Die Grünanlage im Marstallhof ist eine kleine Frischluftoase mitten in der Stadt. Sie soll erhalten und aufgewertet werden. Foto: Lenhardt
Von Anna Manceron
Schwetzingen. Der Klimawandel macht sich nicht nur im Schlossgarten bemerkbar. Auch in der Schwetzinger Innenstadt wurden in den vergangenen Sommern immer höhere Temperaturwerte gemessen. Um zusätzlichen Wohnraum zu schaffen, hat man dort im Lauf der Jahre an vielen Stellen nachverdichtet und Flächen versiegelt. Das mindert zwar ein Problem, verstärkt aber ein anderes. Denn mit zunehmender Nachverdichtung verschwinden auch wertvolle Grünflächen, die dafür sorgen, dass sich das Zentrum nachts abkühlt. Diese sogenannten "Grünen Lungen" speichern und geben nämlich deutlich weniger Wärme ab, als Gebäude, Straßen, Plätze oder Höfe. Und sie haben einen weiteren großen Vorteil: Sie produzieren Sauerstoff und sorgen so für frische Luft.
Um der zunehmenden Erwärmung des Stadtklimas entgegenzuwirken, hat der Gemeinderat nun den Teilrahmenplan "Grüne Lungen" beschlossen. Er dient der Umsetzung des Leitprojekts K5 "Grünes und klimafreundliches Schwetzingen" aus dem Integrierten Klimaschutzkonzept der Stadt. Der Teilrahmenplan soll eine Leitlinie für die städtebauliche Entwicklung und Nachverdichtung im Zentrum sein. Vor allem will man damit die Versiegelung unbebauter Flächen mindern und neue Grünflächen schaffen.
Der Bereich, um den es konkret geht, liegt zwischen dem Schloss im Norden, dem Rondell im Nord-Osten, der Moltkestraße im Westen und der Bahnhofsanlage im Süden. Das Konzept, das Stadtplaner einer Karlsruher Firma erstellt haben, sieht unter anderem eine Entsiegelung von Hof- und Stellplatzflächen sowie die Begrünung von Flachdächern, Fassaden, Garagen oder Carports vor. Ungenutzte Nebengebäude sollen gegebenenfalls abgebaut werden, um dort neue Grün- und Gartenflächen zu schaffen. Bestehende Wohngebäude und andere Nutzungen wie Stellplatzanlagen haben jedoch Bestandsschutz.
Außerdem will die Stadt bereits bestehende Grünflächen und Straßenbäume erhalten und "neue Stadtplätze" schaffen, die ebenfalls zu einem besseren Klima im Ort beitragen könnten. Sie sollen am ehemaligen Kino "Capitol" sowie am Alten Messplatz, am Rathaus und vor dem Sanitätshaus Schuh entstehen.
Bei dem Erhalt und der Aufwertung von Grünflächen in privaten Höfen und Gärten ist die Stadt auf die Bereitschaft der Eigentümer angewiesen. Das gilt auch für die Bepflanzung von Dächern und Fassaden. Mehr als 90 Prozent der betreffenden Grünflächen seien in Privatbesitz, erklärte Bürgermeister Matthias Steffan, der für diesen Tagesordnungspunkt die Leitung der Sitzung übernommen hatte. "Wir wollen die Bürger motivieren, Flächen zu entsiegeln", betonte er. Das sei wichtig, um die Lebensqualität in den Wohnquartieren zu erhalten und zu fördern. Und um einen Beitrag gegen die Erderwärmung zu leisten. "Mit diesem Konzept brechen wir eine globale Zielsetzung, den Klimaschutz, herunter auf die lokale Ebene", so Steffan.
Obwohl nicht alle Stadträte an der Abstimmung teilnehmen durften, fiel das Ergebnis eindeutig aus: 14 Räte stimmten für und nur einer gegen die Umsetzung des Teilrahmenplans "Grüne Lunge". Insgesamt neun Gemeinderatsmitglieder, darunter auch Oberbürgermeister René Pöltl, durften ihre Stimme nicht abgeben. Sie waren befangen, weil sie selbst oder Familienangehörige in den entsprechenden Innenstadtquartieren über Eigentum verfügen.
Haydar Sahin (Aktive Bürger Schwetzingen) lehnte die Beschlussvorlage als Einziger ab. Der Teilrahmenplan greife zu sehr in die Rechte der Privateigentümer ein, kritisierte er. "Hier wird privaten Personen vorgeschrieben, wie sie ihre Grundstücke nutzen sollen – ohne Entschädigung", sagte Sahin.
Die Schwetzinger Freien Wähler stimmten zwar für die Umsetzung des Konzepts, äußerten aber auch Bedenken. "Wir stimmen zu, aber nur unter der Voraussetzung, dass sich daraus kein verpflichtendes Baurecht ergibt", erklärte Karl Rupp im Namen seiner Fraktion. Eine Einzelfallentscheidung müsse immer möglich sein, betonte er. Tatsächlich entfaltet das Konzept "Grüne Lungen" nur innerhalb der Verwaltung eine bindende Wirkung. Die Bürger sind davon nicht unmittelbar betroffen. Konkrete Entscheidungen über die Zulässigkeit von Bauvorhaben erfolgen im Einzelfall.
Die Grünen stimmten dem Konzept nach eigenen Angaben gern zu. Ihrer Meinung nach sind die Möglichkeiten zur Nachverdichtung in der Innenstadt ausgereizt. "Eine Nachverdichtung darf nur noch ohne Grünflächenverbrauch erfolgen", betonte Susanne Hierschbiel (Grüne). Für Markus Bürger (CDU) ging es bei der Abstimmung auch darum, "ein Zeichen zu setzen und sich klar für Bäume und deren lebenswichtige Funktion zu positionieren".