Aus dem Wald über die Straße auf die Schiene – und weg: Ein ganzer Zug voller Schadholz rollte am Mittwochmorgen vom Bahnhof Neckarelz aus in Richtung Oberpfalz. Die 1600-Festmeter-Lieferung ist nur der Anfang, in den Wäldern von Odenwald und Bauland lagern Unmengen an geschädigtem Nadelholz, für das Abnehmer gefunden werden müssen. Foto: Heiko Schattauer
Von Heiko Schattauer
Neckar-Odenwald-Kreis. Holz, Holz und noch mal Holz. Am Bahnhof in Neckarelz konnte man am Mittwoch vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehen, was aber auch nur logisch war: Denn die unzähligen Stämme, die da von Holger Spreng und seinen Kollegen fast schon spielerisch leicht verladen wurden, waren kurz zuvor ja auch aus dem Wald geholt worden. Rund 1600 Festmeter sogenanntes Schadholz machten sich einige Stunden später – fachgerecht auf 24 Zugwaggons verstaut – auf den Weg Richtung deutsch-tschechische Grenze. In Plößberg im Landkreis Tirschenreuth soll das Nadelholz aus dem Odenwald verwertet und verarbeitet werden.
"Das musste dringend weg, denn der regionale Markt kann die großen Mengen nicht aufnehmen", erklärt Helmut Schnatterbeck von der Forstlichen Vereinigung Odenwald-Bauland eG den Hintergrund des Großtransports, der viel organisatorische und logistische Arbeit erfordert: Das vom Borkenkäfer befallene Holz sei vor rund sechs Monaten geschlagen worden – und um wenigstens noch ein wenig was dafür zu bekommen, war es nun höchste Zeit für Transport und Verwertung.
"Der Markt ist am Boden", schildert Forstexperte Schnatterbeck beim Holz-Austausch an der Verladestation in Neckarelz. Stürme und Trockenheiten haben in der Region, in Deutschland und auch im benachbarten europäischen Ausland zuletzt für Unmengen an Schadholz vor allem bei der Fichte gesorgt. Entsprechend gering ist der Ertrag, den man mit einem Holzverkauf generieren kann.
Allein in der Region, die von der Forstlichen Vereinigung Odenwald-Bauland betreut wird, werden dieses Jahr rund 150.000 Festmeter Schadholz, zumeist Fichte, anfallen. Deutschlandweit wird mit etwa 70 Mio. Festmetern gerechnet. Rund 50 Mio. Festmeter sind eigentlich normal. Doch mit steigenden Durchschnittstemperaturen ist auch im heimischen Wald nicht mehr allzu viel normal. "Wenn wir die vorhergesagten zwei Grad höhere Durchschnittstemperatur erreichen, wird es die Fichte unterhalb von 600 Metern auf Sicht nicht mehr geben", skizziert Schnatterbeck die Auswirkungen der klimatischen Veränderungen, die bekanntermaßen auch anderen Baumarten schwer zu schaffen machen.
Der Forstspezialist spricht von rund 1,5 Grad Celsius Temperaturanstieg innerhalb der vergangenen zwei Jahrzehnte und davon, dass der negative Höhepunkt in Sachen Schadholz noch nicht erreicht sei. Die Hoffnung auf Besserung, sie ist noch immer da, stirbt aber mit jeder Trockenperiode ein Stückchen mehr.
Zurück zum Markt: "Es gibt viel mehr Holz, als der Markt aufnehmen kann", weiß Helmut Schnatterbeck. Statt 80 bekommt man denn derzeit auch nur 20 Euro für den Festmeter Holz. Der Geschäftsführer der Forstlichen Vereinigung relativiert allerdings: "Wir sind hier in der Region ja noch relativ gut dran. Andere Gebiete in Mittel- und Norddeutschland, oder speziell auch in Tschechien, sind noch viel schlimmer betroffen beim Schadholz."
Ein weiteres Problem hat man im Bereich Odenwald/Bauland aber zusätzlich: Es gibt in der näheren (und auch weiteren) Umgebung offenbar kein größeres Sägewerk, das die anfallenden großen Mengen Fichten Schadholz adäquat verwerten könnte. Die erste mögliche Lieferstelle sei rund 100 Kilometer entfernt, erklären Schnatterbeck und Markus Groß von Forst BW, der die Abwicklung des großen Holztransports gen Tirschenreuth mit organisiert und begleitet.
Dass hinter dem mächtigen Transport auch mächtig Logistik steckt, verdeutlicht schon die Bestückung des Zugs: Einen ganzen Tag lang waren die auf den Transport von Holz spezialisierten Unternehmen Spreng (Waldmichelbach) und Schröpfer (Mudau) mit fast einem Dutzend Lastwagen unterwegs und beschäftigt, um die 1600 Festmeter Holz vom Wald erst auf die Straße und schließlich auf die Schiene zu bringen.
Die wird weiter der Hauptweg sein, um das Schadholz, das im Werk in der Oberpfalz nun unter anderem zu Bauholz weiterverarbeitet wird, auf den Markt zu bringen. Da ist es gut, dass man eine Verladestation wie die am Bahnhof in Neckarelz hat. Die hatte man 2008 auf Betreiben der Forstverantwortlichen aus der Region und des NOK erst wiederbelebt; die Deutsche Bahn musste man dafür nachhaltig bearbeiten, wie sich Markus Groß erinnert. Auch 2016 war die Stilllegung des Verladegleises noch einmal Thema, inzwischen sehe aber offenbar auch die Bahn Notwendigkeit und Nutzen der Station am Bahnhofsrand.
Der 1600 Festmeter-Zug, der sich am späten Mittwochabend mit der schweren Odenwälder Fracht in Bewegung setzte, ist unterdessen in diesem Jahr nur der erste seiner Art. "Da werden schon noch ein paar weitere Transporte dieser Art folgen", sagt Helmut Schnatterbeck mit Blick auf die vielen Festmeter Schadholz, die noch in den Wäldern von Odenwald und Bauland liegen – und möglichst bald raus müssen.