Die Einzelhändler in Mosbach wollen auch nach dem Lockdown noch für ihre Kunden da sein. Dafür bräuchten sie aber entweder großzügigere Hilfen oder die Möglichkeiten, ihre Ware an den Mann und die Frau zu bringen – so die Statements, die man mit der Aktion „Wir machen auf_merksam“ transportieren wollte. Foto: Stephanie Kern
Von Stephanie Kern
Mosbach. "Wir machen auf (merksam)" – dieser Satz prangt seit Montagvormittag Schwarz auf Gelb in vielen Schaufenstern der Mosbacher Innenstadt. Wir, das sind die Einzelhändler in den Städten, und aufmerksam machen sie auf die Situation, in die sie durch den erneuten Lockdown gebracht werden. Anders als für die Gastronomen, die zumindest für den November und Dezember großzügige Staatshilfen erhalten, bekommen die Einzelhändler nur einen Fixkostenzuschuss. Wenn sie weniger Einnahmen als Fixkosten haben, wird das Defizit ausgeglichen. Damit kommen sie zwar rechnerisch auf eine schwarze Null, diese Hilfen spiegeln aber nicht wieder, wie vor allem die Modebranche funktioniert.
Mode hat ein kurzes Verfallsdatum. Aber: Die Mode, die in den Geschäften hängt, ist bares Geld wert. Denn die Textil- und Schuhhändler müssen in Vorleistung gehen. "Wir leben davon, dass wir das, was bei uns im Laden hängt, verkaufen. Wenn wir das nicht dürfen, können wir es nicht", sagt Holger Schwing. Der Mosbach-Aktiv-Vorsitzende nimmt (wie beispielsweise auch Christine Bieler von "Benetton") an der bundesweiten Aktion "Wir machen auf_merksam" teil. Zwei Drittel seines Sortiments unterliege der Schnelllebigkeit der Gesellschaft, die habe bisher immer schneller neue Modetrends gefordert. Im kommenden Winter werde keiner die "ollen Kamellen" aus dem letzten mehr kaufen.
"Wir brauchen Ihre Unterstützung", appelliert Schwing deshalb an die Kunden. Der Handel wolle auch in Zukunft noch da sein. "Wir fordern eine zeitnahe Wiedereröffnung des derzeit geschlossenen stationären Einzelhandels oder angemessene Entschädigungen für unseren gesellschaftlichen Beitrag zur Bekämpfung der Pandemie", so Schwing.
Auf der Homepage der Aktion informieren die Initiatoren über den Hintergrund: "65 Prozent des stationären Einzelhandels sind durch die Pandemie-Maßnahmen unmittelbar betroffen. Viele Händler, insbesondere in der Modebranche handeln mit verderblicher Ware. Wenn die für die laufende Saison eingekaufte Ware nicht verkauft wird, so muss sie nahezu komplett abgeschrieben werden. Es geht eben nicht nur darum, einen Teil der Fixkosten zu erstatten. Der viel größere Verlust ist der Warenbestand, der Tag für Tag ein größeres Loch in unsere Reserven reißt." Und die seien nach dem Lockdown im vergangenen Frühjahr ohnehin nicht mehr allzu üppig vorhanden.
Die Bitten und Forderungen in Richtung Politik würden regelmäßig "verpuffen", so beschreibt es zumindest Holger Schwing. Handelsverbände könnten trotz größter Bemühungen keine wirklichen Verbesserungen erreichen. "Wir werden von der Politik ignoriert. Die Nöte des deutschen Einzelhandels werden schlicht übergangen. Hilfsprogramme werden mit großen Worten angekündigt. In der Wirklichkeit haben sie unglaublichen Zugangshürden. Tatsächlich sind es bürokratische Monster, bei denen selbst die Experten keine verbindliche Aussage machen können", erklärt Schwing.
Man erlebe einen Lockdown, der willkürlich sei, "weil keiner weiß, ob das Bekleidungsgeschäft, der Schuhladen, Schmuckhändler, der Buchhändler oder der Spielwarenhändler wirklich die Hotspots der Corona-Infektionen sind", so Schwing. Discounter und Supermärkte gelten danach als coronasicher – der innerstädtische kleine Einzelhandel aber nicht, selbst wenn er die gleichen Corona-Hygiene-Vorschriften einhält.
Zudem zeige der neue Lockdown wenig Wirkung: Die ersten Politiker haben schon angekündigt, dass der Lockdown am 31. Januar nicht beendet sein wird. "Mehr als die Hälfte der von der Schließung betroffenen Einzelhändler wird dies mit den bestehenden Hilfsprogrammen nicht überstehen können", betont Schwing. "Ich persönlich möchte zukünftig nicht nur noch bei Amazon und Co. einkaufen können, die mit ihren Steuervermeidungsstrategien keinerlei Beitrag für unseren Staat und unser Allgemeinwohl leisten", so Schwing abschließend noch.
Ein bisschen Aufmerksamkeit hat die Aktion schon erfahren: Fünf Polizeibeamte waren am Montag in der Mosbacher Innenstadt unterwegs, um zu Beginn der Aktion und der Möglichkeit, bestellte Waren abzuholen, zu überprüfen, ob sich die Einzelhändler an die Auflagen halten. "Es gab aber keine Verstöße", vermeldete ein Sprecher des Polizeipräsidiums Heilbronn. Die Beamten waren Mitglieder der Bereitschaftspolizei, sie müssen langfristig im Voraus beantragt werden. Dass sie also zum Start der Aktion in Mosbach waren, war eher ein Zufall. Am Nachmittag waren die Beamten dann übrigens am Katzenbuckel unterwegs.