Freiland bedeutet auch, dass die Gänse von Steffen Diemer ihre letzten Tage auf einer verschneiten Wiese auf dem Mosbacher Bergfeld verbringen. Foto: Ursula Brinkmann
Von Ursula Brinkmann
Mosbach. Was die Erreger von Corona und der Schweinepest in deutschen Schlachthöfen und Schweineställen anrichten und was zu dem Unwort "Schweinestau" geführt hat, das trifft auf andere Nutztiere mitnichten zu. Steffen Diemer macht sich um den Absatz seiner Gänse nicht die geringsten Sorgen. Im Gegenteil. Der Bergfelder Landwirt könnte mehr zu Weihnachten verkaufen als er hat. Daran ändert auch Corona nichts.
"Die Leute entdecken das Naheliegende, das Selbstzubereitete in diesen Zeiten verstärkt wieder." Regional ist Trumpf. Und so wird sein noch auf der verschneiten Wiese schnatterndes Federvieh am 23. Dezember von den Privatkunden abgeholt werden, um am Heiligabend oder an den Weihnachtsfeiertagen frisch auf den Tisch zu kommen.
Diemer aber kennt die Situation der Kollegen aus nächster Nähe. Er selbst nämlich ist Haupt- und Nebenerwerbslandwirt in einem. Die Gänse, einige Enten und Hühner hält er seit etwa zehn Jahren aus Leidenschaft und Familientradition. Sein Haupterwerb ist die Anstellung auf dem Hof von Udo Holder vis-à-vis im Allfelder Weg im Bergfeld. "Da wir regional vermarkten, sind wir glücklicherweise nicht in der Lage wie andere Schweinemäster, die nicht wissen, wohin mit den schlachtreifen Tieren – noch …"
Was bei beim Nebenerwerbslandwirt Diemer eher als Hobby begonnen hat, nimmt allmählich doch größere Dimensionen an, so dass der gelernte Zimmermann und Landwirt über einen Hofladen ziemlich konkret nachdenkt und dafür auch schon Zuschüsse aus dem Leader-Regionalbudget beantragt hat. "Alles ist gewachsen, erst waren es ein paar Gänse, die wir zum Schlachten nach Meckesheim oder Weisbach gebracht haben." Inzwischen hat er vom Veterinäramt eine Sachkundebescheinigung, die "Lizenz zum Töten" und einen dafür eingerichteten Schlachtraum. "Zwei Tage lang sind wir vor Weihnachten zu viert beschäftigt mit dem Schlachten, Ausnehmen, Rupfen und Wachsen, damit die feinen Federkiele und Daunen verschwinden." Hier im Schlachtraum treffen ihn die Corona-Maßnahmen aber doch; es wird eng werden. "Für unsere Helfer über die Familie hinaus gelten die Abstandsregeln – auch im Verkauf."
Dass das ebenso wie die sieben Monate der Aufzucht (mit teils selbst erzeugtem Futter) seinen Preis hat, versteht sich von selbst. 14 Euro pro Kilo Schlachtgewicht liegen sogar noch an der unteren Grenze dessen, was für Freilandgänse aus bäuerlicher Landwirtschaft gemeinhin verlangt wird. Worüber sich Steffen Diemer jedoch aufregt, sind die tiefgefrorenen Zehn-Euro-Gänse beim Discounter: "Das ist ein Unding, eine Schande." Das aber ist nicht der Grund, weshalb bei Familie Diemer zu Weihnachten keine Weihnachtsgans auf den Tisch kommt. "Wir essen die eher mal zu Ostern."