Im Kaiserreich wurden oft auch Bilder als Postkarten verschickt, wie auf diesem Beispiel aus Leimen. Foto: Kreisarchiv
Von Berno Müller und Stefan Hagen
Rhein-Neckar. Die Städte und Gemeinden des Rhein-Neckar-Kreises im Kaiserreich: Wie hat es damals in Weinheim, Sinsheim, Heddesbach, Plankstadt, Eberbach oder Wiesloch ausgesehen? Was hat sich verändert? Auskunft darüber geben Postkarten aus dieser Zeit - denn ein Teil dieser historischen Lebenswelten in den Städten und Gemeinden des heutigen Rhein-Neckar-Kreises ist auf den postalischen Botschaften an Freunde, Bekannte oder die Liebsten daheim festgehalten, die in der umfangreichen Postkartensammlung des Kreisarchivs in Ladenburg aufbewahrt werden.
Der historische Schatz von rund 7500 Postkarten erlaubt es, auf eine Zeitreise zu gehen, die vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die 1970er Jahre des 20. Jahrhunderts reicht. Im Mittelpunkt der neuen RNZ-Serie stehen aber "Die Grüße aus dem Kaiserreich" also der Zeit zwischen 1871 und 1918.
Vergleicht man die Bilder auf den illustrierten Postkarten mit den heutigen Ansichten eines Ortes, so erzählen die baulichen Veränderungen auf eigene Weise Stadtgeschichte. Bilder von Menschen und Landschaften, damals ganz modernen Fahrrädern mit Luftreifen oder Automobilen in den Straßen oder auf den Plätzen unterstreichen noch mehr, wie schnell die Zeit eigentlich vergeht.
Die Postkartensammlung des Kreisarchivs ist eine gute kulturhistorische Quelle, die zum Teil auch erlaubt nachzulesen, was die Menschen damals interessierte. Wenn kein schriftliches Datum in der Grußbotschaft festgehalten oder kein Druckdatum auf der Karte vermerkt ist, mag die genaue zeitliche Einordnung etwas schwierig sein.
So kann zudem zwischen der Produktion der Karte und deren Versendung auch eine gewisse Zeit verstrichen sein. Allerdings erlauben die öffentlichen Gebäude wie Schule oder Rathaus, Ansichten von Kirchen und Gaststätten schon gute Blicke durch das Zeitfenster in eine verschwundene Welt und illustrieren, was man damals für schön und sehenswert hielt. In loser Folge wird die RNZ nun eine kleine Auswahl dieser Ortsansichten aus dem Kreisarchiv vorstellen, aus einer Zeit, als der Kaiser, die Könige und Fürsten ihre Macht verloren, der Erste Weltkrieg zu Ende ging und in Deutschland Republik und Demokratie Einzug hielten, sich wirtschaftliche Rahmenbedingungen und damit auch das Aussehen der Städte und Gemeinden langsam änderten.
Den Auftakt machen Ansichten von Ketsch, Mauer, Leimen und Zuzenhausen. Generell fällt auf, dass die die damaligen Karten sowohl monochrom als auch farbig beziehungsweise koloriert auf den Markt gebracht wurden. Dabei sind in der Sammlung des Kreisarchivs sowohl Postkarten in der damals populären Druckgrafik vorhanden, aber auch gedruckte Fotografien, denn die damalige Zeit war auch hier eine des Übergangs von einem System zum anderen. Übrigens: Die Karten wurden damals meist vorne beschrieben - auf der Rückseite stand dann die Adresse.
Eine Ansicht der Enderle-Gemeinde Ketsch. Foto: Kreisarchiv
Die Ortsansicht von Ketsch stammt aus dem Jahr 1918 und zeigt den Blick von Süden auf die Gemeinde. Sie wird von der mächtigen, 1904 im neo-romanischen Stil erbauten katholischen Pfarrkirche St. Sebastian mit ihrem vierkantigen Glockenturm überragt, damals wie heute ein von ferne sichtbares Wahrzeichen. Die evangelische Kirche wurde erst 1958 erbaut. Gut zu erkennen sind die damaligen dichtgedrängten Bauernhäuser und Hofreiten, im Vordergrund eine Gänsewiese, die sich bis zum Altrhein erstreckt haben dürfte. Der Hirsch, ein auf Postkarten der Zeit relativ beliebtes Motiv, erinnert an die waldreiche Umgebung, die Vignette mit der Figur des Enderle an den sagenhaften Schultheiß, der sich gegen die Unterdrückung und die Ausbeutung durch die Obrigkeit auflehnte.
Ortsansichten von Mauer. Foto: Kreisarchiv
"Gruss aus Mauer": Die von Fr. Pieper Nachf. Friedenberg und Knipschild (Heidelberg und Schwetzingen) aufgelegte Ansichtskarte von etwa 1912 zeigt repräsentative Gebäude der Gemeinde. Die Zusammenstellung der Teilansichten, die von Blumenranken eingefasst sind, reicht über das imposante Gasthaus zur Krone über die evangelische Kirche im neugotischen Stil 1896 aus hellem Muschelkalk errichtet, die fast gegenüberliegende katholische Kirche St. Bartholomäus von 1876 bis zum neuen Schulhaus.
Ortsansichten von Zuzenhausen auf Postkarte aus der Zeit des deutschen Kaiserreichs. Foto: Kreisarchiv
"Gruss aus Zuzenhausen": Die von Wilh. Schütz Kunstanstalt, Eisenach, schön gestaltete Karte wurde am 27. April 1903 versendet. Neben dem Ortspanorama enthält die Karte vier Vignetten mit Detailbildern des Rathauses mit der Elsenzbrücke, des Schlossguts, der Bierbrauerei Adler und der von Bäumen umstandenen Burg, die im 17. Jahrhundert zerstört wurde und heute in Privatbesitz ist. Das Schlossgut Seehälde wurde ab 2008 behutsam saniert und ist nun landauf, landab wohlbekannter Teil des Trainings- und Geschäftsstellenzentrums der TSG 1899 Hoffenheim.
Die Postkarte aus Leimen zeigt die 1909 erbaute, heute als Portland Forum am Herrenberg genutzte Jugendstil-Festhalle der jetzigen HeidelbergCement AG in Leimen (damals: Portland-Cement-Werke Heidelberg und Mannheim AG) in Leimen mit einer Gruppe verletzter Soldaten. Die Festhalle war im Ersten Weltkrieg als "Reservelazarett XVII Cementwerk Leimen" (Stempel auf der Rückseite) genutzt worden. Die Karte wurde am 17. Oktober 1916 (Poststempel) von Emil Güttel an seinen Bruder Fr. Güttel, der in einem Infanterieregiment der 32. Division des 16. Armeekorps an der Westfront diente, verschickt. Er bedankt sich für dessen gute Wünsche und schreibt, dass er nun wieder gehen könne. Zudem schreibt er, "er werde ihn wohl noch erkennen?".