Weinheim (sha/hab/web/ans/aham) Dieser Fall hat bundesweit Schlagzeilen gemacht: Eine vollverschleierte Deutsche mit muslimischem Glauben hatte sich - so wurde es zunächst kommuniziert - zweimal geweigert, ihr Gesicht zu zeigen. Deshalb wurde sie erst von der Weinheimer Passbehörde und später beim Neubürger-Empfang der Stadt abgewiesen.
Mittlerweile musste die Stadt im Bezug auf das Passamt allerdings einen Fehler einräumen - die Frau war bereit gewesen, unter vier Augen ihr Gesicht zu zeigen. Man werde das in einem Brief an die Familie richtig stellen, hatte Oberbürgermeister Heiner Bernhard gegenüber der Rhein-Neckar-Zeitung angekündigt.
In Bezug auf den Neubürger-Empfang bleibt der Verwaltungschef aber bei seiner ursprünglichen Haltung. Bei einem solchen Anlass möchte er den Gästen von Angesicht zu Angesicht entgegentreten. Dies halte er für eine Bürgerpflicht in einem demokratischen Staat. Die Vollverschleierung widerspreche "unseren Grundregeln im persönlichen Umgang", hatte er mehrfach wiederholt und sieht nach wie vor das Hausrecht auf seiner Seite. Demnach könne er vereinzelten Personen oder auch Personengruppen die Anwesenheit durchaus verwehren.
Und wie sieht man das beim Regierungspräsidium Karlsruhe, das als Aufsichtsbehörde für die Stadt Weinheim zuständig ist? Da man den Fall bislang nur aus den Medien kenne, wolle man derzeit keine Stellungnahme abgeben, sagt Pressesprecher Uwe Herzel. Um das Vorgehen des Weinheimer Oberbürgermeisters rechtlich bewerten zu können, müsse die Sachlage erst einmal gründlich geprüft werden.
Ein Anruf im baden-württembergischen Innenministerium bringt auch keine Klarheit. "So einen Fall hatten wir noch nicht", sagte ein Sprecher. Eine rechtliche Bewertung könne man derzeit nicht abgeben, dies bedürfe einer gründlichen Prüfung, es käme stets auf die Umstände an. Im Übrigen sei dafür aber das Regierungspräsidium zuständig. Dort könne man tätig werden, wenn gegen Oberbürgermeister Heiner Bernhard beispielsweise eine Dienstaufsichtsbeschwerde eingereicht würde.
Auch der Rhein-Neckar-Kreis wollte zur Rechtslage keine Stellungnahme abgegeben. Sprecher Ralph Adameit verwies ebenfalls auf das Regierungspräsidium als zuständige Behörde. Beim Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis existierten derzeit jedenfalls keine Regelungen, die das Tragen einer Vollverschleierung beim Behördenbesuch reglementieren oder verbieten. Sofern zur Feststellung der Identität eine - teilweise - Abnahme der Vollverschleierung erforderlich sei, werde dies im Einzelfall - entsprechend den gesetzlichen Regelungen und im persönlichen Gespräch mit den Betroffenen - veranlasst. "Probleme sind uns in diesem Zusammenhang nicht bekannt", sagte Adameit.
Bleibt die Frage, wie andere Verwaltungschefs im Rhein-Neckar-Kreis das Vorgehen von Heiner Bernhard bewerten:
Oberbürgermeister René Pöltl, Schwetzingen: "Nach meiner Kenntnis ist dieser Fall bei uns noch nicht aufgetreten", sagt das Stadtoberhaupt. Klar sei, dass eine Identifizierung der Person bei amtlichen Vorgängen sicherzustellen sei, das gehe nur über den Abgleich des Lichtbilds im Ausweis und des Gesichts. "Dies würden wir in jedem Fall ermöglichen und müssten ebenso darauf bestehen, die notwendige Diskretion würde dabei gewahrt bleiben", sagt Pöltl. Wenn dies gewünscht werde, auch nur im Beisein einer weiblichen Mitarbeiterin und ohne weitere Personen.
Ansonsten sehe er bislang diesbezüglich keine Notwendigkeit für dienstliche Anordnungen oder besondere Verhaltensweisen. Vollverschleierte Frauen dürften grundsätzlich auch Veranstaltungen der Stadt besuchen. "Ich sehe keinen Grund, der dagegen spricht, auch wenn mir klar ist, dass das auch kritisch gesehen würde, weil es nicht unseren üblichen gesellschaftlichen Normen entspricht." Im Übrigen glaube er, dass ein Ausschluss bei allgemeinen öffentlichen Veranstaltungen ohne signifikanten Sachgrund verfassungswidrig wäre. Aber eigentlich fehle bislang eine gesetzliche Grundlage.
Oberbürgermeister Dieter Gummer, Hockenheim: Er stehe prinzipiell hinter dem Verhalten seines Amtskollegen in Weinheim, betont Dieter Gummer, Oberbürgermeister von Hockenheim. "Ich teile, ohne die Details des Vorgangs zu kennen, die grundsätzliche Meinung von Heiner Bernhard." Wenn die Identitätserkennung durch das Abnehmen des Gesichtsschleiers in einem Nebenraum erfolgt und den rechtlichen Anforderungen genüge, dann könne ein solches Vorgehen eine Lösung darstellen. "Beim Neujahrsempfang unsrer Stadt möchte ich die Neubürger kennenlernen und dazu gehört meines Erachtens, dass dies von Angesicht zu Angesicht geschieht."
Bürgermeister Manuel Just, Hirschberg: Just, der Oberbürgermeister-Kandidat in Weinheim ist, findet, dass es bei einem Neubürgerempfang keine Vollverschleierung geben sollte: "Bei einem solchen Anlass sollte man das Gesicht sehen." Er würde sich hier Oberbürgermeister Bernhard sehr nahe fühlen. "Ich teile seine Auffassung, dass der Islam zu Deutschland gehört, die Vollverschleierung aber nicht." In Hirschberg habe es bislang keinen vergleichbaren Fall gegeben. "Und ich bin auch froh, dass ich solch eine Ad-hoc-Entscheidung noch nicht treffen musste", räumte Just offen ein. Zumal sich auch die Frage stelle, ob sich eine solche Abweisung mit dem Hausrecht durchsetzen lasse. Hier sei der Gesetzgeber gefordert. Beim Melde- und Passrecht dagegen gibt es laut Just einschlägige Regelungen.
Bürgermeisterin Patricia Rebmann, Eppelheim: Für die Rathauschefin ist die Sache klar: "Wenn die gesetzlichen Vorgaben es verlangen, müssen muslimische Frauen ihr Gesicht zur Identifizierung zeigen." Bislang sei ihr aber noch kein Fall in ihrer Stadt bekannt, bei dem es deshalb Probleme gegeben hätte. Bei einem Empfang sei sie dagegen nicht so streng. Zwar gebe es solche Veranstaltungen noch nicht, doch Rebmann hat vor, so etwas einführen. "Und dann wird niemand abgewiesen - auch mit Schleier", sagt die Bürgermeisterin.