Ein Bild aus früheren Tagen beim Besuch in der ehemaligen DDR: Durch eine Brieffreundschaft lernten sich die drei junge Mädchen vor mehr als 40 Jahren kennen. Heute sind sie immer noch befreundet. Fotos: privat / Stephanie Kern
Von Stephanie Kern
Unterdielbach/Schöna. Es war und ist eine besondere Freundschaft. Über mehr als 500 Kilometer. Über 40 Jahre. Und davon lange Zeit über die ehemalige innerdeutsche Grenze hinweg. Die Freundschaft zwischen Marion Braun (Unterdielbach) und Marion Olbert (Schöna) begann auf Initiative der evangelischen Kirchengemeinden – als Brieffreundschaft.
"Unser Gemeindepfarrer verteilte damals Adressen von Mitgliedern einer evangelischen Kirchengemeinde in der DDR", erinnert sich die heute 55-jährige Marion Braun. Pfarrer Dieter Kabus hatte Kontakte nach Ostdeutschland. "So begann das." Der Zufall wollte es, dass Marion Braun die Adresse von einer anderen Marion bekam. Ihre (damals schon) sehr gute Freundin Heidi erhielt ebenfalls die Adresse von Marion Olbert (die damals noch Drescher hieß). So hat sich ein Dreiergespann entwickelt, das bis heute hält.
Marion Braun."Wir waren 14 oder 15 Jahre alt und haben natürlich erst einmal über Familie und Freunde geschrieben. Was eben in diesem Alter interessant ist", erzählt Marion Braun. Es wurden Päckchen hin und her geschickt, die auch alle ankamen. "Aber wir hier in Westdeutschland wussten natürlich von Anfang an, dass ihr Leben in Ostdeutschland ganz anders ist. Man musste auch aufpassen, was man schreibt und schickt", berichtet die Unterdielbacherin, die als kaufmännische Angestellte in Dallau arbeitet. Die Familie der Brieffreundin aus Ostdeutschland war kirchlich engagiert – in der ehemaligen DDR ohnehin ein Makel. "Für die Familie meiner Freundin war es nicht so einfach, gerade wegen dieses kirchlichen Engagements", berichtet Marion Braun.
Nach vier Jahren reinen Briefkontakts stand dann nach dem 18. Geburtstag endlich der erste Besuch in der DDR an. "Das war der Wahnsinn, sich das erste Mal zu sehen", erzählt die 55-Jährige. Auf den Weg machten sie und Heidi sich mit ihren Partnern. "Die Reise war spannend, wir hatten gerade erst den Führerschein gemacht. Dass unsere Eltern das erlaubt haben, wundert mich bis heute."
An den Moment des ersten wirklichen Aufeinandertreffens erinnert sich Marion Braun noch sehr gut. Sie strahlt, wenn sie davon erzählt. "Wir waren etwas früher dran und Marion war noch arbeiten. Sie arbeitete in einem Restaurant in Bad Schandau und wir fuhren dann dort hin. Sie kam aus der Tür raus und stand auf der Treppe. Da sahen wir uns zum ersten Mal. Das war einfach unglaublich."
Die Reise an sich sei ein richtiges Erlebnis gewesen. "Wir haben die DDR natürlich voll erlebt", berichtet Marion Braun. Zum Beispiel in den Gastwirtschaften: "Es konnte schon vorkommen, dass wir an drei verschiedenen Tischen saßen." Denn die Plätze wurden von den Bedienungen zugeteilt, wenn sie frei werden. Die Sehenswürdigkeiten in der Region standen ebenfalls auf dem Plan. Und auch die Kontrolle an der Grenze war genau so, wie man sich das vorstellt, mit Spiegel unter dem Auto und Überprüfung des gesamten Fahrzeugs. "Bei unserem zweiten Besuch haben wir eine Schallplatte abgeben müssen." Heimatlieder für den Vater von Marion Olbert waren darauf.
Als dann die Wende kam, sei die Clique (inzwischen war es ein Dreiergespann von Familien) auf einem "richtigen Hoch" gewesen. "Natürlich war unser erster Gedanke, dass Marion mit ihrer Familie nun zu uns kommen soll", erzählt die Unterdielbacherin. Doch es vergingen noch zwei Jahre, bis Familie Olbert dann endlich kam. Bis heute sehen sich die Familien regelmäßig, telefonieren und tauschen sich aus. Auch die Kinder der drei Paare haben das übernommen, sind befreundet, besuchen sich, wenn sie Zeit finden. "Wir haben ähnliche Ansichten, wir lachen über die gleichen Dinge und regen uns über das Gleiche auf", erzählt Marion Braun. Das sei schon immer so gewesen. Auch, als es die Grenze noch gab.
Beim jüngsten Besuch der Familie Olbert in Unterdielbach hat Marion Braun die gesammelten Briefe vom Dachboden geholt. "Die haben wir uns alle zusammen angesehen und einen ganzen Abend nur gelacht." Familie Braun hat auch viele weitere Andenken aus der DDR-Zeit. Zum Beispiel unzählige Schüsseln, die sie damals für das eingetauschte Ostgeld erwarb. "Die benutze ich heute noch."
Für Marion Braun manifestiert sich der Wandel der nun gar nicht mehr so neuen Bundesländer ganz sichtbar in Dresden. "Beim ersten Besuch dort war die Frauenkirche ein grauer Schutthaufen." Beim zweiten Besuch an der weltberühmten Kirche seien alle Steine nummeriert auf einem Stapel gelegen. Beim dritten Mal war die Kirche wieder aufgebaut. "An Dresden hat man den Wandel schon sehr speziell gesehen."
Ein Wandel, den ein ganzes Land erlebt hat. Ein Wandel, den drei Familien gemeinsam erlebt, gemeinsam durchlebt haben. "Es ist schön, dass wir uns immer noch so gut verstehen", meint Marion Braun. Pfarrer Dieter Kabus hat damals viele Adressen verteilt, es wurden viele Brieffreundschaften geschlossen. Doch die von Marion Braun und Marion Olbert hält bis heute. Und wird sie weiterhin. Denn heute sind da nur noch 500 Kilometer, die die drei befreundeten Familien trennen. Die deutsch-deutsche Grenze gibt es nicht mehr.