Wenige Tage nach dem Unglück verschafften sich Experten der Werkfeuerwehr in dem Rohrleitungsgraben einen Eindruck. Foto: B. Rössler
Von Alexander Albrecht
Frankenthal. Das Fazit des Abschlussberichts der Polizei ist eindeutig: Eine "Kette von Fehlentscheidungen", die der Angeklagte selbst getroffen habe, soll das schwere Unglück bei der BASF am 17. Oktober 2016 verursacht haben. Den Ermittlungen zufolge hat der heute 63-jährige Arbeiter einer Fremdfirma damals kurz vor 11.20 Uhr mit dem Winkelschleifer den fatalen Schnitt an der falschen, mit leicht entzündlichem Gas gefüllten Pipeline angesetzt. Eine vier Meter hohe Flamme schießt empor. Bilder der Überwachungskamera zeigen, wie sich der Mann Sekunden später mit brennender Kleidung auf dem Boden wälzt.
Während ein Kollege und der Brandschutzposten den Anzug des Arbeiters löschen und sich zu dritt aus dem Rohrleitungsgraben retten, treffen laut Polizeiprotokoll drei beziehungsweise sechs Minuten nach dem Notruf die ersten vier Wagen der Werkfeuerwehr an der Unglücksstelle ein. Während die Kameraden den Wasserwerfer aufbauen, tritt um 11.27 Uhr ein weißes Produkt aus der beschädigten Leitung. Mit ungeheurer Wucht katapultiert es eines der Feuerwehrautos einige Meter weiter an eine andere Stelle.
Eine Feuerwalze bricht über die Einsatzkräfte herein. Und es kommt noch schlimmer: Das Produkt zieht sich in die Leitung zurück, entzündet sich neu und löst mehrere Explosionen aus. Vier Werkfeuerwehrleute und der Matrose eines Tankmotorschiffs kommen ums Leben, mehr als 40 Menschen werden verletzt. Den Schaden beziffern die BASF und die Behörden auf eine halbe Milliarde Euro. Vier Tage nach der Katastrophe entdecken Kriminaltechniker einen zehn Zentimeter großen Schnitt an der betroffenen Leitung.
Der Angeklagte will sich erst nach sämtlichen Zeugenaussagen äußern. Der Kollege, der mit ihm zusammen die Rohrleitungen demontiert hat, sagt, der 63-Jährige habe im Krankenhaus betont: "Ich bin doch nicht verrückt. Ich habe da geschnitten, wo markiert war." Das ist die große Frage, die über dem Prozess vor dem Frankenthaler Landgericht schwebt: Sind die 28 Pipelines an der Unglücksstelle deutlich sichtbar gekennzeichnet worden? Dazu hat die Strafkammer bislang unterschiedliche Aussagen erhalten.
Der Kollege kann zur Aufklärung nur wenig beitragen. Er sei im entscheidenden Moment mit dem Anlegen von Spannungsgurten am Dehnungsbogen beschäftigt gewesen. Als er ein Zischen gehört und aufgeblickt habe, sei der Angeklagte "schon lichterloh in Flammen" gestanden. Eine durchgehende farbliche Markierung der Rohre hat es offenbar nicht gegeben. Wäre die angeschnittene Leitung vollständig farblich gekennzeichnet gewesen, so sagt ein Kriminalbeamter aus, hätte es nur sehr unwahrscheinlich zu einer Verwechslung der Pipelines kommen können.
Da es entsprechende Vorschriften bei der BASF jedoch nicht gab, habe auch niemand gegen Vorschriften verstoßen können. Kriminaltechniker fanden später am Anfang und Ende der angeflexten Leitung Striche mit Faserschreiber. Offen ist bislang, welche Vorgaben der Brandschutzposten einer ebenfalls externen Firma damals dem Angeklagten gemacht hat. Fest steht nur, dass beide am Morgen miteinander gesprochen haben. Nicht mehr exakt feststellbar ist, wo die Brandschutzdecken zum Unglückszeitpunkt lagen. Diese verhindern, dass sich Gase durch Funkenflug entzünden.
Info: Der Prozess wird am Dienstag, 12. März fortgesetzt.