Von Stephanie Kern
Haßmersheim-Hochhausen. Es ist ein Satz aus Goethes Faust, der Dieter von Helmstatt schon als 16-Jährigen nachhaltig beeindruckte. Dieser Satz wirkt im Leben von Dieter und Monique von Helmstatt bis heute nach: "Was du ererbt von deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen." Die von Helmstatts besitzen das Schloss Hochhausen. Für die RNZ öffneten sie die Türen ihres Schlosses.
Dieter von Helmstatt wurde schon auf dem Schloss geboren. "In diesem Zimmer", sagt er. Heute frühstücken dort die Hausgäste. Seit fast 40 Jahren teilt er sein Leben mit seiner Frau Monique. "Wir sind beide um die 70 Jahre alt und fühlen uns pudelwohl", sagen sie. "Vielleicht ist das einer der Glücksfaktoren, wenn man in einem Schloss mit viel Platz lebt: Es gibt immer etwas zu tun in Haus und Garten. Man bleibt fit", sagt Monique von Helmstatt. Das Gartengrundstück ist zwei Hektar groß, das Haus kommt etwa auf 900 Quadratmeter. "Das nutzen wir aber nicht alleine", sagt Dieter von Helmstatt. Denn schon seine Eltern betrieben das Schloss als Gästehaus, er und seine Frau führen es weiter. Und auch die vierköpfige Familie des Adoptivsohns lebt mit im Schloss. "Wir sind ein Mehrgenerationenhaushalt", sagt Monique von Helmstatt. Sie stammt aus Brüssel, ist ein Stadtkind, lebte immer in Stadtwohnungen. Ihr erster Eindruck vom Hochhäuser Schloss war nicht gerade positiv: "Ich fragte mich, wie man in so großen Räumen leben kann", erinnert sie sich.
Die Schlossherren selbst sprechen übrigens nie vom "Schloss". "Für uns ist es einfach ,das Haus’", sagt Dieter von Helmstatt. "Ich würde mich auch nie als Schlossherr bezeichnen. Ich bin dankbar, dass es uns übertragen wurde." Dieter von Helmstatt wuchs in dem Schloss, das inzwischen mitten in Hochhausen steht, gemeinsam mit zwei Geschwistern auf. "Das war natürlich paradiesisch." Außerdem lebten die Großmutter und Großtanten im Haus. "Wir waren eine richtige Großfamilie", erzählt von Helmstatt. "Was aber unheimlich wichtig war: Durch den Gästebetrieb haben wir Kinder tolle und nette Menschen kennengelernt." Etwas, das bis heute noch so ist.
Acht Zimmer mit 17 Betten bieten die von Helmstatts noch an. Damals wie heute kommen Menschen ins Haus, "die uns bereichern". Die Menschen waren es auch, die der Belgierin Monique das Ankommen in Hochhausen erleichtert haben. "Ich sprach ja damals kein Deutsch, lernte es aber schnell. Ich habe hier so viele interessante Menschen kennengelernt – das hatte ich in Brüssel nicht gekannt." Das sei auch der Grund, warum sie weitermachen mit dem Gästebetrieb, wenn auch in kleinerem Rahmen als früher.
Die Eltern Dieter von Helmstatts haben aber nicht nur ein Gästehaus geführt, sondern das Haus auch immer in Schuss gehalten. "Sie haben aus dem, was sie hatten und verdient haben, das Beste gemacht, die Räume verschönert und die Infrastruktur modernisiert", berichtet Dieter von Helmstatt. Und seine Frau ergänzt: "Dein Vater hatte aber auch sehr viel Geschmack, gute Handwerker, und er hat sich nie mit Provisorien zufriedengegeben. Das haben deine Eltern sehr gut hingekriegt."
Für die anderen Kinder im Dorf war Dieter von Helmstatt anfangs das "Gräflein". Aber spätestens im Gymnasium machte niemand mehr einen Unterschied; seine adlige Herkunft spielte keine Rolle. Nach dem Gymnasium verließ von Helmstatt Hochhausen, studierte Mathematik in Heidelberg und Grenoble. "Besonders Grenoble war wichtig für mich. Ganz weg und weit weg von zu Hause zu sein, ohne jede Verbindung." Nur einmal im Trimester habe er seine Eltern angerufen. "Nach drei Jahren habe ich dann gemerkt, wie toll Hochhausen ist." Und er entschied, zurückzukommen und das Haus und den Betrieb zu übernehmen. 1974 war das.
"Was du ererbt von deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen." Da ist er wieder, der Goethe-Satz. "Es wäre schon schwer, ohne das Haus. Es ist ein Privileg, es zu besitzen, aber wir arbeiten auch dafür", sagt Dieter von Helmstatt. Zudem sei das Schloss ein Kulturdenkmal, das sich zu erhalten lohnt. "Wir haben das Glück, dass uns das Haus nie zur Last geworden ist."
Seit sie beruflich etwas kürzergetreten sind, bleibt dem Ehepaar mehr Zeit für Engagement im Dorf und darüber hinaus. Monique von Helmstatt hat die Partnerschaft mit der französischen Gemeinde Chartres-de-Bretagne schon vor vielen Jahren begründet und ist bis heute Vorsitzende des Partnerschaftskomitees. Für den "wichtigen Kulturort" Notburgakirche setzt sie sich im Förderverein ein und organisiert (auch dank zahlreicher Kontakte in der Musikszene) immer wieder Konzerte mit hochkarätigen Musikern.
Dieter von Helmstatt ist Kassier beim Brau- und Kulturverein Hochhausen. Ein Amt, in das er nach und nach reinrutschte – weil der Verein als Veranstaltungsstätte die Kapelle der von Helmstatts nutzt. Und er ist auch als Sänger im gemischten Chor aktiv. "Dadurch sind wir auch noch enger an Hochhausen herangewachsen."
Nicht unerwähnt bleiben sollte auch Dieter von Helmstatts Engagement für den Naturschutz, einerseits im Nabu, vor allem aber im Landesnaturschutzverband und im Landschaftserhaltungsverband. "Wir leben in einem wunderschönen Haus, das muss doch auch in eine gesunde und schöne Landschaft eingebettet sein", meint von Helmstatt.
Die Naturverbundenheit spürt man auch auf dem zwei Hektar großen Grundstück rund um das Schloss. Hier darf viel Wildnis sein, die Ruhe schafft. Im Bereich des "Koppelgartens" findet sich ein großer Gemüsegarten. "Seit wir weniger arbeiten, finde ich meinen Mann sicher dort", sagt Monique von Helmstatt.
Die Mutter von Dieter von Helmstatt legte einst den Gemüsegarten auf der ehemaligen Pferdekoppel an. Dort wird heute noch Gemüse angebaut. Foto: Stephanie KernDas Paar verbindet auch die Liebe zum Kochen. "Du bist zum Kochen geboren", sagt Monique von Helmstatt sogar in Richtung ihres Mannes. Jeden Abend kochen die beiden zusammen, gerne die Produkte aus dem eigenen Garten oder vom Bio-Bauer aus dem Nachbarort und Fleisch aus den eigenen Jagdgebieten. Früher hat Dieter von Helmstatt auch große Feiergesellschaften bekocht, heute sind die Hausgäste aber mit Frühstück zufrieden.
Gelernt hat Dieter von Helmstatt das Kochen von seiner Tante, die im Betrieb der Eltern für die Küche zuständig war. "Da mussten wir Kinder natürlich Hilfsdienste leisten." Bis zu ihrem Tod lebte die Tante im Haus in Hochhausen. "Sie wurde 102 Jahre alt", erzählt Monique von Helmstatt. "Und sie war immer fit."
"Was du ererbt von deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen." Der Satz zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben im Haus, das ein Schloss ist. Er bedeutet für die von Helmstatts auch, das zu schätzen, was man hat. "Wenn man das Glück hat, in so einem Haus zu leben, muss man etwas dafür tun", sagt Monique von Helmstatt. Den Satz sagen die beiden Schlossherren oft. Sie füllen ihn aber auch mit Leben.