Auf stimmungsgeladene Prunksitzungen in vollen Hallen müssen Vollblut-Fastnachter wie die Allfelder Weißköpf dieses Jahr coronabedingt verzichten. Archivfoto: Peter Lahr
Von Peter Lahr
Neckar-Odenwald-Kreis. "Wir halten die Fahne hoch", betont Markus Jung, Vorsitzender der Allfelder Weißköpf. Eigentlich würde dieses Jahr der Gaudiwurm der Großgemeinde Billigheim durch sein Revier schaukeln, aber die Pandemie macht den kleinen und großen Närrinnen und Narren einen kräftigen Strich durch die Rechnung. Was vor Ort möglich ist, davon berichteten die Vertreter einiger Vereine der RNZ.
"Es ist schade, aber ein Umzug wäre nicht zu steuern. Wir denken an das Wohl jedes Einzelnen", unterstreicht Jung. Bereits im August haben sich die Billigheimer Narren zusammengesetzt, um "eine gemeinsame Linie" zu fahren. Tatsächlich hätte man ja auch Ende September die Produktion von Fastnachtsorden in Auftrag geben müssen. Schon damals sei klar gewesen, dass es keine Präsenzveranstaltungen geben wird. Die Garden durften im Sommer gerade einmal drei Wochen lang trainieren.
Auch wenn die Weißköpf in den sozialen Kanälen unterwegs sind – generell steht der Verein einer digitalen Sitzung eher kritisch gegenüber: "Wir sind nicht Gundelsheim oder Köln." Der Aufwand wäre zu hoch, man erreiche weder die Jungen noch die Älteren wirklich damit. Zudem mache den Reiz der Fastnacht eben das gemeinsame Feiern aus. Und bei den aktuellen Rahmenbedingungen glaubt Jung, dass derzeit sowieso niemand so richtig in Fastnachtsstimmung komme.
"Wir hoffen auf das nächste Jahr, wir sind nicht weg vom Fenster", darin sind sich die Weißköpf einig mit den Miehlbocher Mondspretzern, den Katzentaler Katzen und der FG Agricola Billigheim. Letztere hat am 11. 11. bereits närrische Konfettipäckchen an Aktive und Helfer verteilt. Das will auch der FV Freibier Sulzbach tun, wie dessen Vorsitzender Michael Hany berichtet. Er hofft auf Aktionen zu einem späteren Zeitpunkt, etwa ein Vatertagsgrillen. "Aber das ist ja derzeit alles Glaskugellesen", dämpft Hany verfrühte Hoffnungen.
"Es ist dieses Jahr so weit weg – man ist so aus dem Tritt. Es ist so traurig", beschreibt Anne-Katrin Bulenz ihr aktuelles Fastnachtsgefühl. In Lohrbach ist das Großereignis eine Gemeinschaftsaktion der Vereine. Folgerichtig engagiert sich Bulenz auch beim Sportverein, dem FC Lohrbach. "Ich habe dieses Jahr dreimal Volleyball gespielt", lautet auch hier das eher magere Fazit. Gut angekommen sei dagegen die Aktion "Essen to go". Dadurch seien sogar neue Mitglieder zum Verein gestoßen.
Besonders leid tut es Bulenz um die "Teenies bis 35", die seien dieses Jahr schlicht auf der Strecke geblieben. Vielleicht könne man im Sommer ja noch zu einer Strandparty einladen, zeigt Bulenz, dass auch bei den Narren die Hoffnung zuletzt stirbt. "Wir sind super organisiert. Wenn es klappen würde, könnten wir das kurzfristig stemmen. Wir haben das Equipment. Jeder weiß, wo er hinpacken muss." Doch Bulenz hadert nicht mit dem Schicksal, denn sie gibt zu, dass sie schon 2020 "ein mulmiges Gefühl" beim Nachtumzug hatte: "Da waren 35.000 Besucher da, und jedem musste man ein Bändchen anlegen."
Maximal in minimaler Anzahl kann sich auch Andrea Gehrig die diesjährige Fastnacht in Aglasterhausen vorstellen – vielleicht zu zweit eine Schlüsselübergabe im Rathaus am Schmutzigen Donnerstag. Statt auf der Straße wollen die Hausemer Windbeutel vermehrt in den sozialen Kanälen präsent sein.
Auch in Mosbach wird es weder eine Rathausstürmung noch eine Saalfastnacht geben. "Wir haben alles schon im Herbst frühzeitig abgesagt", berichtet Alexander Rechner von der Kolpingfamilie, die sonst immer zum Sturm aufs Rathaus bläst. Ruhig bleiben wird es auch in Schefflenz. Statt des entfallenden Umzugs will die FG Hossa aber 555 Euro für das Freibad spenden, erklären die Vorsitzenden Anja Binnig und Daniel Henn.
"Bis November hatten wir noch eine Freiluftveranstaltung geplant. Aber die Gesundheit geht vor", unterstreicht Klaus Brommer von der KG Neckario Neckarelz. Immerhin drei Videos stelle man ins Netz. "Sebastian Klaus schneidet seit Tagen." Die Neckeinholung ist bereits seit Mittwoch online. Am morgigen Samstag lädt Neckario zur virtuellen Prunksitzung ein; am Rosenmontag wird dann der dritte Film hochgeladen, anzusehen unter www.neckario-neckarelz.de. Schriftführerin Rebecca Wann weist noch darauf hin, dass in den sozialen Medien mehr Infos stehen – inklusive den Vernetzungen. Ein bisschen Fastnacht geht also auch zu Hause vor dem Bildschirm.
Auch die Trienzer Schorlemafia hat eine virtuelle Prunksitzung zusammengestellt, die am Samstag, 13. Februar, ab 19.11 Uhr per twitch.tv kostenlos im heimischen Wohnzimmer verfolgt werden kann.