Von Nicoline Pilz
Ilvesheim/Rhein-Neckar. Kaum ein anderes Thema ist während der Corona-Pandemie so kontrovers und intensiv diskutiert worden wie das der Schulöffnungen oder -schließungen. Das schreibt Eva Müller in einem Leserbrief an die RNZ. Sie arbeitet als Erzieherin im Internat für Kinder mit schwerst-mehrfacher Behinderung an der Schloss-Schule in Ilvesheim. Bei all der Diskussion, ärgert sie sich, habe die Öffentlichkeit gar nicht mitbekommen, dass die Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) mit den Förderschwerpunkten "geistige Entwicklung" (Gent), beziehungsweise "körperliche und motorische Entwicklung" (Kment) seit dem 11. Januar dieses Jahres wieder im Regelbetrieb sind.
Die Argumente des Kultusministeriums, dass die Schüler dieser Einrichtungen wegen ihrer Beeinträchtigungen nur schwer mit Fernlernangeboten zu erreichen sind und die Familien dieser Kinder und Jugendlichen durch die Pflegebedürftigkeit, den hohen Pflegeaufwand bei gleichzeitig coronabedingt fehlenden Pflegediensten durch Schulschließungen hoch belastet seien, findet sie durchaus schlüssig.
Schulleiterin Stephanie Liebers. Fotos: Pilz"Diese besonderen Umstände sind den Mitarbeitern und Lehrern dieser Einrichtungen nur zu gut bekannt – und auch die Bereitschaft für eine Schulöffnung zugunsten der Schüler und deren Familien ist absolut gegeben", schreibt sie der RNZ. Doch leider seien alle Überlegungen, unter welchen Voraussetzungen der "normale" Schulbetrieb wieder geöffnet werden könne, beispielsweise, was den Inzidenzwert angeht oder die ausreichende Ausstattung mit medizinischen Masken, für die SBBZ nicht getätigt worden. Tatsächlich startete der Schulbetrieb in den SBBZ in den Bereichen "Gent" und "Kment" für die meisten Mitarbeiter und Lehrer in dieser Form überraschend am 11. Januar.
Doch zu diesem Zeitpunkt seien einige Fragen, beispielsweise zur Reduzierung der Schülerzahlen durch Wechselunterricht oder die Ausstattung mit FFP2-Masken und die Qualität der vorhandenen KN95-Masken, noch nicht geklärt gewesen. Das wäre aber nötig gewesen, betont Eva Müller, wenn man an die den körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen der Schüler geschuldete körpernahe Arbeit der Lehrer, Erzieher und Pflegekräfte denke.
Es geht ihr um Fürsorge, Sicherheit und Wertschätzung für die betroffenen Personen. Mit mehr Vorlaufzeit hätte man für Schüler, Lehrer und Mitarbeiter einen sichereren Schul- und Arbeitsplatz schaffen können. "Wir sind auch noch da", schreibt die Erzieherin.
"Das Thema ist vielschichtig und in einer so komplexen Einrichtung wie der Schloss-Schule ist manches auch positiv zu sehen", meint Stephanie Liebers, Leiterin der Schloss-Schule mit 182 Schülern plus neun Kindern im Schulkindergarten. Die Schloss-Schule Ilvesheim, Staatliches Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum mit Internat Förderschwerpunkt Sehen, ist die einzige öffentliche Schule dieser Art in Baden-Württemberg.
Sie bietet unter anderem Frühförderung, sonderpädagogischen Dienst, ein Medienberatungszentrum, einen Schulkindergarten, die Bildungsgänge Grundschule, Hauptschule, Realschule sowie "Lernen" und "geistige Entwicklung". Schüler im Bildungsgang "Lernen", in der Grundschule und der Sekundarstufe eins, lernen während der Lockdown-Phasen digital nach Stundenplan und erhalten Pakete mit Schulmaterialien nach Hause. Prüfungsvorbereitungen finden im Einzelfall im Präsenzangebot statt, zudem gibt es Notgruppen für Eltern, die beruflich unabkömmlich sind oder für Kinder, die durch Distanzlernangebote nicht erreicht werden.
Generell laufe das digitale Lernen sehr gut, schildert die Schulleiterin. "Wir sind hier super aufgestellt, und das Feedback der Eltern ist sehr positiv". Und ergänzt: "Der Computer ist eh unser Heft". Nicht zuletzt seien die Schüler im digitalen Unterricht erfahren – vor den beiden Lockdowns habe man mit den Kindern eigens noch einmal geübt. Die Schule habe zusätzliche I-Pads angeschafft und diese bei Bedarf Schülern zur Verfügung gestellt. Auch der Server wurde datenschutzrechtlich konform eingerichtet. "Wir sind stolz, wie das läuft", meint die Schulleiterin. Die Stundenpläne seien so angelegt, dass sie, Sport und Kunst eingeschlossen, eins zu eins online umgesetzt werden können.
Sie teilt mit, dass im Bereich "geistige Entwicklung" trotz freigestellter Präsenzpflicht zwei Drittel der Kinder, und somit rund 65, teils auch im Internat anwesend seien. "Da ist Leben drin – in anderen Bereichen ist es ruhiger", sagt Liebers. Und ja, offene Fragen, Teststrategien und Impfungen betreffend, hätten anfangs für Unruhe, Unsicherheit und Sorgen an der Schule gesorgt.
Das Kollegium wäre vermutlich optimistischer an den überraschenden Start gegangen, wenn die SBBZ gleich zu Beginn erfahren hätten, wie diese Fragen der Sicherheit gehändelt werden. Doch die Kollegen hätten auch gute Lösungen gefunden, was Hygienekonzepte, Reduzierung von Kontakten und die Versorgung der Schüler daheim mit Materialien betrifft. "Sowohl Schule als auch Internat beziehen diese umfänglich in die Inhalte ein", sagt Liebers. Gerade die Erzieher seien wichtige Bezugspersonen für die Kinder und Jugendlichen, die ansonsten im Internat wohnen, zurzeit jedoch Zuhause sind. Das Kultusministerium ließ sich anfangs Zeit und bedachte die SBBZ in einem zweiseitigen Schreiben nur mit einem eher dürren Satz. Wertschätzung heiße, gesehen zu werden: "Das fehlte bis vor Kurzem", findet die Schulleiterin.
Auch in den Medien seien die SBBZ kaum berücksichtigt worden, meint Eva Müller. Nach den Faschingsferien geht es nun weiter mit einem stundenweisen Angebot an die Schüler der Grundschule und der Abschlussklassen, weiterhin ergänzt durch Fernlernen und Materialpakete.
"Wir organisieren es so, dass die Räume nur halb besetzt und insgesamt die Kontakte beschränkt sind und gleichzeitig die Schüler, die im Internat wohnen, nicht mehrere lange Fahrten auf sich nehmen müssen", schildert die Schulleiterin.