Schwetzingen

Ein WG-Haus für geistig behinderte Menschen

Vereine "habito" und "Pro Down Heidelberg" bauen das WG-Haus – "Das Leben mit Freunden ist einfach schön"

02.11.2018 UPDATE: 03.11.2018 06:00 Uhr 2 Minuten

Im Mehrgenerationenhaus in Rohrbach beraten die Vereine Pro Down und Habito über das Haus, das in der Schützenstraße 6 in Schwetzingen für geistig behinderte Menschen gebaut werden soll. Foto: Rothe

Von Marion Gottlob

Schwetzingen. "Ich habe zwei Stunden geweint, nachdem ich erfahren hatte, dass unser Wohnprojekt gelingen wird", sagt Martina Mehrer, Mutter des 22-jährigen, geistig behinderten Marc. Der Grund ihrer Freude: Die Vereine "Pro Down Heidelberg" und "habito" gehen in Schwetzingen ein ungewöhnliches Bauprojekt an. Ein Wohnhaus für junge Erwachsene mit geistiger Behinderung - dazu Räume, die von Vereinen oder Nachbarn für Aktivitäten genutzt werden können.

Das Projekt ist ein Beleg dafür, dass sich der Umgang mit geistig behinderten Menschen verändert hat, auch in Schwetzingen und Umgebung. Eltern haben ihre geistig behinderten Kinder zu selbstbewussten Jugendlichen und Erwachsenen erzogen. Gisela Wrensch, Erste Vorsitzende des Vereins Pro Down: "Wir orientieren uns an den Bedürfnissen unserer Kinder. Wir stellen Kontakte zu Vereinen und anderen Institutionen her, wir fördern Möglichkeiten in den Bereichen Sport, Bildende Kunst, Handwerk und Musik." Junge Menschen mit geistiger Behinderung sind mit Menschen ohne Behinderung zum Beispiel im Tennis-Club und im Schwimmverein aktiv. Was hier möglich ist, ist vorbildlich.

Allerdings, die Behinderung bleibt. "Als mein Sohn 14 Jahre alt war, hat er gesagt: ,Mama, gib mir eine Medizin, damit das Down-Syndrom weggeht’", erzählt eine Mutter. Es sei für sie einer der schwersten Momente ihres Lebens gewesen, als sie dem Jugendlichen erklären musste, dass er sein Leben lang behindert bleiben würde. "Ich werde älter", ergänzt sie, "ich habe mir Sorgen gemacht, was aus meinem behinderten Sohn wird".

Weder Eltern noch Kinder wünschen sich eine Unterbringung im Heim. Stattdessen entstand die Idee einer "WG für Freunde". Martina Mehrer erklärt: "Unsere Kinder sind zu wahren Freunden geworden, sie möchten zusammen wohnen." Mit dieser Idee im Sinn trafen sich Eltern mit Oberbürgermeister René Pöltl, mehrere Gespräche verliefen positiv. 2016 stimmte der Gemeinderat dem Projekt einstimmig zu.

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Nun nimmt es in der Schützenstraße Nummer 6 Gestalt an: Das Haus aus den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts kann nicht behindertengerecht umgebaut werden, es wird abgerissen. Stattdessen wird ein behindertengerechtes Haus mit vier Zwei-Zimmer-Wohnungen entstehen. Jede Wohnung wird über zwei Einzel-Zimmer, eine Kochnische und ein Badezimmer verfügen.

Der Clou: Im Erdgeschoss und Souterrain mit Zugang zum Garten werden Räume für Nachbarn und Vereine zugänglich sein. Hier können sich beispielsweise Mutter-Kind-Gruppen treffen. Vorbild sind die habito-Projekte "Mehrgenerationenhaus Schweizer Hof" und die "Hausgemeinschaft Felix-Wankel-Straße 1" in Heidelberg. Im Jahr 2014 wurde das Wankel-Projekt sogar mit dem Inklusionspreis des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet. Emine Yildirim und Heiko Zillich von habito: "Wir sind Brückenbauer - wir bringen Menschen zusammen und geben ihnen Gelegenheit, in Beziehung zu treten."

Die Kosten für das Projekt betragen rund 1,9 Millionen Euro. Unter anderem wird sich die Stiftung "Aktion Mensch" an der Finanzierung beteiligen. Natürlich sammeln auch die Eltern Spenden, unter anderem mit Kuchen-Ständen. Martina Mehrer hat schon zweimal zugunsten des Projekts ein Benefiz-Konzert in der Katholischen Kirche von Plankstadt organisiert und selbst gesungen. Auch am 27. Dezember wird es wieder ein Konzert geben. Sohn Marc wird ebenfalls mitmachen.

Denn Marc gehört zu den acht künftigen Bewohnern der Schützenstraße 6: "Das Leben mit Freunden ist einfach noch mal so schön", ist er voller Vorfreude . Auch der 24 Jahre alte Julius ist dabei: "Ich liebe Schwetzingen und möchte in meiner Heimatstadt unbedingt wohnen bleiben."

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