Von Claus Weber
Heidelberg. Daniel Strigel freut sich aufs neue Jahr. Vom 24. Juli bis 9. August finden in Tokio die 32. Olympischen Sommerspiele statt. Nach den Erfolgen 2019 sollte die Metropolregion ein starkes Aufgebot nach Japan schicken. Auch wenn die meisten Qualifizierungs-Wettkämpfe erst noch bevorstehen, wie der 44-jährige Leiter des Olympiastützpunktes Rhein-Neckar im RNZ-Interview erklärt. Strigel weiß wovon er spricht. 2004 errang er mit der deutschen Degenmannschaft Olympia-Bronze in Athen.
Daniel Strigel. Foto: vafDaniel Strigel, war 2019 ein gutes Sportjahr für den Olympiastützpunkt?
Nicht wir, sondern die Athleten waren erfolgreich. Wir als OSP schauen, dass wir die Rahmenbedingungen schaffen. Denn: Wer sich so einsetzt, der hat es verdient, dass er die bestmögliche Förderung vorfindet.
78 Top-Platzierungen gab es im Jahr 2018. Wie sah es 2019 aus?
Die Zahl konnte noch einmal um rund ein Viertel gesteigert werden. Athleten aus Rhein-Neckar erreichten 108 Top-Ten-Platzierungen bei Welt- und Europameisterschaften im Junioren- und Erwachsenenbereich.
In Rio waren 36 Athleten aus der Metropolregion am Start. Wie groß wird das Aufgebot in Tokio sein?
49 olympische und paralympische Athletinnen und Athleten haben in den letzten 18 Monaten einen Platz unter den ersten Acht bei einer WM oder unter den ersten Vier bei einer EM erreicht. Das sind unsere strengen Kriterien für die Aufnahme in unser Team Tokio. Zur gleichen Zeit vor vier Jahren waren es 31. Wie viele Athleten davon letztlich das Olympia-Ticket lösen, lässt sich jetzt noch nicht sagen, weil in den meisten Sportarten erst jetzt die Qualifizierungen beginnen.
Aber es stehen auch schon Tokio-Teilnehmer fest?
Tischtennis-Spielerin Petrissa Solja aus Kandel und der sehbehinderte Nikolai Kornhaß vom Judoteam Heidelberg/Mannheim haben sich bereits qualifiziert, ebenso wie Denis Kudla und Eduard Popp vom neuen Bundesstützpunkt Ringen in Heidelberg. Die Hockey-Damen und Herren stehen fest, wir hoffen, dass Sportler aus Mannheim im Team stehen werden. Auch die Rollstuhl-Basketballer sind schon durch. Hier hat Svenja Mayer gute Chancen auf ein Ticket. Weitsprung-Weltmeisterin Malaika Mihambo aus Oftersheim und Speerwerfer Andreas Hofmann von der MTG Mannheim haben die Norm erfüllt, sind aber noch nicht nominiert.
Der Lampertheimer Max Lemke. Foto: dpaWas war Ihr persönliches Highlight 2019?
Dafür hat erneut der Lampertheimer Max Lemke gesorgt. Im letzten Jahr war es schon fantastisch, dass er zum zweiten Mal in Folge Kanu-Weltmeister wurde. Das hat er nun schon wieder geschafft. Dreimal Weltmeister – das ist was unglaublich Besonderes.
Es war die nicht einzige Spitzenleistung …
Natürlich. Der Weltrekord von Schwimmerin Sarah Köhler über 1500 Meter Freistil auf der Kurzbahn war schon eine Hausnummer.
Sarah Köhler. Foto: dpaKöhler ist im Sommer 2018 von Heidelberg an den Stützpunkt Magdeburg gewechselt …
Aber sie studiert nach wie vor Jura in Heidelberg und ist auch Teil des OSP und des Teams Tokio. Wir fördern nicht nach Vereinszugehörigkeit, sondern nachdem, wo die Sportler ihren Trainings- und Lebensmittelpunkt haben. Wenn wir sehen, dass jemand in einer anderen Trainingsgruppe besser aufgehoben ist, unterstützen wir das.
Mit Isabel Gose, Zoe Vogelmann oder Artem Selin sind drei junge Schwimmer des Stützpunktes in den Vordergrund getreten. Sie haben bei der Junioren-EM zusammen acht Goldmedaillen gewonnen.
Das war für mich nicht überraschend, auch wenn ich es nicht für selbstverständlich halte. Ihre Leistungsentwicklung war in den letzten Jahren definitiv auffällig, die Persönlichkeitsentwicklung beeindruckend.
Haben die drei sogar Chancen auf Olympia?
Ich fände es ganz toll, wenn sie Olympia schon sehen dürften. Es wäre für die weitere Entwicklung das Optimum: In jungen Jahren nach Olympia und sich dann in den beiden nächsten Zyklen etablieren und auch Erfolge feiern. Wenn man sich eine Laufbahn wünschen könnte, dann eine solche.
Und dann war da noch der WM-Titel von Weitspringerin Malaika Mihambo aus Oftersheim …
Natürlich, das war super und hat alles überstrahlt. Auch, weil es eine mediale Sportart ist. Deshalb darf man sich über die anderen aber nicht minder freuen.
Zum Beispiel?
Zum Beispiel über Ringer Denis Kudla. Er war in den letzten Jahren gigantisch stabil in seinen Leistungen. Oder über die Boxer. Mit Irina Schönberger, Maya Kleinhans, Hamza Touba und Kastriot Sopa haben sich kurz vor Weihnachten in Kienbaum vier Athletinnen und Athleten aus Heidelberg national durchgesetzt und dürfen jetzt um die europäischen Tickets nach Olympia kämpfen.
Was war für Sie die größte Überraschung 2019?
Dass die Siebener-Ruby-Nationalmannschaft Europameister wurde. Das konnte man nicht erwarten, nachdem sie kurz zuvor wegen Verletzungspech die Olympia-Quali verpasst hat.
Es gab aber auch Meisterschaften, die anders als erhofft gelaufen sind.
Klar, daran sieht man, dass Leistungssport nicht kalkulierbar ist. Man denke nur an die Speerwerfer bei der WM. Weder Europameister Thomas Röhler noch Vize Andreas Hofmann schafften es ins Finale. Das ist nicht tragisch. Nicht immer ist ein großer Erfolg in der Vorbereitung auf Olympia ein Vorteil. Man kann an der Favoritenbürde scheitern. Allerdings kann man an ihr auch wachsen.
Schwimmer Philip Heintz hat das vorolympische Jahr genutzt, um Wettkampfhärte zu trainieren. Die Ergebnisse – Platz vier bei der WM und Platz zwei bei der Kurzbahn-EM – waren für ihn zweitrangig.
Er hat damit ganz viel Reife bewiesen und mit Mut und Selbstvertrauen seinen eigenen Rhythmus zwischen Training, Wettkampf und Regeneration gewählt. Das hat mich beeindruckt. Ich hoffe, dass er in Tokio startet und dort seine persönliche Bestleistung zeigen kann.
Mit welchen Erwartungen starten Sie ins olympische Jahr?
Ich hoffe, dass alle gesund und unverletzt bleiben und sich ihren Traum von Olympia erfüllen können. Ein Athlet kann sich eine Leistung vornehmen, das Ergebnis hängt aber auch von den Mitbewerbern ab.