Auch wenn eine baldige Öffnung nicht in Sicht ist: Christos Stamoulis spritzt im Frühling immer das Pflaster vor seiner „Taverna Mythos“ ab, bevor er die Terrasse herrichtet. Das schaffe wenigstens ein bisschen Hoffnung, sagt er. Foto: Heiko Schattauer
Caspar Oesterreich
Mosbach/Buchen.Jedes Jahr, wenn die Tage wieder länger werden, das Grau am Himmel einem satten Blau Platz macht und der Frühling das Thermometer aus dem Winterschlaf befreit, greift Christos Stamoulis zum Gartenschlauch. "Das ist für mich längst zur Tradition geworden", erzählt der Gastwirt. Der Dreck vom Winter muss weg, das Pflaster schön aussehen, bevor er die Terrasse vor dem Lokal herrichtet. "Das schafft immerhin ein bisschen Hoffnung", sagt er. Seine Stimme aber klingt resigniert.
Die Probleme, die dem Inhaber der Taverna Mythos schlaflose Nächte bereiten, lassen sich nicht einfach wegspülen wie die Streusalz-Reste auf dem Mosbacher Marktplatz. Von der beantragten Überbrückungshilfe sei noch nichts auf seinem Konto angekommen. Und sollte es "irgendwann" eine Rückkehr zur Normalität geben, "steht es in den Sternen, ob ich dann noch Mitarbeiter habe", berichtet der Gastronom. Die seien zwar noch bei ihm angestellt, aber seit Monaten in Kurzarbeit. Stamoulis würde es ihnen nicht verübeln, wenn sie sich bald nach einem neuen Job umsehen.
"Eigentlich lohnt es sich nicht mehr, überhaupt den Herd anzumachen", erzählt der Restaurantbetreiber. Während des ersten Lockdowns vor rund zwölf Monaten sei das noch ganz anders gewesen. "Da haben die Leute wirklich viel bestellt. Aber jetzt ... Jetzt geht es echt ans Eingemachte", zeichnet Stamoulis ein düsteres Bild. Nicht nur bei ihm ist der Umsatz nach Weihnachten noch einmal deutlich zurückgegangen. Seine Sorgen stehen beispielhaft für die Probleme der gesamten Brache.
"Man merkt, dass die Leute langsam des Abholens müde werden", berichtet auch Thomas Ubl, Inhaber des Indischen Haus. "Der Umsatz fehlt an allen Ecken und Enden." Es sei ein sehr durchwachsenes Geschäft geworden, bedauert er. "Eigentlich will ich gar nicht mehr über dieses Thema reden", erklärt Tanja Littig, Geschäftsführerin im Amtsstüble betrübt. Seit dem 10. Januar bietet sie kein Essen zum Abholen mehr an. "Das ließ sich einfach zu schwer kalkulieren." Auch der Leerstand im Hotel bereitet ihr mehr und mehr Kopfzerbrechen. Nur ein Bruchteil ihrer Zimmer sei mit Geschäftsreisenden belegt. "Es ist alles sehr mühsam geworden – selbst das Warten und Hoffen, dass wir wieder normal öffnen dürfen", sagt sie.
Wie auch Stamoulis hätte sich Ubl mehr Unterstützung von der Stadt gewünscht. Die genehmigten verlängerten Öffnungszeiten sowie der Gebührenverzicht für die Außenflächen würde erst mit einer Wiedereröffnung Wirkung zeigen. "Mosbach ist nicht groß, die Zahl der Gastronomen ist überschaubar. Aber der Oberbürgermeister kam nicht ein Mal vorbei, um mit uns zu sprechen", kritisiert Ubl. "Wir haben viele Ideen, wollen die Luca-App und endlich eine Perspektive, mit der wir planen können", sagt Stamoulis. "aber niemand spricht mit uns!" Für Ubl ist es "völlig unverständlich", mit einem ausgefeilten Konzept wenigstens die Außengastronomie nicht wieder öffnen zu dürfen.
Dass die Corona-Verordnungen nicht auf städtischer Ebene entschieden werden und die Möglichkeiten der Mosbacher Verwaltung begrenzt sind, ist den beiden klar. Vielmehr ist es ein offnes Ohr, das sie sich gewünscht hätten. "Jemanden, mit dem wir über unsere Sorgen reden können, gemeinsame Strategien entwickeln, um das Geschäft über Wasser zu halten", sagt Stamoulis. "Stattdessen kocht jeder sein eigenes Süppchen."
Das neue, von der Stadt initiierte Pfandsystem "recircle" habe jedenfalls keinen Aufschwung gebracht. Mit dem Abschluss der Testphase Ende April will Stamoulis die Behälter wieder abgeben. "Die Idee war ja gut, aber zehn Euro Pfand sind einfach zu hoch und schrecken die Leute ab", begründet er seine Entscheidung. Ubl dagegen will das System beibehalten. "Bei mir wird es den Umständen entsprechend relativ gut angenommen." Die Müllvermeidung sei ihm die Mühe weiter wert, auch wenn sich der Einsatz der Mehrwegboxen finanziell nicht für ihn auszahle.
Um den Gastronomen im Neckar-Odenwald-Kreis wenigstens ein "kleine Unterstützung" zu ermöglichen, hat das Landratsamt die Frist für den Ablauf von Gaststättenerlaubnissen verlängert. Bisher erlosch diese ohne triftige Begründung und Antrag der Wirte automatisch, sofern eine Gaststätte ein Jahr lang geschlossen war. Nun ist das erst ab dem 31. März 2022 der Fall. In Mosbach spielt diese Entscheidung kaum eine Rolle.
Mit sechs Monaten hat die Studentenkneipe Tante Gerda am längsten zu – bis zum (ursprünglichen) Ablauf der Konzession hätte es noch gedauert. "Ich hoffe, dass wir bis zum Winter wieder optimistischer sein können", sagt Inhaber Till Scheithauer. Außer ein bisschen weniger Bürokratie bringe die Fristverlängerung nichts: "Mehr als das Ausräumen eines Stolpersteins ist das nicht".
Auch für Matthias Köhler ist die neue Regelung "nur ein Tropfen auf den heißen Stein". Finanziell hilft sie dem Buchener Halli-Galli-Betreiber nicht. "Die Genehmigung der November- und Dezemberhilfe kam gestern. Die Überbrückungshilfen fehlen aber noch", berichtet er. Seit einem Jahr ist die Disco geschlossen. "Es wird von einer Hilfe zur nächsten diskutiert, anstatt das Geld erst einmal zu überweisen. Wir sollen die Lüftung verbessern, aber welche Firma arbeitet für uns, wenn nicht sicher ist, ob wir die Rechnung überhaupt bezahlen können", verdeutlicht er die Situation.
So schlimm die Lage für die Wirte aussehen mag: Ans Aufhören denken Tanja Littig, Thomas Ubl, Christos Stamoulis, Till Scheithauer und Matthias Köhler nicht. "Wir kämpfen, so lange es nur geht!"