Schwetzingen

Bevor das Wohngebiet kommt

Auf einen letzten Blick: Es gab großes Interesse an Führungen über das Pfaudler-Areal.

17.08.2021 UPDATE: 18.08.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 32 Sekunden
„Immer schön zusammenbleiben“: Herbert Rabl (vorne), Pressesprecher der Immobilienfirma Epple, führte die interessierten Bürger über das Pfaudler-Areal. Foto: Lenhardt

Von Harald Berlinghof

Schwetzingen. Die Firma Pfaudler war noch ein richtiger Industriebetrieb. Es wurde gehämmert, erhitzt, gebogen und emailliert. Große, im innern emaillierte Behälter für die Pharma- und Chemieindustrie wurden lange dort gefertigt. Auch für die regionalen Bierbrauereien. Längst ist die Firma an einen neuen Standort nach Waghäusel umgezogen, das Areal soll zu einem neuen modernen Wohnquartier von der Heidelberger Firma Epple weiter entwickelt werden. Am Dienstag bot sie den Schwetzinger Bürgern die Gelegenheit, einen letzten Blick in die menschenleeren Hallen der Industrie-Ruine zu werfen, bevor bis zum Jahresende auf dem Gelände Platz geschaffen wird für neue Wohngebäude. Und die Resonanz war gewaltig.

Hier pulsierte mal das Arbeitsleben, das vielen Menschen Lohn und Brot gab: Auch diese marode Betriebshalle in Stahlskelett-Bauweise sieht ihrem Ende entgegen. Foto: Lenhardt

Darüber freute sich auch Herbert Rabl, Pressesprecher der Firma Epple, beim Rundgang über das Gelände und durch die ehemaligen Hallen. Die beiden Führungen waren innerhalb weniger Stunden ausgebucht. Eine Obergrenze mit 30 Teilnehmern hatte man aus Corona- und aus Sicherheitsgründen festgelegt. Vier weitere Führungen am Donnerstag waren ebenfalls schnell belegt. "So haben wir noch mal sechs Führungen für kommenden Sonntag angeboten. Dafür gibt es noch Plätze", so Rabl. Dann ging es los. Mit Schutzhelmen machten sich 36 Besucher – neben den 30 Bürgern waren Vertreter der Presse und des Gemeinderats zusätzlich zugelassen – auf den Weg, ein letztes Mal die Stätten der Firma Pfaudler zu betreten. Für einige der Besucher waren es nostalgische Momente des Wiedersehens mit dem früheren Arbeitsplatz.

Franco Gualtieri war einer von ihnen. Das Innere der Hallen hat er angesichts seiner Tätigkeit damals kaum wiedererkannt. Sie sind entkernt, alle Maschinen entfernt. Menschenleer dominieren nur noch die kalte eiserne Mechanik unter der Decke und die Eisenträger an den Wänden, die die Hallen noch immer stützen. Entfernt man sie, werden die Hallen in sich zusammenbrechen. Das ist auch das Problem an der großen, denkmalgeschützten Wand der Haupthalle. Die Statik widerspricht einer kompletten Erhaltung.

Eine Schreddermaschine auf einem Hof des Firmengeländes. Foto: Lenhardt

Deshalb wird das Ziegelmauerwerk der 150 Meter langen und mindestens 20 Meter hohen Wand sorgsam abgetragen und nach der Entfernung der Metall-Tragekonstruktion mit den Originalziegeln wieder in der alten historischen Form aufgebaut. Den Erhalt der denkmalgeschützten Mauer hatte der Inhaber der Firma Epple von Anfang an zugestanden. Daran will man sich jetzt auch halten, auch wenn es eine aufwendige und teure Angelegenheit werden wird.

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Hans Pfisterer ist ein weiterer Mitarbeiter der Firma Pfaudler. Sein ganzes Arbeitsleben hat er dort verbracht in der Fabrikation, der Lackiererei und im Planungsbüro. 48 Jahre lang ist er morgens durch das Werkstor gegangen und abends wieder hinaus. Dabei kam der Hockenheimer täglich zu Fuß aus der benachbarten Rennstadt. "Das war mein Training. Morgens bin ich nach Schwetzingen gerannt und abends wieder zurück", sagt der zweimalige deutsche Vizemeister im Marathonlauf. Für ihn schwang beim Rundgang über das Pfaudler-Gelände eine große Portion Wehmut mit.

Wie verlassen: ein rostiger Metalleimer in einem Transportgitter. Foto: Lenhardt

"Der Schuttberg da hinten ist der Betonabraum des ehemaligen Forschungs- und Verwaltungsgebäudes", erläuterte Rabl. Die großen, leeren und zugigen Hallen sind 120 bis 160 Meter lang, zwanzig Meter hoch und dreißig Meter breit. Unter der Decke hängen noch die gelben Laufkräne. Einige der Stahlträger unter der Decke sind verbogen. Ein Teil der Decke am Ende der Fertigungshalle ist eingestürzt. "Immer schön zusammen bleiben, damit niemandem etwas passiert", betonte Rabl immer wieder. Fein säuberlich sind die verschiedenen Abraummaterialien bis fast unter die Decke aufgehäuft. Beton, Erdaushub, Rigips oder Gestein. Alles wird getrennt gesammelt, um die Kreislaufwirtschaft mit Recycling und die sortenreine Deponierung zu ermöglichen.

Von den Innenhöfen aus machten die Hallen einen maroden Eindruck. Geborstene Fensterscheiben da, bröckelnde Ziegel dort. Beim Blick hinter eiserne Türen zeigten sich rostige Elektroschränke, zusammenbrechende Schreibtische oder hölzerne Karteikartenkästen, die nie mehr jemand mit niedergeschriebenen Informationen füllen wird.

Fast alles ist längst kaputt: Alte Sicherungskästen in einer Halle. Foto: Lenhardt

Es ist auch ein Teil der lokalen Arbeitswelt der letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts, der hier zu Grabe getragen wird. Doch die Zeit von Pfaudler reicht ein Jahrhundert zurück. Aus den Anfängen des Industriebetriebs ist außer einigen maroden Gebäudeteilen und einem alten, still gelegten Gleisanschluss nichts mehr geblieben. Pfaudler geht, und das Areal der "Schwetzinger Höfe" kommt.

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