Die ersten Trabis werden am 10. November 1989 am Berliner Grenzübergang Checkpoint Charlie von unzähligen Menschen begrüßt. Foto: dpa
Neidenstein/Berlin. (sha) Anlässlich des 30. Jahrestags des Mauerfalls erzählen RNZ-Leser ihre persönlichen Ost-/West-Geschichten. Heute von Anja Keller aus Neidenstein.
Im Jahr 1981 besuchte mich meine amerikanische Freundin, wir waren damals beide 15 Jahre alt. Um ihr möglichst viel von Deutschland zu zeigen, beschlossen meine Eltern, mit uns und einer befreundeten Familie nach Berlin zu fahren. Dabei wollten wir auch in den Ost-Teil der Stadt, um die Brieffreundin meiner Mutter mit ihrer Familie zutreffen.
Deren Tochter war auch meine Brieffreundin. Schon die Fahrt auf der Transit-Strecke war ein Aha-Erlebnis, die "Autobahn" bestand aus Betonplatten, deren Übergänge dazu führten, dass es ziemlich holprig war. Außerdem wuchs in den Ritzen der Löwenzahn, was wir zu diesem Zeitpunkt noch lustig fanden. Wir verbrachten zunächst einen Tag in West-Berlin, um dann in den Osten zu fahren. Zunächst ging es zu einem "normalen" Grenzübergang. Unsere Bekannten fuhren voraus und kamen nach der obligatorischen Durchsuchung und Zahlung des Pflichtumtauschs ohne Probleme durch.
Als wir an der Reihe waren, bemerkten wir gleich, dass der Grenzpolizist anders reagierte. Nachdem er mit unseren Pässen verschwunden war und wieder auftauchte, erfuhren wir den Grund. Wir hatten eine Amerikanerin bei uns, die diesen Grenzübergang nicht benutzen durfte. Man sagte uns, dass sie den Checkpoint Charlie – also den Grenzübergang der Amerikaner – benutzen müsste.
Man wies uns an umzudrehen. Als wir darum baten, unsere Bekannten im Auto vor uns zu informieren, wurde uns verwehrt. Natürlich traute man sich da keine Widerworte. Nun machten wir uns Gedanken, wie unsere Freunde wohl reagieren würden. Also fuhren wir zum Checkpoint Charlie. Auch hier konnten wir nicht rüber, da meine Freundin noch nicht volljährig war. Sie durfte nicht alleine gehen, und wir konnten sie nicht begleiten, da wir keine Amerikaner waren. Was für ein Dilemma.
Ab da hatte ich schon gar keine Lust mehr und war extrem frustriert. Ziemlich bedröppelt standen wir an der Grenze und überlegten, was wir jetzt noch machen könnten. Da wurde ein deutscher Polizist auf uns aufmerksam und meinte, wir sollten es mal mit der U-Bahn versuchen, das ginge meistens ziemlich unkompliziert. Nun hatten wir aber den ganzen Kofferraum voller Geschenke für unsere Ost-Freunde, die konnten wir nicht mitschleppen.
So ging meine Mutter mit meiner Freundin in die U-Bahnstation und wir warteten, ob sie wieder zurückkommen – es gab ja keine Handys. Als sie nach einer Weile nicht wieder da waren, starteten wir einen neuen Versuch am ersten Übergang. Der Zöllner erkannte uns auch gleich und meinte süffisant, ob wir nicht schon mal da gewesen wären. Aber die Grenze konnten wir diesmal überqueren. Auf der anderen Seite warteten unsere Freunde, und mit ihnen sammelten wir meine Mutter samt amerikanischer Freundin ein. Jetzt wollten wir aber endlich unsere Ostberliner Freunde treffen. Da wir Probleme hatten, den Weg zu finden, fragte mein Vater zwei Jungs, die meinten, wenn sie mit fahren dürften, würden sie uns den Weg zeigen.
Also quetschten wir sie zu uns in den Mercedes, und sie lotsten uns zur vereinbarten Adresse. Als Dankeschön bekamen sie noch ein paar Kaugummis. Als die beiden sahen, dass wir auch Zigaretten im Auto hatten, fragten sie, ob sie auch eine Schachtel haben könnten. Mein Vater meinte, dafür wären sie ja wohl noch etwas zu jung. Sie fanden aber, die wären prima zum Tauschen, und so gab er ihnen ein Päckchen.
Das Treffen mit unsern Freunden war sehr schön, aber ich war regelrecht traumatisiert von diesen Ereignissen, dass es mir nicht wirklich Spaß machte, vor allem weil sie dauernd meinten, wir müssten aufpassen wegen der Stasi. Ich schwor mir, dass ich dieses Land nie wieder betreten würde. Erst nach der Wende traute ich mich wieder in den Osten.
Info: Die Rhein-Neckar-Zeitung freut sich auf weitere Ost-/West-Geschichten – gerne mit Foto – unter den Mail-Adressen rhein-neckar@rnz.de und stefan.hagen@rnz.de