Von Alexander Rechner
Neckar-Odenwald-Kreis.Die Ministerpräsidenten besprachen am gestrigen Mittwoch mit Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, wie es in der Corona-Krise weitergeht. Der Bundestagsabgeordnete Alois Gerig hält indes die Fortschritte der Forschung bei der Suche nach einem Impfstoff für bemerkenswert. Diese lassen den direkt gewählten Abgeordneten hoffnungsvoll in die Zukunft blicken. Dennoch wirbt er im Interview um Geduld und Disziplin.
Ein Thema dominiert unser Leben. Deshalb lassen Sie uns hinter die Kulissen im Bundestag blicken. Wie viel Ihrer Arbeitszeit verwenden Sie derzeit für die Corona-Pandemie?
Gefühlt sind das fast sieben Tage die Woche in Berlin und im Wahlkreis. Auch die Abläufe im Bundestag werden von der Corona-Krise beherrscht, seit März hatten wir über 70 Debatten im Bundestag. Wir haben zur Pandemie Gesetze beschlossen, über eine Regierungserklärung debattiert, aktuelle Stunden abgehalten und Anträge beraten. Wir haben im Rahmen von Arbeitsgruppen-, Gremien- und Ausschusssitzungen über die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie diskutiert und teilweise auch die Regierung korrigiert. Kurz gesagt: Corona nimmt viel Raum in meinem Alltag ein, auch wenn andere Themen dabei natürlich nicht unter den Tisch fallen dürfen.
Die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten haben sich am gestrigen Mittwoch ausgetauscht. Wie beurteilen Sie die Ergebnisse?
Die getroffenen Maßnahmen von Bund und Ländern hängen immer eng zusammen mit der Zahl der täglichen Neuerkrankungen. Deshalb sehe ich die Corona-Verschärfungen nach aktuellem Stand – auch wenn es schmerzt – als notwendig an. Schließlich darf unser Gesundheitssystem nicht überfordert werden. Ich möchte nicht in die Situation kommen, in der nicht mehr alle erkrankten Menschen medizinisch versorgt werden können.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn rechnet noch in diesem Jahr mit ersten Impfungen gegen das Coronavirus. Teilen Sie diese Einschätzung?
Die Forschung leistet bemerkenswerte Fortschritte bei der Suche nach einem Impfstoff. Ich bin begeistert, wie die Forschung in der Kürze der Zeit vorangekommen ist. Wir sind auf einem guten Weg. Dennoch: Wir alle müssen uns darauf einstellen, dass das Coronavirus ein Teil unseres Lebens bleiben wird. Trotzdem habe ich die große Hoffnung, dass wir mit dem Impfstoff Ostern im kommenden Jahr sehr viel sicherer feiern können als momentan Weihnachten und Silvester. Die Pandemie belastet die Menschen sehr, das weiß ich aus vielen Zuschriften und Telefonaten. Auch wirtschaftlich. Dennoch möchte ich alle Menschen um Geduld und vor allem auch Disziplin bitten. Deutschland ist vergleichsweise bislang gut durch die Krise gekommen. Wir dürfen nun nicht nachlassen. Solange wir keinen Impfstoff haben, ist die AHA-Formel unser oberstes Gebot: Abstand halten, Hygiene beachten, Alltagsmaske tragen.
Es zeichnet sich ab, dass auch Weihnachten und Silvester anders als in den Jahren zuvor gefeiert werden müssen. Was erwarten Sie?
Archivfoto: Alexander RechnerAuf größere Feiern müssen wir alle verzichten – hoffentlich nur einmalig. Zumindest eine Feier im kleinen familiären Kreis ist meiner Einschätzung nach ein Kompromiss. Ich wünsche mir, dass wir die Zeit finden, um uns alle auch auf das zu besinnen, was wir haben und wofür wir dankbar sein können. Denn daraus ziehen wir die Kraft und Zuversicht, die Schwierigkeiten, die uns sicherlich noch begegnen, zu überwinden.
Der Bund hat große Rettungsschirme aufgespannt. Der Einzelhandel, das Gastgewerbe und die Veranstaltungsbranche leiden unter der Coronakrise. Wie viele Finanzhilfen kann der Bund noch geben?
Die wirtschaftliche Betroffenheit des Gastgewerbes, der Veranstaltungsbetriebe sowie weiterer Branchen, aber auch einzelner Menschen nimmt zu. Auch von Bäckercafés hatte ich Hilferufe erhalten. Deshalb bin ich froh und dankbar, dass das Wirtschaftsministerium auch auf meine Bitte hin diese nun unter den Rettungsschirm gestellt hat. Viele der Telefonate, die ich mit Betroffenen führe, zeugen von Verzweiflung. Das sind menschliche Schicksale. Das bedrückt mich persönlich sehr. Der Bund hat deshalb bisher aus meiner Sicht gut reagiert. Viele Milliarden Euro flossen direkt oder indirekt in Corona-Hilfsmaßnahmen. Diese große Summe war möglich auszugeben, weil wir in den letzten Jahren ein gutes finanzielles Polster aufgebaut haben, von dem wir zehren konnten. Allerdings ist der Staat mittlerweile an einem Punkt, an dem neue Schulden gemacht werden müssen, was ich in dieser Ausnahmesituation für gerechtfertigt halte.
Der Ruf nach Finanzhilfen für Krankenhäuser wird zunehmend lauter. Sollen Kliniken Gelder erhalten?
Die Corona-Pandemie zeigt uns eines doch recht deutlich: Kleinere Kliniken werden für die Versorgung der Bevölkerung benötigt. Im ländlichen Raum sind sie eine wichtige Einrichtung. Die kleineren Krankenhäuser benötigen eine größere Wertschätzung und mehr Wertschöpfung. Mit anderen Worten: Die Kliniken müssen mehr Geld als bisher erhalten. Sie müssen auskömmlich finanziert werden. Ich vertrete hier ganz die Meinung unseres Landrats Dr. Achim Brötel. Wir stehen für gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und auf dem Land. Dazu gehört auch eine zeitnah erreichbare stationäre Versorgung.
Wechseln wir das Thema: Ist die Afrikanische Schweinepest auf dem Vormarsch?
Die Afrikanische Schweinepest gibt es schon einige Jahre in Europa. Seit zwei Jahren haben wir in unserem Nachbarland Polen die Afrikanische Schweinepest, die nun seit dem Sommer auch in Brandenburg und Sachsen bei rund 160 infizierten Wildschweinen festgestellt wurde. Es sind sofort Maßnahmen ergriffen worden, um diese einzugrenzen. Glücklicherweise sind bisher keine Hausschweine in Stallungen infiziert. Jedoch hat sie auch dazu geführt, dass der Außenhandel zusammengebrochen ist. Die Schweinepreise haben zum Leidwesen der Landwirte massiv gelitten, ohne dass der Verbraucher dies an der Supermarktkasse spürt.
Wie hoch ist denn die Gefahr für den Menschen?
Nach heutigen Erkenntnissen ist die Afrikanische Schweinepest nicht auf den Menschen übertragbar. Daher kann ich beruhigen, der Verzehr von Schweinefleisch ist für uns ungefährlich. Ich möchte betonen, auch alle erlegten Wildschweine müssen eingehend untersucht werden.
Sie sind seit sechs Jahren Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Ernährung und Landwirtschaft. Welche Maßnahmen ergreift der Bund, um dieser Schweinepest Herr zu werden?
In meinem Ausschuss behandeln wir dieses Thema wie auch die Vogelgrippe in jeder Sitzung. Das Bundeslandwirtschaftsministerium hält uns genau auf dem Laufenden, welche Vielzahl von Maßnahmen ergriffen werden, und wir arbeiten eng mit den zuständigen Landesregierungen zusammen. Als gewählte Abgeordnete haken wir nach und wir platzieren Forderungen, wie die Notlage entschärft werden soll.
Sie sprachen die Vogelgrippe gerade an: Können Geflügelprodukte unbedenklich gegessen werden?
Ja, ich kann Entwarnung geben. Denn auch hier sagen uns die Experten, dass die aktuell auftretende Vogelgrippe nicht auf den Menschen übertragbar ist. Derzeit tritt sie noch im Norden und Osten Deutschlands auf. Sobald ein Fall bestätigt ist, wird ein Sperrbezirk von drei Kilometern eingerichtet. Alle Tiere müssen im Stall bleiben und werden genau beobachtet, um die Vogelgrippe einzudämmen.