Schon im Jahr 2003 führte der Rhein nach anhaltender Trockenheit extrem wenig Wasser. Auch unweit der Salierbrücke bei Speyer traten damals die Sandbänke hervor. Foto: Wittek
Von Harald Berlinghof
Mannheim.Im Jahr 2003 gab es das auch schon. Dass die Schifffahrt am Rhein wegen extremem Niedrigwasser eingeschränkt werden musste. Die so genannten Buhnen – Steinaufschüttungen, die im Uferbereich die Fließgeschwindigkeit des Rheins senken sollen – traten am Flussufer an die Oberfläche. Doch das Niedrigwasser am Oberrhein zwischen Juli und Dezember 2018 übertraf alles bisher Dagewesene. Beim 17. Hochwasserschutzforum in Mannheim befassten sich die Referenten auch mit diesem Thema.
"Es gab zwei Faktoren, die zum Niedrigwasser beitrugen", erläuterte Jörg Uwe Belz von der Bundesanstalt für Gewässerkunde Koblenz. "Wir hatten zu viel Temperatur und zu wenig Regen", meinte er. Ein Fünftel des normalen Niederschlags habe man 2018 gehabt. In Ostdeutschland war die Situation an Elbe und Oder allerdings noch schlimmer als in Süddeutschland. 2019 kam man an Rhein und Donau glimpflich davon. In anderen Landesteilen nicht.
Auch das "Wasserschloss Alpen", das den Rhein mit Wasser speist, hat 2018 nicht funktioniert. Für 2019 habe man eine günstigere Wasserversorgung des Rheins gehabt aufgrund der Schneefallereignisse im vergangenen Winter in den Bergen. Die Schneeschmelze, die sich in großen Höhen erst im Frühsommer vollzieht, hatte dabei einen mildernden Einfluss auf sinkende Pegel. Die Befürchtung allerdings, dass der Rhein steigt, wenn die Alpengletscher wegen der globalen Erwärmung weiter abschmelzen, teilt er nicht. Der Gletscherabfluss macht nur etwa zehn Prozent der Wassermenge des Rheins aus. Bei extremen Niedrigwasser liegt der Anteil bei 17 Prozent. Wenn der Gletscherabfluss ganz ausbleibt, wäre eine spürbare Auswirkung auf den Pegel in Niedrigwassersituationen möglich. Eine Hochrechnung bis 2100 habe ergeben, dass man ab 2050 mit häufigeren Niedrigwasserpegeln zu rechnen habe. Man habe bereits seit 2015 statistisch abflussschwache Jahre bei hohen Temperaturen und wenig Regen gehabt. Die CO2-Begrenzung sieht er als einzig wirksame Gegenmaßnahme. "Wenn wir nichts tun in dieser Hinsicht, wird alles noch schlimmer".
Man habe am Rhein über lange Jahre, eigentlich seit 1972, günstige Pegelverhältnisse gehabt. Die Partikuliere und Binnenschiffbetreiber schafften deshalb größere Schiffe an. Das hat sich 2018 gerächt. Dazu berichteten Unternehmensvertreter der Badischen Stahlwerke aus Kehl, des Logistik-Dienstleisters Contargo in Mannheim sowie des Ludwigshafener Chemiekonzerns BASF.
René Bühler von den Badischen Stahlwerken erläuterte, dass seine Firma 60 Prozent des Rohmaterials, das sie verarbeitet, per Schiff angeliefert bekommt. Aufgrund des niedrigen Pegels konnten die Schiffe 2018 statt 2000 Tonnen nur 650 Tonnen transportieren. Es gab nicht genügend Binnenschiffe, um die Ausfallquoten auszugleichen. Mit der Folge, dass die Stahlwerke ihre Produktion um zehn Prozent herunter fahren mussten. Eine Verlagerung auf Bahn und Lkw war wegen fehlender Kapazitäten auch nicht möglich. 250.000 Tonnen Stahl habe man dadurch weniger produziert und verkauft. Die Kunden wurden enttäuscht. Einige wechselten zu anderen Anbietern und kamen nicht mehr zurück. Das könne ja immer wieder passieren, sei die Begründung gewesen.
Im Binnenschiffer-Jargon heißt Niedrigwasser "Kleinwasser". Heinrich Kerstgens von Contargo, dessen Logistik-Firma neben Lkw und Bahn zu 73 Prozent das Binnenschiff als Transportmittel einsetzt, erläuterte, dass die Transportkosten bei Kleinwasser steigen. Die Schiffe müssen langsamer fahren, erfahrene Besatzungen, "die wissen, wo die Felsen liegen", müssen zusätzlich als Lotsen auf den Schiffen eingesetzt werden, und die Schiffe transportieren weniger Ladung. Man habe jetzt reagiert und für Notfälle "einen eigenen Zug in Mannheim stationiert, der aber auch Geld kostet". Man habe Notfahrpläne ausgearbeitet und begonnen, mit eigenen Ingenieuren die Schiffskonstruktionen für Niedrigwasser zu optimieren.
Bei der BASF setzt man nach den negativen Erfahrungen des vergangenen Jahres auf verbesserte Pegelvorhersagen. Die großen Anlagen lassen sich nicht einfach abschalten und bei Bedarf wieder hochfahren. "Wenn bei uns an der Rohstoffanlieferung, also am Anfang der Nahrungskette, etwas nicht passt, hat das Auswirkungen auf die gesamte Produktion", so Max Bangert von der BASF. Die übliche Zwei-Tage-Vorhersage reicht da nicht aus.
Mit neueren Instrumenten lasse sich eine Pegelwahrscheinlichkeit bis zu sechs Wochen im Voraus errechnen. Allerdings kann das System nur eine Bandbreite kalkulieren, innerhalb derer sich der Pegel bewegen wird. Aber auch davon verspricht man sich einiges bei der BASF. Auch das Chemieunternehmen transportiert rund 60 Prozent seiner Rohstoffanlieferungen mit dem Binnenschiff. Eine Verlagerung auf Lkw würde 2000 Lastwagen zusätzlich pro Tag bedeuten, die das Werk in Ludwigshafen anfahren müssten.