An diesem Erdmännchen erfreuen sich derzeit die Bürger in Mannheim-Seckenheim. Foto: hwz
Von Heike Warlich-Zink
Ladenburg/Mannheim. Die Öffentlichkeit hat Jochen Liebrich lang gemieden. Viel lieber ließ er seine Objekte für sich sprechen. "Ich will den Menschen damit eine Freude machen und habe selbst Spaß daran", sagt der in Ladenburg lebende 57-Jährige, der als selbstständiger IT-Fachmann in Seckenheim arbeitet. Dieser Umstand ist nicht ganz unwesentlich. Denn nachdem im Römerstädtchen in den letzten Jahren schon eine ganze Reihe von Holztieren förmlich aus dem Boden gewachsen ist, tauchte auch im Mannheimer Stadtteil im vergangenen Jahr ein Bär auf einem der Verkehrskreisel auf.
Aktuell sind die Menschen ganz entzückt von zwei kleinen Erdmännchen, die auf dem Mittelstreifen der Randerschließungsstraße stehen. Dort lässt die Stadt immer wieder Baumstümpfe stehen. Und an Baumstümpfen kommt Liebrich einfach nicht vorbei, ohne dass ihm dazu etwas einfällt. "Circa 20 Ideen habe ich noch im Kopf", sagt er. Die Form des Stumpfes gibt letztlich vor, welches Tier es werden könnte: Hase, Krokodil, vielleicht ja auch mal eine Eule?
Dass er einmal fünf Motorsägen mit sich führen würde, um damit seine kreative Ader auszuleben, war nicht geplant. Denn seine erste Motorsäge hatte er vor vier Jahren gekauft, um Kaminholz zu machen. Da dies nur zu bestimmten Zeiten im Jahr erlaubt ist, lag das Handwerkszeug ab März ungenutzt herum. Als er beim Joggen auf seiner Ladenburger Hausstrecke einen abgesägten Baumstamm entdeckte, entstand spontan der Gedanke, daraus ließe sich was machen. Es entstand eine Schildkröte, und die Begeisterung im Römerstädtchen war groß.
So groß, dass Liebrich dort in Kooperation mit dem Heimatbund, in dem er Mitglied ist, eine Rallye für Kinder mit insgesamt acht "tierischen" Stationen eingerichtet hat. Wer den Tier-Rate-Pfad durchläuft, alle Namen einträgt und somit das richtige Lösungswort findet, nimmt am Jahresende an einer Verlosung teil. Den Laufzettel gibt es in der Stadtinformation sowie im Lobdengau-Museum.
Und als die Stadt im Jahr 2018 die Urnenwiese neu anlegte, hat Liebrich in Absprache mit Gemeinderat und Verwaltung und nach Vorlage eines künstlerischen Konzeptes dort aus Totholz vier beeindruckende Skulpturen entstehen lassen. Doch zurück nach Seckenheim, wo die Menschen sich ebenfalls schnell in die Holztiere im öffentlichen Raum verliebten und die Aufregung groß war, als besagter Bär vom städtischen Bauhof abgeräumt wurde. Die sozialen Medien bebten.
Liebrich hielt sich im Hintergrund. Denn er will mit seiner ungewöhnlichen Holzschnitzerei weder eine Botschaft noch eine kommerzielle Absicht verbinden. Nach seiner Arbeitsweise gefragt, antwortet er, dass er zwar nach Fotovorlage sägt. Aber das komplett frei Hand. Schutzbekleidung ist dabei Pflicht, und der Umgang mit der Säge muss gelernt sein. Geschnitzt wird von oben nach unten, und ziemlich flott. "Es hängt immer davon ab, wie viel Holz weg muss, um die Kontur entstehen zu lassen", erklärt er.
Fürs erste Erdmännchen habe er einen Vormittag gebraucht. Fürs zweite bedurfte es eines weiteren Anlaufs, nachdem einem Anwohner die Geräuschkulisse nach zwei Stunden Sägen dann doch zu viel geworden war. Liebrich unterbrach seine Schnitzaktion sofort. Denn er ist sich stets bewusst, dass er sich mit seinen künstlerischen Aktivitäten im öffentlichen Raum bewegt. "Solange ich freundlich geduldet bin, mache ich weiter", sagt er.
Und er hat auch keine Probleme damit, wenn die Holztiere hinterher bemalt, lasiert, dekoriert oder – wie im Fall des Seckenheimer Kreiselbären, mit Hut und Fan-Schal ausstaffiert werden. "Wenn sie fertig sind, gehören sie allen und dürfen gerne ein Eigenleben entwickeln", sagt er.