Vorlese-Pate Peter Lemke liest in Corona-Zeiten im Online-Vorleseland. Foto: Gottlob
Von Marion Gottlob
Schwetzingen. Es ist wenige Minuten vor 18 Uhr: Vorlese-Pate Peter Lemke öffnet den Internet-Raum für sein Vorleseland und schon ploppt ein Fenster nach dem anderen auf, wenn sich Kinder mit und ohne Eltern zuschalten. Zwischen zwölf und fast 50 Kinder sitzen dann gespannt und entspannt vor ihren Handys, Laptops oder Computern und hören zu, wenn ihr Vorlese-Pate eine neue Geschichte liest. "Es geht nicht nur ums Vorlesen. Man ist nicht allein. Die anderen sind auch dabei, wenn wir zuhören", sagt eine Mutter. Es ist noch mehr: Jedes Kind wird persönlich begrüßt, bevor es losgeht.
Dieses Mal steht eine Geschichte rund um Rocco-Randale und seine "Politik mit Popelpanne" von Alan MacDonald auf dem Programm. Rocco hat immer wieder Probleme mit einer Lehrerin mit dem Namen Schreck-Schraube. "Bumm!", donnert Frau Schreck-Schraube mit der Faust auf das Pult – und Vorlese-Pate Lemke haut ebenfalls so auf den Tisch, dass das Mikrofon ins Schwanken kommt. Gelächter in Roccos Klasse, aber auch bei den jungen Online-Zuhörern.
Der Journalist Lemke las schon während seiner Zeit als Moderator beim Hessischen Rundfunk Krimis für Kinder vor. Seit mehr als 20 Jahren ist er ehrenamtlicher Vorlese-Pate in Schulen beispielsweise in Brühl, Schwetzingen, Ketsch, Weinheim und anderen Orten. Mit dem ersten Lockdown war erst einmal Schluss mit dem Präsenz-Vorlesen. Einige Zeit später fand Lehrerin Corinna Zander aus Brühl eine Lösung: Sie holte den Vorlese-Paten per Internet und Beamer in die Klassenzimmer. Mit dem Homeschooling war auch das nicht mehr möglich. Stattdessen kommen die Kinder nun ins Online-Vorleseland, um auf Rocco-Storys und andere Geschichten zu lauschen. Der sechs Jahre alte Cleo sagt: "Du liest so gut." Lea (7) stimmt zu: "Ich mag das." Auch Anna (7) weiß: "Es ist so schön, wenn man vorgelesen bekommt." Lehrer Sebastian Schneid aus Weinheim unterstützt das ehrenamtliche Engagement: "Ich kenne und schätze Peter. Das Vorlesen ist für die Sprachförderung der Kinder so wichtig. Ich finde es schön, dass wir mit dem Online-Lesen einen tollen Weg gefunden haben." Lehrerin Claudia Bischof ergänzt: "Man kann es sich zu Hause gemütlich machen und zuhören."
Mucksmäuschenstill lauschen die Kinder der Stimme ihres Vorlese-Paten: Rocco wurde per Los ausgewählt, um die Bürgermeisterin bei einem Schulbesuch zu begrüßen. Seine Mutter fleht: "Bitte, Rocco, bohr nicht in der Nase." Was passiert? Genau, Rocco juckt es an der Nase und er wird aktiv. Glück gehabt, niemand hat es gesehen. Doch dann soll Rocco der Bürgermeisterin die Hand schütteln. Was tut er? Jeder kann es sich denken – und das vor der Kamera der Zeitung. Klick! Sogar Lemkes Schwester Birgit aus Braunschweig schaltet sich zu. Er lächelt: "Ihr ist kein Weg zu weit. Im Internet ist das möglich."