Von Peter Lahr
Mosbach. Um Sterbenden und unheilbar Kranken eine menschenwürdige Alternative zu bieten, entstand die Hospizbewegung. Momentan gibt es in Deutschland rund 180 stationäre Hospize und 1500 ambulante Hospizdienste. Vor 20 Jahren gründete sich der "Ambulante ökumenische Hospizdienst Mosbach". Grund genug für ein Interview mit der Koordinatorin Birgit Schmidt, ihrer Vertreterin Sandra Windisch sowie Marcus Dietrich, dem Mitgeschäftsführer der Evangelischen Sozialstation Mosbach.
Wie kam es 1996 zur Gründung des Ambulanten Hospizdienstes?
Birgit Schmidt: 1996 war Elisabeth Bengsch Pflegedienstleiterin der Evangelischen Sozialstation. Sie hatte eine Ausbildung zur Sterbebegleiterin absolviert ,und ihr war das Thema ein Anliegen. Damals war Mosbach relativ früh dran, viele ambulante Hospizdienste entstanden erst Jahre später.
Marcus Dietrich: Am 12. März 1996 unterschrieben die Evangelische Diakoniestation und die Katholische Sozialstation Mosbach eine Vereinbarung, die die Zusammenarbeit regelte. Die Kosten übernahmen beide Träger 50:50. Die Finanzverwaltung übernahm die Diakoniestation. Als weitere "Beine" agieren die beiden Dekanate sowie das Diakonische Werk und das Caritas Werk. Als Geschäftsführer der Sozialstation kümmere ich mich auch um den Ambulanten Hospizdienst, die beiden Koordinatorinnen sind bei uns angestellt.
Wie viele Ehrenamtliche sind bei Ihnen aktiv?
Birgit Schmidt: Rund 25, davon sind drei in der Trauerarbeit tätig. Die meisten Ehrenamtlichen sind Frauen, wir haben nur drei Männer. Vom Alter liegen sie zwischen 40 und 75 Jahren. Viele stoßen zu uns, wenn etwa die Kinder von zu Hause ausziehen oder das Rentenalter erreicht ist. Die meisten eint die Erfahrung, einmal im Leben einen Hilfsbedarf erlebt zu haben, etwa wenn ein Angehöriger starb.
Wie werden die Ehrenamtlichen auf ihre Aufgabe vorbereitet?
Birgit Schmidt: Wir stellen zunächst die Hospizarbeit in einem Infoabend vor, erläutern auch die Ausbildung und den Zeitaufwand.
Was lernen die Teilnehmer des Qualifizierungskurses?
Birgit Schmidt: Im Grundkurs geht es um die biblische Geschichte der Jünger, die nach Jesus Tod nach Emmaus gehen. Der verstorbene Jesus gesellt sich zu ihnen, hört ihnen zu, geht ihren Weg mit und stülpt ihnen nicht seine eigenen Vorstellungen über. Kommunikation ist ein großes Thema. Es folgt eine 20-stündige Praktikumsphase. Im Aufbaukurs sehen wir uns das Gleichnis von dem Gelähmten an. Da verteilen die Jünger die Aufgaben. Es geht auch um Selbstreflexion. Auch später trifft man sich regelmäßig zum Austausch und zur Supervision.
Der Hospizdienst trägt schon im Namen die Ökumene. Wer ‚darf’ dabei mitmachen?
Birgit Schmidt: Nach dem Celler Modell sollte man zwar Mitglied einer christlichen Kirche sein. Aber die Entscheidung liegt bei uns. Wir haben auch eine Ehrenamtliche, die Muslima ist - und sie ist eine tragende Säule. Überhaupt sind wohl mehr Kirchenferne engagiert.
Marcus Dietrich: Es ist uns wichtig, dass die Hospizarbeit im christlichen Sinn geprägt wird. Das Thema ‚Sterbebegleitung’ soll kirchlich besetzt bleiben. Aber wir wollen die Leute nicht auf die letzten Tage noch bekehren.
Sandra Windisch: Wir gehen auch nicht nur zu Leuten, die in der Kirche sind. Wir begleiten alle Menschen, egal, welcher Konfession sie angehören, oder ob sie ausgetreten sind.
Entstehen für die Familien und Patienten Kosten?
Marcus Dietrich: Für die Patienten ist die Inanspruchnahme kostenlos. Wir finanzieren uns über die Zuschüsse der Krankenkassen und über Spenden. Das Restdefizit übernehmen die vorher beschriebenen sechs Säulen. Das jährliche Defizit pendelt zwischen 6000 und 14 000 Euro. Spenden werden deshalb dankbar angenommen. Aber es gibt auch eine große Spendenbereitschaft.
Wie viele Menschen betreuen Sie im Schnitt?
Birgit Schmidt: Im Jahr zählen wir durchschnittlich 23 beendete Begleitungen.
Sandra Windisch: Bei manchen ist es nur ein Tag, bei manchen zwei Wochen, bei manchen zwei Jahre.
Was hat sich im Lauf der Jahre verändert?
Birgit Schmidt: Es gibt eine Tendenz, dass die Leute immer später den Hospizdienst rufen. Viele sagen dann aber: Wenn ich das vorher gewusst hätte… Wir können ja auch bei pflegerischen Aspekten helfen.
Sandra Windisch: Das liegt vielleicht auch am Wort ‚Hospiz’. Das wirkt abschreckend. Viele denken: dann ist es rum.
Marcus Dietrich: Aber der Hospizdienst ist kein Pflegedienst. Das ist eine wichtige Abgrenzung. Außerdem gibt es einen Unterschied zwischen der Hospiz- und der Trauerarbeit.
Sie bieten auch ein Trauercafé an.
Sandra Windisch: Ja, jeden dritten Sonntag im Monat von 14.30 bis 16.30 Uhr hier im St. Ursula-Raum im Pfarrhaus von St. Cäcilia. Es ist eine offene Anlaufstelle für alle Trauernden.
Welche positiven Erfahrungen machen die Ehrenamtlichen bei ihren nicht einfachen Einsätzen?
Birgit Schmidt: Zunächst schweißt die Ausbildung die Gruppe zusammen. Man bekommt bei den Begleitungen viel Wertschätzung und Dankbarkeit zurück. Man lernt auch etwas von den Sterbenden. Es ist eine Lebensbereicherung.
Info: Kontakt per E-Mail: hospiz@sozialstation-mosbach.de oder telefonisch unter der 0176/15 14 77 68.