Handeln für den (Klima-)Wandel: Christine Denz, Simone Heitz, Dr. Uwe und Inge Graser, Sabine Schweiger (v.l.) vor der Festhalle Aglasterhausen, in der am ersten Dezember-Wochenende die mittlerweile neunte Klimamesse stattfindet. Foto: Ursula Brinkmann
Von Ursula Brinkmann
Aglasterhausen. Wenn vom 30. November bis zum 11. Dezember die Weltklimakonferenz in Paris tagt, um globale Wege zu finden, wie die negativen Auswirkungen des Klimawandels begrenzt werden können, dann - zur Halbzeit des Pariser Gipfels am 4., 5. und 6. Dezember - geschieht im 581 Kilometer entfernten Aglasterhausen genau das - im Kleinen (Odenwald). Dort wollen die Veranstalter der neunten Klimamesse "Wege zu einer zukunftsfähigen verantwortungsvollen Lebens- und Wirtschaftsweise" aufzeigen. Weil die Energiewende Arbeitsplätze und regionale Wertschöpfung bringe, sei Klimaschutz ein bedeutender Wirtschaftsfaktor; das Leitmotiv der Messe war schon immer und heißt darum 2015: "Anders wirtschaften".
Schon immer - die erste Klimamesse fand im Jahr 1998 statt - haben die Macherinnen und Macher ihr ehrenamtliches Engagement für mehr Klimaschutz nicht isoliert verstanden, sondern eingebunden in regionale Wirtschaftskreisläufe. Mit vier von ihnen - Christine Denz, Inge und Dr. Uwe Graser, Simone Heitz - sowie Aglasterhausens Bürgermeisterin Sabine Schweiger traf sich die RNZ zum Messevorgespräch. Schon immer ging es um konkrete Handlungsmöglichkeiten, sei es, dass diese in Vorträgen vermittelt werden, oder durch die Anbieter mit ihren Messeständen in der Festhalle Aglasterhausen. 27 Anbieter vor allem von Dienstleistungen und aus dem Handwerk zeigen, wie sich Klimaschutz in den eigenen vier Wänden und vor der eigenen Haustür umsetzen lässt.
Mittendrin der Gemeinschaftsstand elf regionaler Initiativen, insbesondere der Solar- und Windkraft. Dass mehrere davon in Bürgerhand seien, wertet Christine Denz als Zeichen dafür, dass sich Kapitalströme veränderten. "Anders Wirtschaften eben." Für Simone Heitz ist das große Plus der Klimamesse, dass "an den Ständen plastisch rübergebracht wird, was in den Vorträgen theoretisch zur Sprache kommt." Mit 15 Vorträgen vom "Energie-Plus-Haus" über "öko-fair-soziales Einkaufen" bis zur "Solidarischen Landwirtschaft" ist der Programmplan an beiden Messetagen gut gespickt.
Und wie immer startet die Messe mit einem besonderen Festvortrag am Freitagabend. Den hält Gerd Wesseling, Mitbegründer der Transition Town Bewegung. Was das ist, wie in Bielefeld ein neuer Lebensstil gestaltet wird, der nicht auf die große Politik wartet, sondern Kommunen und Bewohner auf einen gemeinsamen Weg bringt, davon wird Wesselings Rede handeln.
Bezogen auf die Klimamesse selbst hat die Zusammenarbeit mit der Gemeinde Aglasterhausen wiederum bestens geklappt. Sabine Schweiger sieht darüber hinaus mit dem Regional- und dem Naturpark-Markt oder der vom Land geförderten Streuobstwiesenpflege in ihrer Gemeinde weiteres Engagement in reales Handeln umgesetzt. Als Bürgermeisterin hat sie stets auch die Gesamtheit des Gemeinwesens und die Existenz örtlicher Betriebe im Blick: "Wir können anregen und informieren, entscheiden tut der Konsument." Christine Denz findet, dass eine Kommune "weiter denken und entsprechend lenken sollte."
Die Klimamesse macht Appetit und das ganz buchstäblich. Außer einem begleitenden Kultur- und Kinderprogramm gibt’s Speisen in Bioqualität vom regionalen Bäcker Banschbach. Dr. Uwe Graser, von Hause aus Physiker, hat als Wissenschaftler den Blick immer auch aufs Ganze gerichtet und vergleicht die aktuelle Entwicklung der Flüchtlingszahlen mit der des Klimas: "Das Eine wie das Andere war vorhersehbar, das Eine wie das Andere kommt trotzdem für die meisten in seiner Wucht unerwartet." Den Umwälzungen (spätestens) jetzt und vor Ort zu begegnen und zu einem veränderten Handeln und Wirtschaften zu kommen, dazu will die regionale Klimamesse ihren Beitrag leisten. So gesehen liegen zwischen Aglasterhausen und Paris nur ein paar Meter.