So sieht es derzeit noch aus: Das ehemalige Autohausareal an der B27 soll neu entwickelt werden, 55 Wohnungen sollen entstehen, ein Lebensmittel-Vollsortimenter angesiedelt werden. Genau diese Ansiedlung stößt auf Kritik, eine massive Schwächung der Innenstadt wird befürchtet. Foto: Schattauer
Von Heiko Schattauer
Mosbach. "Mögliche Haken und Ösen können wir dann noch klären" – mit diesen Worten hat Mosbachs Oberbürgermeister Michael Jann Anfang März 2020 in öffentlicher Gemeinderatssitzung die just auf den Weg gebrachte Bauleitplanung für eine Neunutzung des ehemaligen Autohausareals an der B27 in Mosbach (ehemals Röll/Spitzer) kommentiert.
Nun gibt es ganz offensichtlich Klärungsbedarf, seither sind durchaus Haken und Ösen des ambitionierten Vorhabens an prominenter Stelle gefunden worden. Im Gespräch mit der RNZ äußern unter anderem der Mosbacher IHK-Geschäftsführer Dr. Andreas Hildenbrand, und der Vizepräsident des Handelsverbands Nordbaden, Peter Stadler deutliche Kritik am geplanten Projekt.
Zur Erinnerung: Die Frankfurter Projektentwicklungsgesellschaft "Schoofs" will auf dem rund 6500 qm großen Areal, seit einiger Zeit im Dornröschenschlaf, insgesamt 55 Wohnungen und einen tegut-Lebensmittelmarkt er- und einrichten. Der Gemeinderat hat für das Projekt grundsätzlich grünes Licht gegeben, etwa durch Zustimmung zur notwendigen Flächennutzungsplanänderung. Und grundsätzlich sehen auch die Kritiker des Vorhabens die Wiederbelebung des weitgehend brach liegenden Areals positiv. Vor allem die Schaffung von (neuem) Wohnraum sei absolut zu begrüßen.
Das ist der Plan: Gebaut werden soll ein Gebäudekomplex mit 55 Wohnungen und einem tegut-Markt. Grafik: SchoofsDen Haken am Projekt sehen Hildenbrand und Stadler an der Ansiedlung eines weiteren Lebensmittelmarktes im Erdgeschoss des geplanten Gebäudekomplexes. Und nicht nur sie: In der Runde derjenigen, die eine solche Entwicklung des Areals für gefährlich und falsch halten, reihen sich mit Projektentwickler Peter Herm oder Kaufmann Peter Arnold zwei weitere in der Stadt unternehmerisch Engagierte ein. Unterstützung erfahren sie zudem von Vertretern der Lebensmittelkonzerne Rewe und Norma, beide in unmittelbarer Nähe der geplanten tegut-Filiale mit Läden präsent.
Unternehmer Peter Herm, der in Mosbach u.a. eine Tankstelle mit Burger King betreibt und vor einigen Jahren eine Norma-Filiale auf seinem Areal am Stadteingang errichtet hat, spricht von einer "unglücklichen Entscheidung" des Gemeinderats. Die Flächen im EG des geplanten neuen Komplexes seien durchaus auch anderweitig vermarktbar. Er selbst habe noch vor Kurzem lange um eine geringe Lebensmittel-Verkaufsfläche (Norma) kämpfen müssen, versteht daher nicht, wie man nun leichtfertig weitere 1400 qm für diese Branche bewillige. Für ihn stellen sich hier auch baurechtliche und raumplanerische Fragen.
Auch Begriffe wie Verträglichkeit und Verlässlichkeit fallen in der Diskussion um die Planungen auf dem ehemaligen Autohausareal. Ein Gutachten der Cima sieht für das Vorhaben eine "städtebauliche Verträglichkeit", ein anderes Gutachten (von Rewe bei der GMA in Auftrag gegeben) kommt zu einem anderen Schluss, sieht keine Verträglichkeit. Für Peter Stadler ist das grüne Licht für die geplante Projektentwicklung vor allem in Bezug auf die Verlässlichkeit ein rotes Tuch.
"Ein Unternehmer muss sich auf die Stadt, gewisse Vorgaben und Zusagen auch verlassen können. Hier werden offenbar beide Augen zugedrückt. Für die Entwicklung von Wohnungen riskiert man hier einen Frequenz- und Köpfe-Verlust in der Innenstadt. Gerade in Coronazeiten kann das einen Flächenbrand nach sich ziehen", befürchtet Stadler, selbst Inhaber von drei Ladengeschäften in der Fußgängerzone.
"Erhebliche städtebauliche Belastungen" für die Innenstadt fürchtet auch Swen Rubel, Geschäftsführer des Handelsverbands Nordbaden. Der geplante tegut-Markt sei hier auch nicht als Standort der Nahversorgung zu bewerten, so Rubel.
Auf einen möglichen "Frequenzabzug" aus der Altstadt durch die Ansiedlung eines (weiteren) Vollsortimenters außerhalb des zentralörtlichen Bereichs hatte IHK-Geschäftsführer Andreas Hildenbrand schon bei der Vorstellung des Vorhabens im März 2020 hingewiesen. Er fürchtet nach wie vor eine Umsatzumlenkung, ist in Sorge um die "Perle" Altstadt. Er wünscht sich eine weitere Einbindung der Gewerbetreibenden, der Handelnden vor Ort in die Entwicklungen, wie etwa beim "Quartier an der Bachmühle" erfolgt. "Dieser Prozess der steten Diskussion, des Ausfeilens – den hat es bislang nicht gegeben."
Nicht mehr geben wird es demnächst auch den Rewe-Markt Arnold im Quartier. Der selbstständige Kaufmann hat für sich bereits Konsequenzen gezogen: "Ich bekomme einen Vollsortimenter direkt vor die Nase gesetzt, die Innenstadt wird geschwächt, Kommunikation mit den Betroffenen findet nicht statt. Ich bin einfach enttäuscht", erklärt Peter Arnold, der seinerzeit im Wissen um die nahende Schließung der Kaufland-Filiale in Mosbach eröffnet habe. Für ihn ist sicher: Ein tegut-Markt am geplanten Standort kostet Umsatz, seine kaufmännische Rechnung geht dann nicht mehr auf. Ab März wird Arnold einen Markt im Rhein-Neckar-Kreis übernehmen. Das Geschäft im Herzen von Mosbach führt Rewe in Konzernregie weiter. Mit welcher Ausrichtung, ist offen. Rewe-Manager Dirk Schlund schließt Abstriche beim Angebot aber nicht aus.
Der Abschied des Kaufmanns Arnold ist für Peter Stadler ein Alarmsignal: "Der Erfolg der Mosbacher Innenstadt hängt von hochkarätigen Kaufleuten ab, von Identifikation und der engen Bindung zu den Kunden." Dass eben jene diese besondere Beteiligung für Mosbach nicht mehr bringen können oder bringen wollen – "das ist die große Gefahr", so Stadler, dem der Vorsitzende von Mosbach Aktiv, Holger Schwing, hier beipflichtet.
"Es wäre sicher sinnvoll, den Blick noch einmal zu schärfen und eine kritische Überprüfung des Vorhabens vorzunehmen", findet IHK-Mann Andreas Hildenbrand. Der Weg der Entwicklung sei schließlich noch nicht final beschritten, ein kritisch-konstruktiver Zwischenhalt also durchaus noch möglich.