Mosbach

Birgit Sommers Kunst ist ihre ganz eigene Sprache

"Du musst deinen Weg selbst sehen" - Die Mosbacher Künstlerin Birgit Sommer lässt sich gerne von Literatur inspirieren

01.11.2019 UPDATE: 02.11.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 16 Sekunden

Das eigene Erleben, aber auch Anregungen aus der Musik und Literatur verarbeitet Birgit Sommer in ihrem Mosbacher Atelier zu Kunstwerken, die weit über die Kreisgrenzen hinaus zu sehen sind. Foto: Peter Lahr

Von Peter Lahr

Mosbach. Seit Giorgio Vasaris "Lebensläufe der berühmten Maler, Bildhauer und Architekten" war die Kunstgeschichte vor allem eine männliche Angelegenheit. Akademien nahmen bis ins frühe 20. Jahrhundert nur männliche Studenten auf. Sogar heute muss man einen Moment nachdenken, bis einem eine richtig berühmte Künstlerin einfällt. Klar, es gibt seit der Renaissance Einzelkämpferinnen wie Artemisia Gentileschi, die ihr "Handwerk" in der väterlichen Werkstatt erlernte. Auch Frida Kahlo, Paula Modersohn-Becker oder Camille Claudel sind mittlerweile - zumindest durch Filme - einem breiten Publikum bekannt. Höchste Zeit also für einen Atelier-Besuch bei der Mosbacher Künstlerin Birgit Sommer.

"Es stand für mich schon früh fest, dass ich etwas mit Kunst mache. Aber meine Lebensgeschichte hat es nicht gewollt." Geduld und Beharrungsvermögen bilden die Voraussetzungen für Birgit Sommers Kunstschaffen - was sie sicher mit vielen anderen Künstlerinnen verbindet. Erst die elterliche Firma, dann die Familie mit den Kindern wollten versorgt werden. Doch immer fand sie Zeit, erkämpfte sich Freiräume- etwa frühmorgens. Dass das eigene Kunstschaffen eine fundamentale Lebensbedeutung hat, zeigt Sommers Selbsteinschätzung: "Die Kunst ist meine Sprache, meine innere Stimme; aus meinem Empfinden; aus meinen Gedanken; nahe meiner Seele. Wer das Schwingen meines ‚Ichs’ hört, kann die leisen Worte verstehen."

Weshalb sie sich auch anfangs überwinden musste, überhaupt auszustellen. Damit gebe sie ja einen Blick auf ihr Innerstes preis. Künstler/innen als Vorbilder hatte sie nie. "Anfangs war ich nur neugierig." Doch eine Ausstellung von Maria Lassnig 1982 im Kunstverein Hannover, die hat sie nicht mehr losgelassen: "Sie malt die Wahrheit dahinter", findet Birgit Sommer.

Ihr eigenes Kunstschaffen habe die Österreicherin allerdings nicht geprägt. Dieses begann "ganz klassisch" mit Ölmalerei. "Da bin ich aber nicht stehen geblieben. Später ging es ins Abstrakte." Arbeiten auf und mit Papier folgten. Bis heute besucht Birgit Sommer regelmäßig die Europäische Kunstakademie Trier. Derzeit zähle sie zu den Stammgästen der Druckwerkstatt; die Radierung ist das Mittel ihrer Wahl. Der Holzschnitt lockt. Inspiration zu Motiven findet Birgit Sommer in der Literatur und in der Musik. Zu Gedichten von Rilke hat sie eine Serie mit 46 Gemälden kreiert - und sie dann wieder in ein eigenes Buchprojekt überführt. Derzeit arbeite sie an Kafkas "Verwandlung". "Die Kränkungen des Gregor Samsa kann man nur in Metall ritzen", fand sie dabei heraus.

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Die Nähe zur Literatur ist kein Zufall: 29 Jahre leitete Birgit Sommer die Bücherei von St. Cäcilia. Und auch in der Kunst hat sie sich nachhaltig vernetzt und vielfältig engagiert. Etwa im Kunstverein Neckar-Odenwald, bei dem sie Jahrzehnte als stellvertretende Vorsitzende mitwirkte. Mittlerweile bringt sie sich stärker bei der Gedok in Heidelberg ein. Bei der "Gemeinschaft der Künstlerinnen und Kunstfreunde" werde Eigeninitiative groß geschrieben. Vom Hängen über das Plakat-Design bis zur Aufsicht während der Ausstellung. Allerdings sei auch der Zusammenhalt unter den Künstlerinnen riesig. "Man merkt, dass das eine Frauengemeinschaft ist, da hilft jede jeder aus." Nur so habe man etwa das große Programm zum 90. Gedok-Jubiläum stemmen können.

Dass Kunst in Birgit Sommers Alltag präsent ist, belegt nicht nur die riesige Sammlung von vollgezeichneten Skizzenbüchern - "Ich gehe nie ohne in eine neue Stadt." Wenn sie einen Text liest, der ihr nahe geht, entstünden sofort innere Bilder dazu. Skizzen erleichtern das spätere Arbeiten, etwa an den Druckstöcken in Trier. Das eigene Erleben, davon ist Birgit Sommer überzeugt, präge nicht nur den Menschen, es fließe auch in dessen Kunst ein. "Du musst einen Weg selbst sehen und wissen, wann du angekommen bist", beschreibt Birgit Sommer den stets neuen Drahtseilakt des bildenden Künstlers - unabhängig vom Geschlecht.

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