der Bertelsmann-Stiftung. Demnach seien kleinere Krankenhäuser wie die NO-Kliniken überflüssig. Diese Behauptung verunsichere Mitarbeiter und Patienten. Die hiesigen Krankenhäuser behandelten jährlich 60.000 Patienten. Im Falle einer Schließung könnten umliegende Häuser diese nicht aufnehmen. Auch Hehn betonte, dass der Sicherstellungszuschlag in Höhe von 400.000 Euro für das Buchener Haus nicht ausreiche. Denn man müsse weiterhin Betten für Covid-19-Patienten freihalten. "Wir haben keine Planungssicherheit", so Hehn.
Fritz-Peter Schwarz, der Vorsitzende des Krankenhausfördervereins in Hardheim, hat kein Verständnis dafür, dass im vergangenen Jahr bundesweit 20 Krankenhäuser geschlossen wurden. "Welche Krankenhausstruktur der Zukunft sehen Sie für den ländlichen Raum?", fragte er. Jens Spahn schlug vor, die Bertelsmann-Studie zur Seite zu legen, denn diese sei "nicht handlungsleitend". Eigentlich wollte er im vergangenen Jahr mit seinem Ministerium an einem Krankenhauskonzept arbeiten. Die Pandemie habe dies verhindert.
"Wir brauchen eine gute Grundversorgung und eine Spezialisierung auch in der Fläche", sagte er. "Aber wir brauchen nicht in jedem Krankenhaus alles. Wir sollten im Netzwerk denken und nicht in der Konkurrenz." Telemedizin, Digitalisierung und die Zusammenarbeit mit größeren und Uni-Kliniken könnten dabei helfen. "Es geht nicht ums Sparen, sondern um eine gute Grundversorgung." Nach seinen Worten werde die Bundesregierung in der nächsten Zeit drei Milliarden Euro in die digitale Infrastruktur des Gesundheitssystems investieren.
Peter Hauk wies darauf hin, dass Baden-Württemberg in seinen Krankenhäusern bereits sehr viele Betten abgebaut habe. "Das Land hat die niedrigste Bettenzahl pro Einwohner", sagte er. "Doch wir ernten nicht die Früchte dieser Restrukturierung." Stattdessen fließe Geld aus Baden-Württemberg in andere Bundesländer ab. Deshalb wünschte sich Hauk ein Gespräch mit hiesigen Bundestagsabgeordneten, den Verantwortlichen der Neckar-Odenwald-Kliniken und Jens Spahn in Berlin.