Von Harald Berlinghof
Schwetzingen. Lagonda, Jaguar, Ferrari, Rolls-Royce, Maserati: Klangvolle Namen, die besonders bei Liebhabern von Oldtimern Gänsehaut erzeugen. Ein zebragestreifter Grade-Rennwagen von 1921, der bei der Eröffnung der Avus-Rennstrecke dabei war. Ein roter DeDion Bouton von 1908, der als treuester Teilnehmer am "Concours d’Elegance" ausgezeichnet wurde. Und weitere Perlen der Automobilgeschichte: Zündapp Janus, BMW Isetta, Goggomobil und Lloyd. Und viele andere Kleinwagen der 1950er und 1960er Jahre.
Am Samstagvormittag müssen die Besucher der Classic-Gala Schwetzingen - wo rund 150 prächtige Oldtimer gezeigt werden - noch die ein oder andere Pfütze auf dem Kiesweg umgehen. Die Besitzer der Schätzchen putzen und polieren derweil jeden Tropfen vom historischen Lack und vom glänzenden Chrom. Regen, Rost und neugierige Besucher, die ihre Finger nicht im Zaum halten können, zählen bei jeder Oldtimergala zu den schlimmsten Feinden der Aussteller. Doch um die Mittagszeit hat der Wettergott ein Einsehen und lässt die Sonne ein bisschen durch die Wolken blinzeln. Alle hoffen auf den Sonntag und besseres Wetter, aber auch der bleibt zunächst wolkenverhangen, bis dann doch die Sonne durchbricht.
Ein Borgward Kleinlaster Pritschenwagen von 1959 eröffnet den Reigen der Fahrzeuge für den kleinen Mann. Von einem Fiat Topolino mit offener Ladepritsche aus dem Jahr 1951 existieren vermutlich noch weniger als zehn Stück. In Brindisi hat er Steine und Zement geschleppt, ein späterer Besitzer hat Fische an Gaststätten damit ausgeliefert. Einem Framo-Kleinlaster aus der ehemaligen DDR erging es mit seinen sieben PS nicht viel besser.
Elvis ist am Hirschbrunnen des Schlossgartens, wo die Kleinwagen aufgereiht sind und die amerikanischen Straßenkreuzer aus derselben Zeit direkt nebenan folgen, nicht zu überhören. Zeitlich passt das ja.
Die Stimmung ist gut, hier feiert die Ära des Rock’n’Roll eine wahre Renaissance. In Deutschland sind damals Autos herausgekommen wie die BMW Isetta oder der Messerschmitt Kabinenroller, in den USA die Heckflügler von Cadillac oder der Chrysler Lettercar 300G, an dessen Heckflossen man sich vorsichtig vorbeimogelt, so spitz und gefährlich wirken sie.
Der Kontrast zu den Nachbarautos könnte gar nicht größer sein. Runder und kleiner geht es wohl nicht mehr als beim Brütsch Zwerg von 1955. Der winzige Einsitzer, dessen Name wohl nur noch wenigen eingeweihten Fans bekannt ist, wurde 1955 mit einer der ersten glasfaserverstärkten Kunststoffkarosserien gebaut. Mit sieben PS schaffte der an einen Autoscooter vom Rummel erinnernde Zwerg 95 Kilometer pro Stunde.
Wer aus der älteren Generation erinnert sich nicht an den Zündapp Janus, in den man durch Heck- und Fronttür steigen musste. Fahrer und Beifahrer schauten nach vorn auf die Straße, die beiden Mitfahrer blickten nach hinten durch die Heckscheibe auf den nachfolgenden Verkehr. Putzig und sympathisch kommen die Gesichter der Messerschmitt Kabinenroller daher. Die in Schwetzingen gezeigten Varianten tragen an ihren winzigen Frontscheinwerfern Sonnenblenden - die angeklebten Wimpern ähnlich sind und dem Auto ein feines, feminines Gesicht geben.
Was hat fünf Buchstaben und drei Räder? Der Tempo Kleinlaster. Dreiräder mit nur einem Vorderrad waren in den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Deutschland schwer in Mode - weil Dreiräder ab 1929 eine Steuerbefreiung erhielten und eine Zeit lang sogar ohne Führerschein gefahren werden durften. Bei solchen Vorteilen stiegen auch andere Kleinlasterhersteller wie Goliath oder Vespa ein.
Und dann gibt es noch das Auto mit der längsten Motorhaube. Mit seinen 5,85 Meter Gesamtlänge schlägt der Lincoln Continental Mark V Baujahr 1979 alle anderen in Schwetzingen anwesenden Oldtimer. Als "waagrechter Wolkenkratzer" wurde er von der Zeitschrift "Auto, Motor, Sport" damals bezeichnet. Aber auch mit der Kritik bedacht, man fühle sich beim Fahren, "als ob man ein rollendes Wasserbett steuert".