Besucht man die Internetseiten von Kulturschaffenden (hier: Tante Gerda), so bietet sich ein ähnliches Bild, wenn man nach „Veranstaltungen“ sucht: gestrichen, verschoben, erhofft. Oder auf Neudeutsch wie links unten: No events at the moment. Screenshot: Ursula Brinkmann
Von Ursula Brinkmann
Mosbach. Erneut fragt die RNZ mit dem Dramatiker Lessing: "Was macht die Kunst?" Nach "Besuchen" bei darstellenden und bildenden Künstlerinnen und Künstlern erkundigt sich die RNZ bei jenen, die der Kunst in ihren unterschiedlichen Ausformungen eine Bühne, eine Ausstellungsfläche bieten.
Der Kunstverein Neckar-Odenwald konnte im zurückliegenden Jahr sein Programm weitgehend durchziehen – mit einigen Streichungen, Verschiebungen und Einschränkungen, mit weniger Besuchern als gewohnt, dafür mit (geringfügig) mehr Mitteln für den ansonsten vom ehrenamtlichen Engagement getragenen Verein. Vorsitzender Harald Kielmann konnte sich 2020 über zusätzliche Fördermittel vom Land freuen, wie sie Vereinen wie dem hiesigen gewährt wurden.
Kürzlich hat die Konzertgemeinde Mosbach gemeldet, dass auch das für den 9. Februar geplante "Mosbacher Klassische Konzert" verschoben werden müsse. Man sei jedoch fest entschlossen, alle drei noch anstehenden Konzerte der Saison 2020/21 spätestens bis zu den Sommerferien stattfinden zu lassen, "damit wir unseren Mitgliedern nicht Geld zurückzahlen müssen". Das ist für den Vorsitzenden Christof Roos aber nur ein Grund. Vor allem zählen, den jeweiligen Künstlerinnen und Künstlern ihre Auftritte und dem Publikum den Hörgenuss zu ermöglichen. Fest steht allerdings schon, dass die "Gutleutmusik" 2021 nicht gerettet werden kann. Hatte man 2020 noch drei der vier Konzerte in andere Gotteshäuser verlegen können, soll dieses Format in diesem Jahr pausieren, denn "zur Gutleutmusik gehört nun mal die entsprechende Kapelle".
Einen Weg, besser einen Pfad aus der Krise schlugen die Mosbacher Stiftskirchengemeinde und das evangelische Bezirkskantorat mit der "Stunde der Kirchenmusik" ein, die zugleich ein neues Format mit musikalisch-gottesdienstlichem Charakter darstellt. Man habe den Freiraum genutzt, so Bezirkskantor Bernhard Monninger, der den Religionsgemeinschaften von der Politik gewährt wurde. "Es ist ein Glück", ist der Kirchenmusikdirektor dankbar, "dass wir mit unseren musikalischen Angeboten wie mit den Proben, die beide im Laufe des letzten Jahres immer mehr schrumpften, das kirchenmusikalische Leben einigermaßen aufrecht erhalten konnten." Die Zahl der Konzerte, die üblicherweise unter dieser Regie veranstaltet werden, hätte selbst im Jahr 2020 bei zwei Dutzend gelegen. Manches konnte nicht stattfinden, immer wieder wurde neu geplant und wieder anderes an andere (auch digitale) Orte verlegt.
Monninger hat für die in seiner Zuständigkeit liegenden Laienensembles im Kirchenbezirk einen Ratschlag des Landeskantors, damit der Gesang in den Gottesdiensten nicht ganz zum Erliegen kommt: "Sie können in kleiner, wechselnder Besetzung singen oder spielen, sodass die Choräle von den Gemeinden wenigsten zu hören sind." Und sogar etwas Gutes kann Monninger der Krise abgewinnen: "Ich habe das Gefühl, dass die Musik und das reduzierte musikalische Angebot anders, wertschätzender wahrgenommen werden."
"Was ist los bei uns?" steht auf der Homepage der Mosbacher Musikkneipe "Tante Gerda" in der Rubrik "Veranstaltungen". Doch nicht nur "no events at the moment"("momentan keine Veranstaltungen") ist dort in der nächsten Zeile zu lesen. Tante Gerda kann momentan niemanden willkommen heißen, auch nicht zum Essen, Trinken und Freunde treffen. Das Gesamtkonzept, die Zweigleisigkeit, nützt Inhaber Till Scheitauer im Lockdown gar nichts. Aber schlimmer findet er, dass er Bands oder Solomusikern kein Podium bieten kann. "Keine Konzerte: das tut echt weh." Zwar hat Scheitauer noch ein zweites geschäftliches Standbein als Immobilienmakler, das ihm in der Krise beim Überleben hilft. Sein Herz aber hängt an Tante Gerda.
20 bis 30 Auftritte jährlich gibt es in der Carl-Theodor-Straße; 2020 wurde alles abgesagt. "Wir planen ja auch etwa ein Jahr im Voraus, jetzt sagen wir ab oder verschieben, was fürs Frühjahr 2021 anstand." Für seinen kleinen Kulturbetrieb hat Scheitauer staatliche Hilfe beantragt und teilweise erhalten. Ein festangestellter Mitarbeiter sei in Kurzarbeit. Obwohl verhalten optimistisch, stellt sich ihm die gleiche Frage wie jenen, denen er eine Bühne bietet: "Wird es uns noch geben, wenn die Krise vorüber ist?"
Der Auftritt um des Auftritts willen ist nicht der erste Grund für Aufführungen, die die Musikschule Mosbach normalerweise reichlich übers ganze Jahr verteilt. Die haben pädagogische Gründe. "Es geht darum, dass unserer Schülerinnen und Schüler zeigen können, was sie gelernt und geübt haben", ordnet Musikschulleiter Martin Daab das öffentliche Vorspiel ein. "Als untrennbaren Bestandteil des Unterrichts, der ein Ziel darstellt und Motivation liefert."
2020 sei es immerhin zu einem Dutzend Auftritten gekommen. Auch bei der Musikschule Mosbach hat man das digitale Podium erklommen und etwa für das virtuelle Krippenspiel in der Stiftskirche Weihnachtslieder aufgenommenen. Aber: "Der Applaus fehlt." Was den Musikschulleiter und -lehrer hingegen "sehr überrascht" und gewiss gefreut hat, ist, dass die Zahl der Anmeldungen zum Musikunterricht kaum abgenommen habe. Vorsichtig plant man die Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts nach Ostern, und "vorsichtig optimistisch" ist Daabs Vorstellung, nach den Sommerferien ein "normales" Musikschuljahr zu beginnen. Allerdings gelte das kaum für Veranstaltungen: "Da schauen wir eher ins Jahr 2022."