In der Coronakrise sind gerade die kleinen Unternehmer in den Innenstädten besonders hart betroffen, denn sie haben quasi über Nacht keine Einnahmen mehr. Dr. Andreas Hildenbrand appelliert an die Verbraucher, den örtlichen Einzelhändlern und Gastronomen die Treue zu halten. Archiv-Foto: Rechner
Von Alexander Rechner
Mosbach. Pandemie, Kurzarbeit, staatliche Soforthilfen von Land und Bund: Dr. Andreas Hildenbrand, Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Rhein-Neckar am Standort Mosbach, erläutert im Gespräch mit der RNZ die aktuelle Lage bei den regionalen Unternehmern. Er berichtet, wie stark die Einzelhändler und Gastronomen betroffen sind und was die Gewerbetreibenden unbedingt wissen sollten.
Die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus haben historische Dimensionen angenommen. Auch Deutschland hat das öffentliche Leben komplett heruntergefahren. Wie erleben Sie diese Krise ganz persönlich?
Andreas Hildenbrand. Archiv-Foto: RechnerIch erlebe diese Krise als eine stürmische Zeit. Seitdem die Landesregierung das Soforthilfeprogramm für Kleinunternehmer aufgelegt hat, sind bei uns in der IHK Rhein-Neckar rund 23.000 Anträge auf finanzielle Unterstützung eingegangen. Davon haben wir sage und schreibe 22.000 auch schon bearbeitet. Wir haben in dieser Zeit jeden Tag gearbeitet, auch samstags und sonntags, um unseren kleinen Unternehmen zu helfen. Denn so wie das Gesundheitsamt auf die Gesundheit der Menschen achtet, achtet die IHK auf die Gesundheit der Unternehmen. Denn viele von diesen stehen unter einem enormen Druck, wenn ich mir nur mal die Gastronomen und die Gewerbetreibenden im Einzelhandel anschaue.
Anhand Ihrer Erfahrung aus vergangenen Krisen: Wie ordnen Sie die aktuelle Situation für die hiesigen Unternehmen und die Einzelhändler ein?
Es ist schon eine einzigartige Krise in Deutschland und in der Welt. Denn gerade die kleinen Unternehmen in den Innenstädten wie zum Beispiel in Mosbach oder in Buchen haben von dem einen zum anderen Tag keine Einnahmen mehr. Das öffentliche Leben ist völlig zum Erliegen gekommen, und so etwas gab es bisher noch nicht.
Wie wird sich aus Ihrer Sicht der Arbeitsmarkt im Kreis entwickeln?
Im Moment ist es schwer, eine Prognose zu treffen. Vieles wird auch davon abhängig sein, wie man die Wirtschaft in Deutschland wieder anfährt. Von der Industrie aus der Region höre ich, dass sich die Auftragslage signifikant verschlechtert hat. Daher stellt sich die Frage: Wird die Wirtschaft nach der Corona-Krise wieder das Niveau von vor der Pandemie erreichen? Denn dies wird der entscheidende Effekt für den Arbeitsmarkt sein.
Wie beurteilen Sie denn die finanzielle Soforthilfe des Landes Baden-Württemberg?
Für Kleinunternehmen wie den Einzelhandel, die Gastronomie oder das Handwerk ist es seit Sonntag, 29. März, ein sehr leistungsstarkes und sehr gutes Programm. Dieses wird den Unternehmern helfen, Liquiditätsengpässe zu kompensieren. Warum sage ich aber seit Sonntag? Nun, weil an diesem Tag die Landesregierung richtigerweise das Programm nachjustiert hat. Vorher sahen wir als IHK es als problematisch an, dass das Privatvermögen bei der Beurteilung der Anträge miteinbezogen wurde. Denn das hatte bedeutet, der Unternehmer, der in der Vergangenheit gut gewirtschaftet hat und sich deshalb ein Vermögen aufbaute, wurde schlechter gestellt als einer, der eben nicht so gut gewirtschaftet hatte. Das empfanden viele Unternehmer als nicht gerecht. Das Land hat dies aber sehr schnell erkannt und entsprechend schnell gehandelt.
Heute ist es eine einfache Rechnung: Betriebseinnahmen minus Betriebsausgaben gegebenenfalls minus 1180 Euro bei Soloselbstständigen und Personengesellschaften für den eignen Lebensunterhalt ist gleich Liquiditätsengpass.
Sind die staatlichen Programme ausreichend, um Arbeitsplätze im Neckar-Odenwald-Kreis zu sichern?
Das Soforthilfeprogramm des Landes hilft gerade den Kleinunternehmen sehr stark in den kommenden drei Monaten. Richtig ist aber auch, die mittleren und größeren Unternehmen benötigen andere Programme. Die Soforthilfe ist bei denen nur der besagte Tropfen auf dem heißen Stein. Bei diesen mittleren Unternehmen ist das Instrumentarium Kurzarbeitergeld ein probates Mittel, die Fixkosten zu reduzieren. Und darauf kommt es nun an. Wichtig ist in dieser Phase, die Liquidität im Unternehmen möglichst lange zu erhalten.
Mit welchen Folgen rechnen die Gewerbetreibenden und Unternehmer derzeit?
Rund 80 Prozent der Unternehmer erwarten, dass sie dieses Jahr mit einem deutlichen Umsatzminus abschließen. Dies gründet sich auf dem Rückgang der Nachfrage nach Waren und Dienstleitungen.
Geschäfte in den Innenstädten sind geschlossen. Wie kann dem betroffenen Einzelhandel in Mosbach ganz konkret geholfen werden?
Viele Unternehmer agieren derzeit sehr kreativ. Sie entwickeln zum Teil ihr Online-Standbein weiter. Oder nehmen Sie die Gastronomen, viele bieten einen Abholservice an. Aber vieles hängt auch von uns Verbrauchern ab. Wir müssen in dieser Krise unserem Einzelhändler und Gastronom die Treue halten. Bevor wir heute etwas kaufen, sollten wir uns alle informieren, ob unser Einzelhändler um die Ecke diese Ware auch anbietet. Oder vielleicht können wir auch warten, bis die Krise vorbei ist und dann dort wieder einkaufen oder essen gehen. Denn wir dürfen nicht vergessen: Die Innenstädte werden auch von einem kräftigen Einzelhandel und einer starken Gastronomie belebt. Es hängt also auch von uns allen ab.
Welchen Ratschlag haben Sie an Gewerbetreibende in dieser Krise?
Die Liquidität sollte nun möglichst lange im Unternehmen erhalten bleiben. Die Gewerbetreibenden sollten daher schnellstmöglich schauen: Zum einen sollten sie mit der Hausbank über Stundungen von Tilgungen oder auch mit der Finanzbehörde über Stundungen von Steuerzahlungen sprechen. Zum anderen sollten staatliche Soforthilfen rasch beantragt werden. Kurzarbeitergeld sollte geprüft werden. Entscheidend ist nun, liquide zu bleiben.