„Wir sind da“ steht an der Eingangstür des Bekleidungsgeschäftes von Holger Schwing – bislang allerdings nur für Paketboten. Ab Montag dürfen Einzelhändler auch wieder die Abholung bestellter Waren anbieten. Foto: Stephanie Kern
Von Stephanie Kern
Mosbach. Eigentlich war es ein kleiner Kreis von Händlern, der auf seine Probleme durch den Dezember-Lockdown aufmerksam machen wollte. Unter dem Titel "Handel steht zusammen" haben inzwischen schon mehr als 5000 klein- und mittelständische Unternehmen sowie mehr als 12.000 private Unterstützer einen Aufruf unterschrieben, um die Situation des Handels aufzuzeigen. "Unsere Botschaft ist: Entweder wir müssen wieder öffnen dürfen – und wenn nicht, muss es entsprechende Entschädigungen geben", sagt Holger Schwing.
Der Frust ist groß
Der Inhaber zweier Modegeschäfte in Mosbach sowie Vorsitzende der Werbegemeinschaft Mosbach Aktiv hat im Gespräch mit seinem Steuerberater nämlich erfahren: Zuschüsse oder Hilfen aus Steuermitteln gibt es nur, wenn die Fixkosten den Umsatz übersteigen. "Beim ersten Blick auf die Homepage des Bundeswirtschaftsministeriums geht man ja davon aus, dass es Hilfen geben wird." Doch das EU-Recht verbietet es den Regierungen der Mitgliedsländer, Hilfen an Unternehmen auszuschütten, die mehr Umsatz gemacht als Fixkosten zu bezahlen haben.
"Das wird bei den meisten nicht so sein, da wir ja den halben Dezember öffnen durften", meint Schwing. "Wenn vollmundig Hilfen versprochen werden, kann man sich lange freuen. Aber wir müssen hilflos zuschauen, wie uns der Onlinehandel plattmacht", sagt Schwing. Der Einzelhändler will nicht falsch verstanden werden: Er steht hinter den Lockdown-Maßnahmen, schließlich geht es um die Rettung von Menschenleben. "Aber man kann und darf uns nicht auf der Strecke lassen." Sein Gefühl: "Wir werden hier gerade geopfert."
Wenn er dann Bilder aus total überfüllten Einkaufszentren oder von den vielen Menschen, die am Katzenbuckel rodeln wollten, sieht, frage er sich aber schon: "Für wen schließen wir, wenn die Menschen nicht mitmachen?" Auch darüber ist der Frust bei ihm persönlich "sehr groß". Deshalb stehe Schwing zu 100 Prozent hinter dem Brief, den er als einer von 5300 Unternehmern aus ganz Deutschland mitunterzeichnet hat. "Die privat geführten mittelständischen Handelsunternehmen kämpfen um ihr Überleben und sind äußerst besorgt aufgrund der aktuell angeordneten Ladenschließungen für den Einzelhandel. Ganz besonders schmerzhaft ist der Wegfall des Weihnachtsgeschäfts", steht in der Pressemitteilung des Bündnisses. "Zeitgleich sind die angebotenen Entschädigungen der Überbrückungshilfe III willkürlich, ungerecht und völlig unzureichend. Die Hilfen kompensieren nicht annähernd die Verluste im Schließungszeitraum und sind lediglich ein Ersatz für einen kleinen Teil der Betriebskosten."
Die Unterzeichner des Schreibens befürchten Insolvenzen vieler Betriebe und dadurch die Verödung der Innenstädte. Die Resonanz auf den Brief ist "Wahnsinn, dafür, dass es eine kleine Aktion bleiben sollte", wie Holger Schwing sagt. In wenigen Tagen gab es viele Reaktionen, viele Befürworter und Unterstützer. Im Altkreis Mosbach haben (bis jetzt) 18 Unternehmer unterschrieben. Übrigens sind das nicht nur Inhaber von Textilfachgeschäften, sondern auch andere.
Doch Schwing möchte sich nicht nur beschweren. Trotz des Lockdowns mitten im Weihnachtsgeschäft habe man "gut zu tun gehabt". In Kooperation mit anderen Geschäften der Innenstadt wurden Waren und Geschenke in der ganzen Region ausgefahren. "Es hat auch Spaß gemacht, mal zu den Kunden nach Hause zu kommen", meint Schwing. "Wir haben auch Umsatz gemacht, aber natürlich bei Weitem nicht so wie das sonst im Weihnachtsgeschäft ist."
Schwieriger werde es im Januar: Traditionell sind die ersten zwei Januarwochen sehr umsatzstark, danach ist eher weniger los. Die Saure-Gurken-Zeit hat für die Einzelhändler nun schon früher begonnen. "Wir machen durch den Lockdown nahezu keinen Umsatz mehr." Da helfen auch die Verkäufe über Online-Portale eher wenig.
Vorleistungen notwendig
"Und wenn es nun keine Hilfen gibt, sieht es für einige düster aus", meint Schwing. Auch er wird nun – das erste Mal in seinem Geschäftsleben – staatliche Hilfen beantragen. Ob und wie viel Geld das Modehaus Schwing dann bekommt, bleibt abzuwarten. Die Textilbranche gilt übrigens (schon immer) als eher liquiditätsschwach. Für die Waren, die in den Läden hängen, müssen die Einzelhändler finanziell in Vorleistung gehen. Ohne flüssige Mittel kann keine neue Ware gekauft (und später verkauft) werden. Nicht jeder verfüge über Erspartes oder unbegrenztes Vertrauen der Bank.
"Fakt ist, dass wir uns von der Politik verlassen fühlen." Mit den angekündigten Hilfen habe man geplant, zum Teil auch darauf aufbauend Entscheidungen getroffen. Darum fordern Schwing und mehr als 5000 andere Unternehmer in Deutschland nun eine Reaktion der Politik. "Da muss man sich was einfallen lassen", sagt Schwing. Sonst drohe nach den Infektionswellen eine Pleitewelle, die durch deutsche Innenstädte schwappt.