Einige der Briefe an das Coronavirus. Foto: RNZ.
Von Heiko Schattauer
Mosbach. Vielleicht ist das ja ein ganz guter Ansatz für all jene, denen die unsäglich ausdauernde Pandemie inzwischen aufs Gemüt schlägt: Einfach mal einen Brief an das Coronavirus schreiben. Die Drittklässler der Grundschule in der Waldstadt haben das gemacht. Deutschlehrerin Marie Soult, zugleich Schulleiterin, hatte den Acht- bis Neunjährigen im Homeschooling zum Thema "Briefe" diesen krisenbedingten Auftrag gegeben. Die Post, die in der Folge bei der Lehrerin als Beschwerde-Sammelstelle einging, liest sich teils erfrischend, teils amüsant, vor allem aber auch ziemlich deutlich. Denn in einem sind sich die jungen Briefeschreiber einig: Das Coronavirus soll wieder verschwinden.
In ihrer Ansprache beweisen die Drittklässler zwar Höflichkeit und Haltung, ihre Botschaft ans Virus wird aber dann meist mit jeder Zeile klarer. "Liebes Coronavirus, ich will dich nicht ärgern", eröffnet da etwa Jonas in seinem Brief, "aber ich finde dich sooo doof!" Die Begründung wird prompt mitgeliefert – den nahenden Geburtstag ohne Freunde feiern zu müssen, ist in der Tat doof. "Wenn du weg bist, renne ich in die Schule", prophezeit der Autor dem Coronavirus noch, um dann zu schließen: "Wenn ich dir eine Note geben müsste, dann ist das eine 6!"
Viel besser fällt die Zensur bei den Mitschülern auch nicht aus, von Laura kriegt Corona eine 4-5. Aber auch nur, weil sie ihr Kaninchen trotz Pandemie und Einschränkungen holen konnte. Dass Corona verschwindet, wünscht sich die Drittklässlerin aber gleichwohl sehr, weil "wegen dir schon sehr viele Menschen gestorben sind". Dass alle Masken tragen müssen, sei blöd, noch schlimmer aber, dass die Schulen geschlossen sind.
"Kannst du nicht mal aufhören, krank zu machen?" fragt unterdessen Leonard das Coronavirus ganz direkt. Und stellt sogleich unmissverständlich klar: "Wenn du zu unserer Gesellschaft gehören möchtest, dann darfst du keinen mehr krank machen." Ja, so könnte man auch mit dem Virus ganz gut leben. Überhaupt hat der Drittklässler einen erfrischend klaren Ansatz, verdeutlicht dem Coronavirus: "Ich möchte dich mit meinem Brief nicht traurig machen. Aber du machst uns alle traurig!" Auch da ist was dran.
Klare Worte findet auch Emma: "Du hast meine Welt durcheinander gebracht", schreibt sie dem Virus und fragt: "Was denkst du dir eigentlich dabei?" Die Drittklässlerin macht keinen Hehl daraus, dass sie Corona "nicht leiden kann". Zugleich übermittelt sie Zuversicht und Kampfgeist: "Ich weiß, dass wir dich irgendwann zerstören werden", lässt Emma den Krankheitserreger wissen. Wenn das geschafft ist, dann freue sie sich auf ihre Freunde, ihre Lehrerin, ihre Schule. Und dann gebe es auch wieder Feste, Partys, Singstunden oder die Bundesjugendspiele.
Sport fehlt auch Lars, der dem Virus rät: "Verschwinde einfach!" Wegen Corona könne er nicht Fußball spielen, nicht ins Schwimmbad, nicht ins Kino, keine Freunde treffen. Auch wenn Schule zu Hause für ihn okay ist, gibt’s von Lars für das Coronavirus eine 6 minus.
Eine glatte 6 verteilt auch Klassenkameradin Zahra, die ihren Geburtstag wegen Corona schon ganz ohne Freunde feiern musste. "Ich gehe gerne in die Schule, aber deinetwegen muss ich jetzt Online-Unterricht machen. Dabei macht der mir gar keinen Spaß", schreibt sie dem Coronavirus. Mit lieben Grüßen verbunden, fordert auch sie den Abschied von Corona ein: "Ich will einfach, dass du weggehst."
Dass sie schon oft seinetwegen geweint hat, gesteht ein andere Drittklässlerin dem Coronavirus in ihrem bewegend offenen Brief. "Ich finde nichts gut an dir, du ärgerst alle nur", beklagt die junge Autorin Lotta und erklärt: "Mir fehlt die Schule, mir fehlen die anderen Kinder, mir fehlt das Klassenzimmer." Auch ihr Wunsch ist klar formuliert: Corona soll so schnell wie möglich verschwinden. Eine Note hat Lotta nicht vergeben, sitzen bleiben würde Corona aber wohl auch bei ihr.
Und welche Erkenntnis hat die Auftraggeberin am Ende? Die Sammelklage gegen das Coronavirus hat auch Deutschlehrerin Marie Soult beeindruckt: "Die Briefe haben mich wirklich bewegt. Erstaunlich finde ich aber auch, mit welchem Mut und welcher Ausdauer die Kinder diese für uns alle so anstrengende Zeit bewältigen."
Die Sehnsucht nach Normalität und vertrauten Gewohnheiten sei in den Briefen deutlich zu spüren, so Soult weiter. "Ganz sicher sprechen die Kinder vielen Menschen aus dem Herzen. Das haben sie wirklich wunderbar gemacht." Stimmt!