Der Wohnsitzlose Hans-Jürgen Nething hat sein 30 Kilogramm schweres Hab und Gut immer bei sich. Er ist oft auf der Durchreise und ca. 20-mal im Jahr in Mosbach, wo er im DRK-Aufnahmehaus unterkommt. Foto: Claus Kaiser
Von Claus Kaiser
Mosbach. Als angenehmer und entspannter Zeitgenosse entpuppte sich der gebürtige Hesse Hans-Jürgen Nething im Gespräch mit der RNZ. Der 57-jährige Wohnsitzlose ist im Schnitt 20-mal pro Jahr gern gesehener Gast im Mosbacher DRK-Aufnahmehaus in der Sulzbacher Straße.
Befragt nach seiner Biografie, schildert er sein "waschmaschinenfestes" Leben, das er zunächst als Findelkind in verschiedenen hessischen Heimen verbrachte, wo er Selbstständigkeit lernte, aber auch auf die "schiefe Bahn" geriet. Dennoch schaffte er es, eine Ausbildung als Maler und Tapezierer abzuschließen. Die Firma, für die er als Subunternehmer arbeitete, ging in Konkurs, und seitdem habe er Sozialämter und Job-Center von innen kennengelernt. Ein roter Faden, der sich durch sein Leben zieht.
Im Alter von 19 Jahren ging er dann als Schausteller auf Achse. Damals hatte er noch diverse Beziehungen zu Frauen. Das habe in diesem Gewerbe einfach mit dazugehört. Der entscheidende Bruch in seinem Leben kam 1991, mit 30 Jahren. Der Einzelgänger schmiss seinen Job hin und ist seitdem, wie er sich ausdrückt, als "Einzelreisender" unterwegs. Sieben Jahre lebte er in einem Zelt im Wald, bis der Grundstücksbesitzer wechselte und ihn nicht mehr duldete. Er träume noch immer von einem kleinen privaten Grundstück. Das werde wohl eine Vision bleiben.
Seine Habseligkeiten in seinem Rucksack, wozu auch Kochgeschirr und Brenner gehören, wiegen über 30 Kilogramm, deshalb verflucht er die Stadt Wuppertal wegen der "verdammt vielen Treppen". Bayern und Bundesländer im Norden mag er nicht besonders, weil deren Sprache schwer verständlich sei. Deshalb hat er seinen Aktionsradius inzwischen vornehmlich aufs Ländle reduziert. Weil nämlich auch die Kosten für die Bahntickets an die finanzielle Substanz gingen.
"Mein Leben nehme ich hin, wie es ist, und ich sehe zu, dass es schnell dunkel wird", lautet das Lebensmotto des "Obdachlosen auf Durchreise", der sich weder eine Brille noch ein Gebiss leisten kann. "Ich sehe mein Leben humoristisch, obwohl es nicht so ist", sagt er grinsend.
Am Mosbacher Aufnahmehaus schätzt er die nette Atmosphäre und dass er sich stets nützlich machen kann. Immer sorgt er dafür, dass alles sauber und hygienisch ist. Momentan recht er das Laub, das von den Bäumen gefallen ist: "Man bekommt etwas und gibt etwas zurück." Dafür darf er manchmal in Mosbach auch ohne Übernachtungsschein schlafen.
Für Gerhard Weidner, Leiter Soziale Dienste beim DRK, ist das Aufnahmehaus aus der Region nicht mehr wegzudenken. Denn die nächste kostenlose Nutzung von Waschmaschine und Trockner befindet sich in Aschaffenburg. Auch ein Fernsehraum sei eingerichtet worden, und die Zahl der Besucher spreche für sich.
In diesem Jahr fanden bis Ende Oktober 218 "Durchreisende" mit Übernachtungsschein, der vom Ordnungsamt der Stadt Mosbach oder von der Polizei ausgestellt wird, im Aufnahmehaus eine vorübergehende Bleibe. Die Wohnsitzlosen fänden hier optimale Verhältnisse mit Schutz- und Rückzugsräumen vor. Drei Einzelzimmer bieten den Bedürftigen eine zeitweise Unterkunft. Es besteht die Möglichkeit, sich auszuruhen, zu kochen und sich um die persönlichen Hygiene zu kümmern.
Auf dem DRK-Areal sind sämtliche Anlaufstellen für Obdachlose gebündelt. Hier wird den Durchwandernden der ihnen zustehende Tagessatz von derzeit 13,87 Euro ausbezahlt. 2017 erfolgten 1592 Auszahlungen. Gerne genutzt werden auch die Kleiderkammer und der Tafelladen. Die Mosbacher sind erst der zweite Kreisverband in Baden-Württemberg, der Wohnsitzlosen auch nachts ein Dach über dem Kopf anbietet. Das könne in eisigen Winternächten besonders für "klassische" Dauerwohnsitzlose überlebensnotwendig werden, weiß Weidner aus langjähriger Erfahrung mit seiner Klientel.
Ohne Spenden und Sponsoren könnte sich der DRK-Kreisverband Mosbach das Aufnahmehaus, das im Mai 2014 für Wohnsitzlose und Durchwanderer eingeweiht wurde, nicht leisten, denn der Betrieb ist nicht unmittelbar refinanzierbar. Laut DRK-Geschäftsführer Steffen Blaschek entspricht es dem satzungsmäßigen Auftrag und Selbstverständnis des Deutschen Roten Kreuzes, sich für Menschen einzusetzen, die am Rande der Gesellschaft stehen, ohne einen Unterschied zwischen der Nationalität, der ethnischen Zugehörigkeit, des Geschlechts und der Religion zu machen.