Eine von den Fraktionsvorsitzenden und Landrat Dr. Achim Brötel unterschriebene gemeinsame Resolution (von den Freien Wählern initiiert) gegen die unzureichende Krankenhaus-finanzierung verabschiedete der Kreistag in seiner jüngsten Sitzung. Adressaten sind die Gesundheitsministerien von Land und Bund. Foto: Heiko Schattauer
Neckar-Odenwald-Kreis. (rüb) "Was hier in Deutschland gerade passiert, ist ein riesiger Skandal!" Landrat Dr. Achim Brötel fand am Mittwoch im Kreistag deutliche Worte für die Gesundheitspolitik in Bund und Land, die dazu führt, dass vor allem kleinere Krankenhäuser im ländlichen Raum immer mehr in finanzielle Schieflage geraten. Einstimmig verabschiedete das Gremium anschließend eine auf Anregung der Freien Wähler verfasste Resolution mit dem Titel "Gemeinsam Verantwortung übernehmen für die Zukunft der Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum", die jetzt an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, den baden-württembergischen Sozialminister Manne Lucha und weitere Verantwortungsträger in Bund und Land geschickt wird. Nachfolgend der (leicht gekürzte) Text der Resolution:
"Der Neckar-Odenwald-Kreis bekennt sich nachdrücklich zur dauerhaften Sicherstellung einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum. ... Deshalb sind wir dankbar, dass wir mit den Neckar-Odenwald-Kliniken in Mosbach und Buchen und dem kommunalen Belegkrankenhaus in Hardheim Strukturen vor Ort haben, die das derzeit noch gewährleisten. Diese Strukturen sind aber zunehmend in Gefahr. Die Politik in Bund und Land, aber auch die immer restriktivere Haltung der Krankenkassen gefährden die flächendeckende Versorgung der Patienten aktuell mehr denn je.
Der Neckar-Odenwald-Kreis hat ... allein seit 2009 rund 75 Millionen Euro Verlustausgleich für die Neckar-Odenwald-Kliniken leisten müssen, weil das System der stationären Gesundheitsversorgung in Deutschland strukturell unterfinanziert ist und insbesondere die kleineren Krankenhäuser dabei systematisch benachteiligt werden. Die Verantwortung dafür trägt eindeutig der Bundesgesetzgeber. Während die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) auf der einen Seite Milliardenüberschüsse in Rücklagen angehäuft hat, ... geraten vor allem kleinere Krankenhäuser im ländlichen Raum mehr und mehr unter Druck. Gerade dort, wo die ärztliche Versorgung schon jetzt unterdurchschnittlich ist, nimmt die Politik dadurch also auch noch schmerzhafte Einschnitte im stationären Bereich in Kauf. Die Mär von angeblich gleichwertigen Lebensverhältnissen gerät so zur Farce.
... Allein die Neckar-Odenwald-Kliniken versorgen Jahr für Jahr mehr als 60.000 Patienten. Keiner der umliegenden Zentralversorger könnte das zusätzlich übernehmen. Wenn es die Neckar-Odenwald-Kliniken nicht mehr gäbe, blieben diese Menschen deshalb schlicht unversorgt. Die Mitarbeiter in unseren Krankenhäusern sind jeden Tag 24 Stunden für ihre Patienten da. Diese lebens- und überlebenswichtige Daseinsvorsorge wird von der Politik und den Krankenkassen bei der Finanzierung aber schlicht ignoriert. ... Dadurch droht auch die Notfallversorgung gerade in ländlichen Regionen mehr und mehr wegzubrechen.
Für uns ist diese Entwicklung schlicht unerträglich. Das Maß ist jedenfalls definitiv voll. Wer medizinische Hilfe braucht, muss sie – zumal in einem durch Sozialversicherungsbeiträge ausreichend finanzierten System und noch dazu in einem so reichen Land wie Deutschland – auch morgen und übermorgen bekommen. Politik muss deshalb endlich wieder vom Menschen her gedacht werden und darf nicht weiter von durchsichtigen Lobbyinteressen bestimmt sein. Krankenhäuser, die für die Versorgung vor Ort schlicht unverzichtbar sind, müssen deshalb finanziell auch so ausgestattet werden, dass sie nachhaltig überlebensfähig sind.
Stattdessen passiert momentan aber einmal mehr leider exakt das Gegenteil. Schon jetzt gehen jeden Tag in deutschen Krankenhäusern bei der Patientenversorgung mehr als eine Million Arbeitsstunden an sinnlose bürokratische Vorgaben verloren, weil die Kontrollwut der Krankenkassen und die Überregulierung durch die Politik nicht gestoppt werden. Jüngstes Beispiel dafür ist das MDK-Reformgesetz, das den Krankenhäusern jetzt zusätzlich auch noch Strafzahlungen auferlegt, wenn eine Abrechnung beanstandet wird. ... In einem solchen System bleibt die tatsächlich geleistete Patientenversorgung völlig unberücksichtigt. Für uns ist das deshalb ein echter Skandal.
Auch das Land Baden-Württemberg ist allerdings nicht frei von Mitverantwortung für die derzeitige Misere. So ist insbesondere die Investitionskostenfinanzierung nach wie vor bei Weitem nicht ausreichend. Und: Auch die Pauschalfördermittel, die seit langer Zeit sträflich vernachlässigt werden, müssen dringend weiter erhöht werden. Bund und Land stehen deshalb hier gemeinsam in der Pflicht. Der Neckar-Odenwald-Kreis hat ... in den letzten Jahren bis an die Grenzen seiner finanziellen Leistungsfähigkeit hin Verantwortung für die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung vor Ort übernommen. Auch die Politik und die Krankenkassen müssen sich dieser Verantwortung stellen. Wegducken geht nicht. Noch ist es nicht zu spät. Aber: Es ist unübersehbar, dass hier ein gesamtes System in ganz Deutschland an die Wand zu fahren droht. Deshalb ist es jetzt dringend an der Zeit, endlich zu handeln. Das fordern wir mit Nachdruck von allen politischen Mandatsträgern in Bund und Land ein."