Von Heiko Schattauer
Neckar-Odenwald-Kreis. Mitten im tiefsten Winter hatte man hitzig diskutiert, unmittelbar vor den Sommerferien wurde nun ganz kühl analysiert. Nachdem sich der Kreistag zu Jahresbeginn auf die Umsetzung eines einschneidenden Struktur- und Maßnahmenpakets und eine Art Bewährungszeit für die finanziell schwer angeschlagenen Neckar-Odenwald-Kliniken verständigt hatte, erneuerten die Räte in der jüngsten Sitzung in Schwarzach einmütig ihr Bekenntnis, die Krankenhäuser in Mosbach und Buchen weiter unter Kreisregie zu führen. Grund dafür lieferte das Halbjahresergebnis der Neckar-Odenwald-Kliniken, das ein Defizit von rund 4,38 Millionen Euro ausweist, womit man die zu Jahresbeginn ausgegebene Vorgabe eines Maximalverlusts von 4,5 Millionen Euro erfüllen konnte. Damit sind Überlegungen, einen strategischen Partner mit an Bord des Kliniken-Schiffs zu holen, vorerst vom Tisch.
Die Einschränkung "vorerst" ist noch so lange angebracht, bis jenes Schiff auch dauerhaft in ruhigerem Fahrwasser, sprich in tragbaren Defizitbereichen, unterwegs ist. Die weiteren Vorgaben auf dem Konsolidierungskurs sehen vor, dass bis Ende 2020 maximal minus 7,7 Millionen vom Kreis auszugleichen sind, innerhalb von drei Jahren lautet das Ziel dann maximal 5 Millionen Euro Verlust.
Mit "Zukunftskonzept für die Neckar-Odenwald-Kliniken" war der Tagesordnungspunkt der ausdauernd abgehaltenen Sitzung in der neuen Schwarzachhalle überschrieben. In der Unterzeile fand sich der wegweisende Zusatz: "Weitere Fortführung in ausschließlich kommunaler Trägerschaft". Und genau für diese Fortführung (siehe "Einstimmig beschlossen") votierte der Kreistag nach detaillierter Vorstellung des Halbjahresergebnisses und der Erkenntnisse, die eine unabhängige Überprüfung jener Bilanz ergeben hatten, einstimmig.
"Das ist ein wichtiges Zeichen" wertete Landrat Dr. Achim Brötel das klare Bekenntnis zu den Kliniken. Zuvor hatte er noch einmal auf die letzten 180 Tage seit der Grundsatzdiskussion und grundlegenden Entscheidung zur Zukunft um die Kliniken im Januar in Mosbach zurückgeblickt, von einem "flauen Gefühl" berichtet, das er ob der Entscheidung zu Jahresbeginn bei manchem ausgemacht hatte. "Heute wissen wir, dass es gut gegangen ist", zeigte sich Brötel halbwegs erleichtert ob der Entwicklung der Kliniken im ersten Halbjahr 2020. 4,06 Millionen Euro Minus sind für den Zeitraum Januar bis Juni in der Bilanz als Verlust aus dem reinen Krankenhausbetrieb ausgewiesen, weitere 323.000 Euro Minus hat die Service GmbH gemacht, unter anderem aufgrund des Corona-bedingt eingestellten Mensabetriebs. "Wir haben ein erstes Etappenziel auf dem Weg der wirtschaftlichen Konsolidierung erreicht", so Brötel, Der Anfang sei gemacht, alles weitere aber keinesfalls "ein Selbstläufer", mahnte der Landrat.
Kliniken-Controller Löffler skizzierte den Kreisräten, wie man auf dem Weg zum Etappenziel unterwegs war, verdeutlichte, dass das laufende Jahr aufgrund Corona nur schwer vergleichbar sei. Die Fallzahlen seien deutlich zurückgegangen (auf 7137 im ersten Halbjahr), positive Wirkung hätten derweil die Verkürzung der Zahlungsfristen der Krankenkassen und die Corona-bedingten Freihaltepauschalen (560 Euro) für Krankenhausbetten gebracht. "Die helfen durch die Krise", befand Löffler, der auch von zahlreichen internen Maßnahmen berichtete, speziell Kodierung und Abrechnung betreffend. Ein klares Ziel müsse nun die Erhöhung der Fallzahlen sein, es gehe nicht mehr nur um Erlössicherung, so Löffler, sondern um Erlössteigerung. Leichte Steigerungen seien inzwischen in der (konzentrierten) Geburtshilfe am Krankenhaus Buchen zu vermelden: Im Juni kamen dort 66 Kinder zur Welt, 17 mehr als im Juni 2019. Damit sei man ungefähr in Richtung der angestrebten 800 Geburten pro Jahr unterwegs.
Wie die von Löffler präsentierten Zahlen insgesamt zu bewerten sind, erläuterte derweil Wirtschaftsprüfer Cirsten Schönmeier (PWC). Nach eingehender "Analyse des Buchungsstoffs" kam der Bilanzexperte aus Frankfurt, von Klinikleitung in Abstimmung mit dem Aufsichtsrat zur Überprüfung beauftragt, zum Schluss: "Es gibt keine Hinweise, dass die Zahlen nicht sachgerecht zustande gekommen sind." Vielmehr liege eine eher konservative Bilanzierung vor, die einige "stille Reserven" beinhalte. So sei etwa der Bundeszuschuss (400.000 Euro) für die Krankenhäuser noch nicht einberechnet. Ein "erhebliches Risiko" resultiert laut Schönmeier allerdings aus der ungewissen Fallzahlenentwicklung und dem Auslaufen der Corona-Kompensationszahlungen (Bettenpauschale) zum 30. September. "Ein starker Akzent muss auf die Steigerung der Fallzahlen gelegt werden", befand der Bilanzprüfer. Und riet: "Nicht die Kuchenstückchen kleiner machen, sondern den Kuchen größer backen."
Der Überprüfung folgte das Bekenntnis: Der Kreistag goutierte die Entwicklung der Kliniken in der Bewährungsphase – und votierte einstimmig für die Fortführung der Krankenhäuser unter Kreisregie.
Nach dem "Jahrhundertverlust" im Geschäftsjahr 2019 (nach Einbeziehung der Belastung durch den Verkauf des WPZ Hüffenhardt mit fast 14 Millionen Euro minus abgeschlossen) gebühre Verantwortlichen und Mitarbeitern der Kliniken Anerkennung, dass die gesteckten Zwischenziele für 2020 bis dato erreicht wurden, erklärte Dr. Norbert Rippberger für die CDU-Fraktion. Die Zahlen seien aber nach wie vor dramatisch "und belasten unseren Haushalt in einem Maße, das dauerhaft nicht tragbar ist." Es bleibe ein Berg an finanziellem Minus, der abgetragen werden müsse. Rippberger plädierte für "regelmäßige Diskussionen statt Frontalunterricht" zur weiteren Entwicklung der Kliniken.
Auch Volker Rohm wollte für die Freien Wähler die einmütige Zustimmung als Wertschätzung für die Leistung von Verwaltung, Ärzten und Pflegepersonal verstanden wissen. Die nun eingeleiteten Maßnahmen seien, so Rohm weiter, allerdings "jahrelang ignoriert" und überfällig gewesen. Der nun zu erkennende Ansatz sei ein erster Schritt zu Verbesserung und Erhaltung.
Norbert Bienek verdeutlichte für die SPD-Fraktion das (durch die aktuellen Ergebnisse bestätigte) Vertrauen zur Geschäftsführung und Belegschaft der Kliniken. Die Versorgung von Gesundheitsleistungen für die Kreisbewohner müsse weiter bedarfs- und nicht gewinnorientiert organisiert bleiben. Schmerzhafte Maßnahmen seien unumgänglich gewesen, gerade in der Coronakrise hätten die Neckar-Odenwald-Kliniken aber ihre Leistungsfähigkeit bewiesen, ihre Bedeutung unterstrichen.
Eine Unterstützung "mit den Füßen" forderte Simone Heitz in Bezug auf die (weitere) Kliniken-Entwicklung. Die "To Dos" seien identifiziert und nun "ohne Wenn und Aber" zu bearbeiten. Größtmögliche Transparenz sei nötig, um im intensiven Austausch ein Weiterkommen zu ermöglichen.
Tobias Eckert (AfD) fand es bedauerlich, dass medizinisches Personal zunehmend auf Abrechnungen zu trimmen ist, das Gesundheitswesen nicht den Mensch in den Vordergrund stelle. Dass das Ergebnis sich verbessert hat, sei erfreulich, werfe aber auch die Frage auf, warum die entsprechenden Maßnahmen nicht bereits früher ergriffen wurden.