Das Gewann "Entenpfuhl" liegt auf Schwetzinger Gemarkung an der Grenze zu Ketsch und gehört dem Land Baden-Württemberg. Eine Unternehmensgruppe aus Neckarsteinach möchte dort eine Waldfläche so groß wie 60 Fußballfelder roden lassen. Foto: Lenhardt
Von Stefan Kern
Schwetzingen/Ketsch. Die Rollen in diesem Konflikt sind auf den ersten Blick klar verteilt: Auf der einen Seite die Unternehmensgruppe Krieger aus Neckarsteinach, die auf Kosten der Natur Geschäfte machen will. Denn die Firma möchte den Abbau von Baustoffen wie Sand und Kies ausweiten und dafür im Gewann "Entenpfuhl" 42 Hektar Wald roden lassen. Das wollen Bürger, Umweltschützer und Politiker verhindern. Das Gewann "Entenpfuhl" liegt auf Schwetzinger Gemarkung an der Grenze zu Ketsch und gehört dem Land Baden-Württemberg.
Doch so einfach ist es nicht: Schon jetzt könne der wachsende Bedarf aus regionalen Lagern kaum gedeckt werden, erklärt die Unternehmensgruppe. Deshalb müsse man immer mehr Baustoffe importieren - was einen beachtlichen ökologischen Nachteil bedeute. Die Rheinebene ist ein guter Standort für den Abbau von Sand und Kies. Das zeigen die zahlreichen Baggerseen in der Region. Zugleich boomt die Baubranche. Es wird mehr und vor allem größer gebaut. Im Jahr 1990 zählte das statistische Bundesamt deutschlandweit noch 34,8 Quadratmeter Wohnfläche pro Kopf. In nur 27 Jahren stieg diese Zahl um mehr als 30 Prozent (2017) an - und zwar auf 46,5 Quadratmeter pro Kopf. Bei mehr als 80 Millionen Bundesbürgern bedeutet das ein enormes Plus beim Baustoffverbrauch.
Für den Großraum Karlsruhe-Mannheim hat das laut der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) gar einen Liefer- und Versorgungsengpass bei der Bedarfsdeckung mit Sand zur Folge. Das von Umweltschützern ins Spiel gebrachte Recycling sei derzeit kaum zielführend, so die Behörde. Laut der Krieger-Gruppe wird in Baden-Württemberg nahezu jedes recyclingfähige Material wieder verwertet. Trotzdem könne man damit nur zehn Prozent des Gesamtbedarfs decken. Für die restlichen 90 Prozent müsse man weiterhin Primärrohstoffe nutzen. Deshalb will das Unternehmen am "Entenpfuhl" nun eine Waldfläche mit der Größe von rund 60 Fußballfeldern roden, um Sand und Kies zu fördern.
Aus Unternehmersicht zunächst kein ungewöhnliches Vorhaben. Der Zeitpunkt wirft jedoch Fragen auf. Temperaturrekorde, zu wenig Niederschlag, sinkende Flusspegel, Waldschäden und die "Fridays for Future"-Bewegung haben das öffentliche Bewusstsein für Umwelt- und Klimaschutz in den vergangenen Monaten geschärft. Umweltschützer, Bürgermeister und Parteien reagieren deswegen mit Unverständnis auf das Vorhaben der Krieger-Gruppe. In einer gemeinsamen Pressemitteilung sprechen die Jägervereinigung Mannheim, die Naturfreunde Ketsch, der Umweltstammtisch Ketsch sowie der BUND-Ortsverband Hockenheimer Rheinebene von "Fassungslosigkeit" angesichts des Projekts.
Das Vorhaben lag vor einigen Jahren schon einmal auf dem Tisch. Damals sei aber nur von 24,5 Hektar die Rede gewesen, sagt Gerd Welker, Vorsitzender der Naturfreunde Ketsch. Doch bevor das Projekt Form annahm, habe es geheißen, dass das Vorhaben wieder vom Tisch sei. Wie sich nun herausstellte, waren die Planungen jedoch lediglich ausgesetzt und sind wieder aufgenommen worden.
Das Landratsamt des Rhein-Neckar-Kreises hat für den 20. August zu einem sogenannten Scoping-Termin eingeladen. Dabei werde man entscheiden, wie detailliert und umfassend der vom Unternehmen zu erstellende Umweltbericht ausfallen müsse, erklärt Margarete Schuh, Leiterin des Wasserschutzamts und verantwortlich für das Genehmigungsverfahren. Bis man mit einer Entscheidung rechnen könne, werde mindestens ein Jahr vergehen. Für Welker und seine Mitstreiter ist das keine beruhigende Nachricht. Das Volumen des Projekts sei monströs, sagt er. Denn mit den 42 Hektar Wald - fast doppelt so viel wie ursprünglich geplant - würde nahezu der gesamte Baumbestand gefällt. Bei einem positiven Bescheid hätte das Unternehmen das Recht, 35 Jahre lang Sand und Kies in einer Tiefe von bis zu 35 Metern abzubauen.
Ein Sprecher des Unternehmens betont, beim ersten Scoping-Termin im Jahr 2016 sei deutlich geworden, dass die anberaumten 24,5 Hektar nur als Teilfläche beschrieben wurden. Ganz grundsätzlich sei das Gebiet im derzeit geltenden Regionalplan Rhein-Neckar als Vorranggebiet für den Abbau von Gesteinsrohstoffen ausgewiesen.
"Ein Unding ist aber, dass der Wald laut offiziellen Unterlagen als ökologisch nicht besonders wertvoll eingestuft wurde", kritisiert Frank Lück, Leiter des Hegerings Schwetzingen von der Jägervereinigung Mannheim. "Dabei ist dieser Wald ein Lebensraum für viele seltene Tiere."
Auch Gerd Welker von den Naturfreunden Ketsch kann mit dieser Einschätzung nichts anfangen. Der Entenpfuhl habe außerdem eine wichtige Funktion beim Klima-, Immissions- und Bodenschutz. Zudem ist er ein Erholungswald. Mit dem möglichen Sandabbau werde dies bedenkenlos beiseite gewischt. "Es ist einfach das falsche Signal in einer Zeit, in der sich unser zerstörerisches Verhalten immer mehr offenbart", betont Welker.