Teilweise nur noch im Notbetrieb werden derzeit manche Arztpraxen in der Region gefahren. Niedergelassene Ärzte beklagen einen Mangel an Schutzausrüstung, Verantwortliche im Gesundheitswesen fragen sich, wie die Ausstattung mit Atemschutzmasken oder Schutzkleidung gewährleistet werden kann. Symbolfoto: Ursula Brinkmann
Von Ursula Brinkmann
Neckar-Odenwald-Kreis. Mit 100.000 Masken (FFP2), etwa einer Million Mund-Nasenschutz-Tüchern (OP-Masken) sowie Einmalhandschuhen und Schutzkitteln beliefert die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) aktuell die rund 15.000 Arztpraxen im Land. Das sei leider nicht die Menge, die für die Versorgung erforderlich wäre, schrieb Dr. Norbert Metke, Vorstandsvorsitzender der KVBW, in einer Pressemitteilung Ende vergangener Woche, "dennoch werden die Praxen damit den Betrieb erst einmal aufrechterhalten können."
Einfach dividiert wären das 6,6 Masken pro Praxis, doch wird nach einem bestimmten Schlüssel verteilt. Es ist demnach auch nicht viel mehr als die vier FFP2-Masken pro Praxis, die der "Landrat für uns organisiert hat", wie Dr. Rainer Schöchlin an die "lieben Kolleginnen und Kollegen" eine Woche zuvor geschrieben hatte. Der Allgemeinmediziner vertritt 480 Ärztinnen und Ärzte im Neckar-Odenwald-Kreis (NOK).
Unter diesen hatte die Ankündigung teils für Belustigung, teils für Unmut gesorgt, erschien doch manchem die Zahl von vier Masken sehr gering. Dr. Friedhelm Polit, der in Schwarzach praktiziert, fand es "rührend, wie sich der Landrat um den Schutz von Arztpraxen sorgt". Er fühle sich geradezu verspottet, wegen vier Masken fahre er nicht ins Gesundheitsamt.
Dr. Schöchlin selbst kann auf noch ausreichende Schutzmaterialbestände ("mein Vorrat aus Schweinegrippezeiten") in seiner Praxis in Mosbach schauen. Dr. Matthias Haney hatte vor der aktuell ankündigten KVBW-Lieferung sechs Masken von der Vereinigung bekommen. "Und auch die vier vom Gesundheitsamt", erzählt er und lacht ein wenig.
Für die eigene kardiologische Gemeinschaftspraxis in Mosbach sei man selbst aktiv geworden und habe für teures Geld einige Masken selbst besorgt. Einen "normalen" Praxisbetrieb fahren alle drei – Schöchlin, Polit und Haney – nicht mehr; man konzentriert sich auf Notfälle, Hausbesuche, unaufschiebbare Untersuchungen. Dafür werden die Schutzmasken gebraucht.
"Wir fahren einen differenzierten Praxisbetrieb", schildert Dr. Gunther Leibfried die Situation für seine Gemeinschaftspraxis in Neckarelz. Auf die von der KVBW angekündigte Lieferung warte er, die Schutzmasken vom Gesundheitsamt hat er nicht abgeholt. "Wir besorgen uns selbst Masken, aber die Lage ist angespannt", will er die Weiterentwicklung dieses Aspekts der Corona-Krise abwarten. Klar ist für ihn aber auch: "Wir müssen die Leute versorgen."
Das gilt auch fürs Landratsamt, wobei "Leute" hier – entsprechend der eigenen Zuständigkeit – in erster Linie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind, die in den Neckar-Odenwald-Kliniken, im Krankenhaus Hardheim, in der Klinik Schloss Waldleiningen, in den Pflegeheimen im Kreis, den ambulanten Pflegediensten tätig sind sowie Hebammen und Physiotherapeuten.
"Die Versorgung der niedergelassenen Ärzte mit Persönlicher Schutzausrüstung (PSA) erfolgt hingegen direkt über die Kassenärztliche Vereinigung", reagiert der Pressesprecher im Landratsamt, Jan Egenberger, auf RNZ-Anfrage. Klar stellt er auch: "Zur Sicherstellung von Corona-Abstrichen hat das Gesundheitsamt im Bedarfsfall den niedergelassenen Ärzten im Kreis auf freiwilliger Basis angeboten, jeweils vier Masken pro Praxis aus eigenen Beständen zur Verfügung zu stellen. Dies wurde durch viele Praxen dankbar angenommen."
Weil die PSA, bestehend aus Handschuhen, Masken und Schutzkleidung, einer der zentralen Faktoren in der Bekämpfung der Corona-Pandemie sei, habe das Thema für das Landratsamt eine sehr hohe Priorität. "Das Gesundheitsamt koordiniert alle Maßnahmen zur Beschaffung und Verteilung von PSA, unterstützt durch die Stabsstelle Feuerwehr und Bevölkerungsschutz."
Drei Landeslieferungen (eine davon am gestrigen Montag eingetroffen), die insgesamt 13.000 FFP2-Masken, 16.650 Paar Handschuhe, 200 Schutzanzüge, 35.000 OP-Masken, 40 Schutzbrillen und 14 Liter Desinfektionsmittel enthielten, seien im Neckar-Odenwald-Kreis angekommen. "Diese Schutzausrüstung wurde und wird vom Landratsamt entsprechend der Bedarfe verteilt – dort, wo wir zuständig sind." Von einer "Mangelverwaltung", wie Dr. Schöchlin die momentane Lage (auch in seiner Praxis) beschreibt, spricht man im Landratsamt nicht, jedenfalls nicht offiziell.
Pressesprecher Egenberger macht stattdessen klar, was grundsätzlich gilt: "Alle drei Säulen des Gesundheitswesens – die ambulante Versorgung, die stationäre Versorgung und das öffentliche Gesundheitswesen – arbeiten auf der epidemiologischen Schiene gemeinsam und gut zusammen, um die Epidemie im Kreis im Griff zu behalten und insbesondere die Ressourcen in den Krankenhäusern zu schonen."