Das schöne Lächeln der weltbesten Weitspringerin: Malaika Mihambo bei der Siegerehrung in Doha mit ihrer Goldmedaille. Foto: AFP
Von Michael Rappe
Heidelberg. Malaika Mihambo spielt leidenschaftlich gerne Klavier. "Dieser Ausgleich für den Kopf ist mir wichtig", sagt die 25-jährige Welt- und Europameisterin im Weitsprung. Wie im Sport hat sie am Klavier ebenfalls hohe Ansprüche, versucht sich am Präludium von Johann-Sebastian Bach. Auch sonst besteht ihr Leben keineswegs nur aus Sport. Sie studiert - obwohl sie bereits ein Politikstudium abgeschlossen hat - an der Fernuniversität Hagen Umweltwissenschaften und engagiert sich für soziale Projekte. Eine intelligente junge Frau, die sich Gedanken macht, auch die Umstände dieser WM in Doha kritisiert hat.
Der Kopf spielt bei Malaika Mihambo, in Heidelberg geboren und für die LG Kurpfalz startend, eine ganz entscheidende Rolle, und vermutlich ist derzeit niemand in der Weltklasse mental so stark wie sie. Es kann sie einfach nichts und niemand aus der Ruhe bringen. Das bewies sie am Sonntagabend im Weitsprung-Finale mehr als eindrucksvoll. Nach misslungenem ersten Sprung auf 6,52 Meter, bei dem sie einen halben Meter vor dem Brett absprang, folgte zwar ein weiter Satz, doch sie war übergetreten. Wo viele Athleten die große Nervosität bekommen hätten, blieb sie völlig ruhig, schloss die Augen und meditierte.
Ein Kampfrichter holte sie in die Wirklichkeit zurück, indem er sie kurz auf den Arm tippte. Ein kurzer Austausch mit Erfolgstrainer Ralf Weber, der Mihambo seit 15 Jahren betreut, dann lief sie zum dritten Versuch an und landete den besten Sprung ihres Lebens: 7,30 Meter - Gold. Wenn dieser dritte Versuch ungültig gewesen wäre, wäre sie ausgeschieden.
Doch die Weltjahresbeste schien keinerlei Zweifel an sich zu haben. Und damit nicht genug, nach ausgelassenem vierten Versuch ließ sie noch 7,09 und 7,16 folgen. Noch nie hat eine Weltmeisterin so eine Serie hingelegt. Nur die große Jackie Joyner-Kersee (USA) ist bei einer WM weiter gesprungen. Heike Drechslers Siegesweiten waren 7,27 m (1983) und 7,11 m (1993) und auch bei ihren beiden Olympiasiegen war die deutsche Rekordhalterin (7,48 m) nicht so weit gesprungen wie die Oftersheimerin. Nach dem Europameistertitel vor einem Jahr in Berlin nun die Krönung auf Weltebene für Malaika Mihambo.
In diesem einen Jahr hat sie sich verändert. Sie ist nicht nur sportlich noch besser geworden. Das Jahr 2019 war ein einziger Traum. Der erste Siebenmetersprung in Rom, der deutsche Meistertitel in Berlin mit Bestleistung (7,16 Meter), der Sieg in der Diamond-League in Brüssel und nun die vorläufige Krönung mit dem Weltmeistertitel. Der Engel ist weit geflogen - Malaika heißt im Arabischen "Engel" oder "guter Geist"- und er wird weiter fliegen. EM-Titel 2018, WM-Titel 2019 - krönt sie sich in zehn Monaten in Tokio auch zur Olympiasiegerin? Die Konkurrenz wird sich sehr anstrengen müssen, diese selbstbewusste und in sich ruhende Athletin zu schlagen. Wenn Malaika Mihambo gesund bleibt und diese Form hält, ist sie eine ganz große Goldfavoritin bei Olympia.
Auch als Persönlichkeit ist sie weiter gereift. Als sie Mitte August 2018 am Berliner Breitscheidplatz die EM-Goldmedaille überreicht bekam und die deutsche Nationalhymne erklang, wurde sie von ihren Gefühlen überwältigt. Alles war neu, fast schüchtern reagierte sie auf den Medienrummel. Am Sonntagabend in Doha schien sie die Siegerehrung mit Hymne einfach nur zu genießen. Mal nachdenklich und ernst, dann wieder strahlend. Der nigerianischen Bronzemedaillengewinnerin Esa Brume strich Mihambo nach der Siegerehrung tröstend über den Arm, weil diese ihre Tränen nicht zurückhalten konnte.
Vielleicht dachte sie in diesem Moment ein Jahr zurück. Vereinnahmen lässt sich die neue Weltmeisterin allerdings nicht. Sie macht weiterhin ihr Ding und nimmt sich ihre persönlichen Auszeiten. Als ZDF-Moderator Norbert König sie auf die nun folgenden vielen Termine ansprach, erklärte Mihambo ganz cool: "Ich bin jetzt erst mal vier Wochen weg, Montagmorgen um 8.30 Uhr geht mein Flieger nach Thailand." Dort will sie den Tauchschein machen und frische Kräfte sammeln.