Abgesperrte Stände, geschlossene Hotels und weitere Reisebeschränkungen: Die Coronakrise hat die Tourismusbranche hart getroffen und ein echter Restart ist noch nicht in Sicht. Viele Urlauber warten noch mit Buchungen. Foto: dpa
Von Caspar Oesterreich
Neckar-Odenwald-Kreis. Ihre Umsatzeinbrüche liegen zum Großteil bei über 90 Prozent. Wie kaum eine andere Branche sind Reisebüros und -veranstalter von den Auswirkungen der Coronapandemie betroffen. Doch nicht allen geht es gleichermaßen schlecht, wie die RNZ in Mosbach und den umliegenden Gemeinden erfahren hat: Während der eine nach 22 Jahren schließt, der nächste schon viel zu lange auf die Überbrückungshilfen wartet und so mancher überhaupt nicht zu erreichen ist, blickt ein anderer schon "vorsichtig optimistisch" auf die Sommermonate.
"Es sind immer die Kleinen, die am langen Arm verhungern", sagt Holger Kremser und seufzt. "Startbahn Neckartal" hat er sein Reisebüro 1999 getauft – und damit den wohl originellsten Namen unter den zahlreichen Mitbewerbern in der Region gefunden. Viel gebracht hat ihm das am Ende aber nicht: Nach 22 Jahren ist jetzt Schluss, der Ein-Mann-Betrieb in Neckargerach seit Februar nun für immer geschlossen. "Seit März 2020 hatte ich vier, vielleicht fünf Abreisen", berichtet Kremser im Gespräch mit der RNZ. Für kommenden Juli gebe es noch zwei gebuchte Flusskreuzfahrten – "aber sonst geht die Nachfrage gegen Null", erzählt er traurig.
Als die Pandemie im Frühjahr 2020 an Fahrt aufnahm, seien mehr als 90 Prozent der Reisen "von heute auf morgen" storniert worden, erinnert sich Kremser, "sowohl von den Veranstaltern, als auch den Kunden". Viel Arbeit habe er dadurch zwar gehabt – bloß Geld dafür gab’s quasi keines. Wie viele in der Branche lebte er von den Provisionen für verkaufte Urlaubsreisen. Absagen dagegen werden nicht vergütet, und Umbuchungen (statt teurer Karibikreise etwa eine günstigere Wanderung durch Österreich) sind mit finanziellen Abstrichen verbunden. "Die Sofort- und Überbrückungshilfen waren besser als nichts, aber trotzdem musste ich mehr und mehr an meine Ersparnisse ran." Das sei dann irgendwann einfach nicht mehr zu stemmen gewesen.
"Es ist schlicht eine Katastrophe", bringt Alexandra Bopp die Situation auf den Punkt. Ähnlich wie Kremser berichtet auch die Leiterin des Reisebüros Bopp in Mosbach von Umsatzeinbußen "zwischen 90 und 95 Prozent". Vereinzelt gebe es Buchungen für die Türkei, für Griechenland und Spanien. "Aber was ich heute in zwei Wochen buche, hatten wir vor der Krise in der Stunde", berichtet sie. Ihre beiden Angestellten waren schon lange nicht mehr im Büro. Die eine ist in Elternzeit, der andere zu 100 Prozent in Kurzarbeit.
Dennoch gibt sich Bopp kämpferisch, denkt an vieles, aber nicht ans Aufhören: "Ich hoffe, dass es im Juli endlich wieder richtig losgeht, es richtig knallt, wenn sich die meisten haben impfen lassen und die Nachfrage an Urlaubsreisen explodiert", erklärt sie. Aktuell aber seien noch viele Menschen verunsichert – "und niemand kann ihnen das verübeln", betont sie.
Auch Thorsten Gehrig hat die Coronakrise hart getroffen. Seinen Fuhrpark hat der Busunternehmer aus Walldürn halbiert. Die verbliebenen zwei Busse stehen still. "Es ist ein finanzielles Fiasko", sagt Gehrig, "selbst unsere VRN-Fahrten für den Schülertransport sind pausiert", erklärt er. Nur wirklich geleistete Fahrten würden vergütet, eine fixe Monatspauschale bekommt er vom Verkehrsverbund nicht.
An Busreisen sei im Moment nicht zu denken – weder innerhalb Deutschlands, noch ins Ausland. "Und von der Überbrückungshilfe kam überhaupt noch nichts an", sieht Gehrig seine Existenz bedroht.
Dabei habe Ende 2019 alles so gut ausgesehen. Bis Oktober 2020 sei er damals ausgebucht, die 600.000 Euro Umsatz fest eingeplant gewesen. "Übrig geblieben sind davon knapp 60.000 Euro – zehn Prozent, ein paar Fahrten im Sommer". Bei einem Komplettverbot von Busreisen bringe es dann auch nichts, "dass wir die Belüftungsanlagen in den Fahrzeugen aufwendig auf den neuesten Stand gebracht haben."
Das schlimmste ist für Gehrig aber, keine Planungssicherheit zu haben. Sechs bis acht Wochen Vorlauf brauche er, um genügend Reiseteilnehmer zu finden. "Ich hoffe, wir können ab April wieder fahren, aber wer weiß das heute schon ..."
Von deutlich weniger Umsatzeinbußen als ihre Vorredner berichtet Cristina Nickel vom Tui-Reisecenter in Mosbach. Er liege dennoch bei mehr als 50 Prozent, schätzt sie. "Wir sind aber langsam über den Berg." Vor allem Buchungen im Mittelmeerraum seien aktuell beliebt. "Und auch Ferienwohnungen werden häufig nachgefragt, Hotels sind machen noch zu heikel", sagt Nickel. Niemand allerdings wolle außerhalb der Europäischen Union verreisen. Geschäftsführer Reiner Hansal, der ebenfalls für das First Reisebüro in Mosbach verantwortlich zeichnet, blickt "vorsichtig optimistisch auf die Sommermonate".
Holger Kremser muss sich derweil nach einem neuen Job umsehen. "Es gibt nicht viel", sagt er. Weder in der Touristikbranche, noch im Verkauf malt er sich derzeit gute Chancen aus. "Auf dem Bau vielleicht, aber das ist mit über 50 auch nicht das wahre", sagt er. Kremser vermutet, dass es zwei bis drei Jahre dauern wird, bis sich die Reisebranche von der Krise erholt. Ein eigenes Büro will er dann jedoch nicht wieder eröffnen. "Im alten steckte so viel Herzblut drin ... das schaffe ich nicht noch einmal."