Mit einigen Mythen, die sich rund um das Thema Elektromobilität ranken, versuchte DHBW-Dozent Prof. Dr. Rainer Klein im Rahmen einer Vortragsveranstaltung im gut besuchten Audimax der Mosbacher Hochschule aufzuräumen. Foto: Ursula Brinkmann
Von Ursula Brinkmann
Mosbach. Zu wenig Strom, zu geringe Reichweite, zu teuer, zu lange Ladenzeiten, zu… - in den Debatten um Elektromobilität gibt es viele "Zus". Beim überaus gut besuchten Vortrag von DHBW-Dozent Prof. Dr. Rainer Klein wurde dieser Tage mit der Mythenbildung ums E-Fahrzeug gründlich aufgeräumt.
Zum Wesen des Mythos gehört, dass damit ein Anspruch erhoben wird auf die darin behauptete Wahrheit. Prof. Dr. Rainer Klein aber ist Wissenschaftler, geht den Dingen auf den Grund. Der Leiter des Studiengangs Mechatronik konnte weit mehr als 100 Zuhörer(innen) im Audimax der Dualen Hochschule Mosbach begrüßen und erkennen: "Der kleinere Teil sind Studierende." Womit das Anliegen des "Studium generale", wie dieses fakultäts- und fächerübergreifende Format heißt, perfekt erfüllt wurde.
Zwei Stockwerke tiefer befindet sich das E-Mobilität-Labor der Hochschule, doch aus dem Laborstatus ist diese Technik längst heraus. "Kann man ja kaufen", beschrieb Dr. Klein trocken die Lage, jenen Technologiewandel, dessen Dimensionen er mit der Erfindung der Dampfmaschine oder des Automobils selbst verglich.
Die größten Probleme sieht Klein jedoch weniger in den neuen Technologien selbst, sondern in den gesellschaftlichen Veränderungen, die mit dem Wandel verknüpft sind. Womit er beim Thema war. Entlang von zehn mythischen Behauptungen zeigte er auf, dass die mit dem Wandel einhergehenden Verteilungskämpfe emotional und zum Teil unsachlich debattiert werden. Nicht neu ist: "Das Neue wird oft verteufelt."
Die Befürchtung etwa - Mythos 1 -, dass mit steigendem Anteil an Elektrofahrzeugen der Strom-Gau drohe, entkräftete Klein, in dem er rechnete - und zwar mit dem "worst case", dem Fall also, dass alle Fahrzeuge in Deutschland mit Elektroantrieb liefen. Klein kam auf einen Mehrbedarf an elektrischer Energie von 23 Prozent (für das Jahr 2016 gerechnet) und stellte dem die Fakten der Stromerzeugung gegenüber, wobei er auch die Einbindung intelligenter Stromnetze (Smart-Grids, Autobatterien als Speicherplätze nutzen) darstellte und zum Fazit kam: "Es ist mehr als genug Strom da. Wir könnten sogar ein paar Kohlekraftwerke abschalten." Entscheidend sei dabei, wie der Strom erzeugt würde.
Nacheinander zerpflückte Dr. Klein die Mythen über elektrisch betriebene Fahrzeuge, ihre Ladestationen ("Es gibt in Deutschland derzeit rund 17.000 öffentlich zugängliche Ladepunkte, Tankstellen ‚nur‘ 14.459. "), ihre Reichweiten ("95 Prozent der Fahrzeuge in Deutschland werden weniger als 50 Kilometer pro Tag bewegt."), ihre Gefährlichkeit ("An andere Brände haben wir uns gewöhnt, aber jeder brennende Tesla steht auf Seite 1!"), ihren Preis ("Ja, ein E-Fahrzeug ist teuer, aber in der Vollkostenkalkulation vergleichbarer Modelle ist der Preis pro Kilometer etwa gleich."), die Unzuverlässigkeit der Batterien, die mit ihrem Bau verbundene Rohstoffproblematik, ihren CO2-Ausstoß. Letzterer etwa ist um die Hälfte geringer als bei einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor, ob Benziner oder Diesel, zeigte der Studiengangsleiter am Beispiel von Mittelklasse- wie Oberklasseautos auf: "Elektrisch betriebene Fahrzeuge sind sehr wohl klimafreundlicher als solche mit konventionellem Kraftstoff-Antrieb."
Am kuriosesten findet Rainer Klein das Argument, dass Elektrofahrzeuge zu leise seien. "Die anderen sind zu laut", trifft es seiner Meinung nach besser. Auch auf die aktuell "härtesten Fake News" ging er ein, die für die Batterien benötigten Rohstoffe, ihre Mengen und ihre Förderung (insbesondere Kobalt und Lithium). 27 Prozent der derzeitigen Lithium-Produktion werde für Batterien verwendet, aber es gebe ja nicht nur Batterien in E-Fahrzeugen. Noch höher ist - ebenfalls weltweit betrachtet - der Einsatz von Kobalt in Batterien, der sich auf 42 Prozent beläuft. "Aber auf die Elektromobilität umgerechnet sind es fünf Prozent." Ein heißes Eisen sei der Kobaltabbau in der Demokratischen Republik Kongo. "Hier wird Kobalt als Nebenprodukt des Kupfer- und Nickelabbaus abgebaut, größtenteils industriell", relativierte Prof. Dr. Klein Medienberichte, die überschrieben seien: "Hier sterben Menschen für unsere Akkus". Nicht dass hier Menschen unter schlimmsten Bedingungen nach Erzen schürften, ist Klein ein Dorn im Auge, sondern dass dies immer wieder in den Zusammenhang mit der Elektromobilität gebracht werde: "Dass da Kinder arbeiten, das ist verwerflich."
Kleins Beitrag zur Versachlichung der Diskussion hatte sehr interessierte und sachkundige Zuhörer. Das zeigten die Anmerkungen und Fragen nach der Präsentation im Audimax. Vielleicht hilft diese Versachlichung ja, einen Klein’schen Mythos zu beheben. "Auf die Politik können wir uns nicht verlassen", hatte dieser am Ende an das Engagement jedes Einzelnen appelliert. Jener Kommunalpolitiker aus Obereisesheim aber dürfte bekommen haben, was er sich von der Veranstaltung erhofft hatte: "Munition zum Argumentieren." Und Handeln…