Das Landgericht Frankenthal. Foto: dpa-Archiv
Von Alexander Albrecht
Frankenthal. Der Vorsitzende Richter Karsten Sauermilch flüchtet sich in Galgenhumor. "Ich gehe so in 15 Jahren in Pension - bis dahin werden wir es wohl geschafft haben", sagt er am Mittwochnachmittag angesichts des Scharmützels zwischen der Staatsanwältin und einem Verteidiger. Und eines Strafverfahrens gegen drei mutmaßliche Drogendealer, das sich in die Länge zu ziehen droht. Dabei arbeiten die Kammern des Landgerichts Frankenthal wegen mehrerer Großprozesse schon jetzt bis zum Anschlag.
Eigentlich soll sich das angeklagte Trio "zur Sache einlassen". Die Staatsanwaltschaft wirft Ringerlegende Pasquale Passarelli (61), dem italienischen Pizzeriabetreiber Stefano I. (63) und dem Kroaten Mile R. (70) unter anderem vor, seit Ende 2017 eine "professionell gemachte" Indoor-Plantage mit Cannabis-Pflanzen in einem Haus in Östringen aufgezogen zu haben. Mile R. soll zu diesem Zweck dort eingezogen sein und habe als "Gärtner" fungiert. Passarelli und Stefano I. halfen laut Staatsanwaltschaft bei der Aufzucht der Gewächse und übernahmen den "Vertrieb".
Die Ermittler entdeckten in dem "Drogenhaus" später auf allen Etagen und in mehreren Zimmern insgesamt 850 Cannabis-Pflanzen unterschiedlicher Größe. 17 Kilo des bereits abgeernteten und verkaufsfertigen Rauschgifts stellten die Fahnder zudem im Lokal von Stefan I. im pfälzischen Weisenheim am Sand sicher. Axel Küster, der Anwalt des Gastronomen, beklagt sich, dass ihm im Gegensatz zu den beiden anderen Verteidigern noch nicht das biologische Gutachten des Landeskriminalamts zugestellt worden sei. Erst wenn die Unterlagen vollständig vorlägen, wolle sich sein Mandant zu den Vorwürfen äußern.
Das bringt Staatsanwältin Gabriele Werner auf die Palme. "Es ist doch völlig normal, dass während eines Prozesses noch Akten und Stellungnahmen nachgereicht werden", empört sie sich und erinnert Küster an den Beschleunigungsgrundsatz im Prozessrecht. Dieser besagt, dass ein Verfahren so zügig wie möglich durchgeführt werden soll. Insbesondere dann, wenn die Angeklagten - wie in diesem Fall - in Untersuchungshaft sitzen. "Und abgesehen davon wird Ihr Mandant ja wohl wissen, was er gemacht oder nicht gemacht hat", ruft Werner dem Anwalt zu. Schließlich verschiebt die Kammer die Sacheinlassungen auf den nächsten Termin am 8. November und verabredet mit den Beteiligten zwei Zusatztermine im Januar.
Immerhin berichten die Angeklagten über ihr Leben - wobei Richter Sauermilch den mutmaßlichen Drogenhandel ausklammert. Passarelli, ehemaliger Olympiasieger im Ringen, kam 1963 nach Ludwigshafen, sein Vater war einer der ersten Gastarbeiter bei der BASF. Nach der Schule machte er eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker, gleichzeitig trieb er seine sportliche Karriere voran.
"Ringen ist kein Fußball", sagt Passarelli und grinst. Allein von den Einkünften als Amateursportler habe er nicht leben können. Als er zwischen 1982 und 1988 für Johannis Nürnberg in der Bundesliga auf die Matte ging, hätten die Zahlungen des fränkischen Vereins gerade gereicht, die Benzinkosten zu decken. Deshalb versuchte Passarelli zu Beginn der 80er-Jahre als Versicherungsvertreter Fuß zu fassen. Später gründete der Pfälzer seine eigene Baufirma, die jedoch 1996 pleite ging. Zunächst als Selbstständiger und für ein Jahr auch als Angestellter arbeitete Passarelli bis Herbst 2014 als Immobilienmakler.
"Dann bin ich krank geworden", sagt der einstige Weltklasse-Athlet, dem damals ein Halswirbel-Syndrom zusetzte, vermutlich eine Spätfolge des Ringens. Zuletzt habe er als "Mädchen für alles" in der Pizzeria seines Jugendfreundes Stefano I. gearbeitet und wollte die Internetpräsenz des Lokals verbessern.
Der Gastronom selbst kam 1959 von Italien nach Ludwigshafen, spricht allerdings nur schlecht Deutsch, blieb in der Schule zweimal sitzen und lernte wie Passarelli Kfz-Mechaniker. Stefano I. hat in seinem Leben aber auch als Autohändler und Schichtarbeiter bei BASF und John Deere, als Baggerfahrer und Betreiber eines Eiscafés sein Geld verdient. Er leidet an Speiseröhrenkrebs, hat mit seiner wesentlich jüngeren Lebensgefährtin zwei Kinder, fünf und elf Jahre alt - und hohe Schulden, die Stefano I. im Gerichtssaal auf 130.000 bis 140.000 Euro beziffert.
Für die Verbindlichkeiten muss aber wohl eher die Partnerin aufkommen, die offenbar Kauf- und Darlehensverträge für drei Immobilien in Weisenheim am Sand und das Östringer "Drogenhaus" unterschrieben hat. Die Häuser, sagt I., sollen einmal die Kinder übernehmen, "damit die was im Leben haben". Die Staatsanwältin seufzt: "Vier vollfinanzierte Häuser, na ja."
Offen berichtet Mile R. darüber, dass er sich mehrfach mit "Schwarzarbeit" durchgeschlagen hat. "Ist verjährt", meint Richter Sauermilch. Bei zwei Fragen der Anklägerin Gabriele Werner fällt Verteidigerin Katja Kosian dagegen Mile R. ins Wort. "Keine Angaben", funkt die Anwältin dazwischen. So erfährt die Öffentlichkeit am Mittwoch nicht, warum der 70-Jährige schon dreimal abgeschoben worden ist und weshalb er trotz seiner kroatischen Staatsbürgerschaft auch einen slowenischen Pass besitzt.