Der Bürgermarkt Neunkirchen war eine der Stationen, die der SPD-Landesvorsitzende Andreas Stoch gemeinsam mit der Landtagskandidatin Dr. Dorothee Schlegel und seinem Noch-Parlamentskollegen Georg Nelius besuchte. Foto: Ursula Brinkmann
Von Ursula Brinkmann
Mosbach/Neunkirchen. Allmählich nimmt der Wahlkampf im Land Fahrt auf, und so fuhr SPD-Landeschef Andreas Stoch in den Neckar-Odenwald-Kreis. Hier zeigt die SPD-Kreisvorsitzende Dr. Dorothee Schlegel als Kandidatin für den Stuttgarter Landtag und damit als potenzielle Nachfolgerin von Georg Nelius Gesicht, seit Kurzem auch auf Plakaten.
Drei Stationen hatten die Gastgeber auf der Tour arrangiert. In Diedesheim ging’s zum Auftakt ins Büro des Sportkreises Mosbach, dessen Vorsitzende Schlegel seit zehn Jahren ist. Zusammen mit drei Kämpfern für den Vereinssport schilderte sie dem einstigen Kultus- und damit Sportminister die Situation der Sportvereine in der Coronapandemie. Klaus Schüler, Mitglied im Sportkreisvorstand und seit 40 Jahren im Vereinssport engagiert, weiß, dass die "Vereine ums Überleben kämpfen. Die Kosten sind da und die Einnahmen weg." Zuschüsse zu beantragen, sei kompliziert, und man geniere sich.
"Scham sollte kein Grund sein", warb Stoch dafür, in die Fördertöpfe zu greifen. "Das Geld ist da, und ihr habt einen Anspruch darauf." Von den bürokratischen Hürden, die Schlegel benannte, sollten sich die Vereinsverantwortlichen nicht abhalten lassen. Doch auch ohne Corona hatten und haben Sportvereine ein Problem: schrumpfende Mitgliederzahlen und mangelnder Nachwuchs. "Kleine Vereine fusionieren", berichtete Schüler und traf damit Überlegungen, die auch Stoch bewegen. "Strukturen zusammenzufassen, das werden wir als Gesellschaft akzeptieren müssen." Damit aber von unten, von den Jüngeren etwas nach- und durchwachsen könne, möchte der Mannschaftssportler Stoch an "Entwicklungsperspektiven für engere Verbindungen zwischen Vereinen und Schulen politisch mitgestalten". Davon könnten seiner Ansicht nach beide Seiten, ja, die Gesellschaft als Ganzes profitieren.
Bei der Baugenossenschaft Familienheim empfing Jens Neser als geschäftsführender Vorstand die Genossen. Dorothee Schlegel erklärte, warum man komme: "Bezahlbarer Wohnraum ist ein zentrales Thema für uns." Baugenossenschaften hätten in dem Zusammenhang einen hohen Stellenwert. Auf die Dividende von drei Prozent im Jahr 2019 verweisend, machte Neser unmissverständlich klar, was das Kennzeichen dieser Unternehmensform ist: "Wir bieten bezahlbaren Wohnraum und nicht Anlagemöglichkeiten." Aktuell hat die Baugenossenschaft mehr als 1000 Wohnungen, die durchschnittliche Miete pro Quadratmeter liegt etwas über fünf Euro. Womit Neser ein Anliegen zur Sprache brachte: Vergleichsmieten, schon um die Wohnraumförderung des Landes nutzen zu können. Einen Mietpreisspiegel aber gibt es nicht. Zur Finanzierung eines Neubauprojekts mit 44 Wohneinheiten in Haßmersheim hat man sich daher mit der katholischen Kirche zusammengetan.
Auch der ländliche Raum brauche dringend Wohnungen, auch das Familienheim müsse Mieten erhöhen, auch hier gebe es Wartezeiten. Dem gegenüber steht die Reinvestition in Instandhaltung und Modernisierung (60 Prozent der Mieteinnahmen), niedrige Fluktuations- und Leerstandsquote. Umwelt- und Klimaschutz beim Wohnungsbau mitzudenken, warfen Schlegel und Stoch ein.
Das fiel bei dem Geschäftsführer auf fruchtbaren Boden. Er sei überzeugt, meinte Neser, wenn alle wirtschaftlichen Bereiche so viel wie die Wohnungswirtschaft für das Thema täten, wäre man schon viel weiter. Die größte Herausforderung der Baugenossenschaften sei der Grunderwerb. Wenn es da aus Stuttgart Unterstützung gäbe, etwa in Form einer Landesgesellschaft, die Grundstücke kaufe …, wandte sich der Genossenschaftsvorstand an Stoch. Der wiederum kann sich vorstellen, mit einer Landeswohn- oder kommunalen Wohnungsbaugesellschaften "neue Strukturen" für bezahlbares Wohnen zu schaffen. Die allerdings lösen bei Neser "keine Begeisterungsstürme" aus, weil man ein funktionierendes Genossenschaftswesen habe.
Der Genossenschaftsgedanke – gemeinsam statt allein Ziele zu erreichen – hat in Neunkirchen die Gestalt des Bürgermarktes angenommen, zu dem sich die Gruppe als Nächstes begab. Bürgermeister Bernhard Knörzer und sein Vorgänger Wolfgang Schirk stellten das vor knapp neun Jahren gegründete Projekt vor. "Das ist ein Argument für den Ort!" würdigte Andreas Stoch bürgerschaftliches und kommunales Engagement. "Von so einem Sinn für die Gemeinschaft brauchen wir mehr."
Bald war das Gespräch bei den Versorgungsstrukturen des ländlichen Raums angelangt, und Altbürgermeister Schirk hielt ein Plädoyer, das über die Mauern eines Bürgermarktes hinausreichte. "Mit kleinen Dingen erhalten wir die Lebensqualität, dazu brauchen wir die Politik." Klein sind oftmals die Verwaltungen, doch "was wir mit wenigen Menschen in den Rathäusern umsetzen, spricht für sich", ergänzte Knörzer, um im nächsten Atemzug Dorothee Schlegel bei einem möglichen Einzug ins Landesparlament mitzugeben, dass eine Verwaltungsreform dabei nicht auf der Agenda stehen brauche. "Wir stehen als SPD für den ländlichen Raum und seine Infrastruktur", empfahl sich die so Angesprochene. Für Andreas Stoch ist das aktuell "kein Thema".