Nicht immer waren die Instrumente in den Operationssälen „sauber“. Foto: Anspach
Von Alexander Albrecht
Mannheim. Im Prozess um den Hygieneskandal am Mannheimer Uniklinikum hat der frühere Referent des Ärztlichen Direktors und heutige Geschäftsbereichsleiter den angeklagten Ex-Krankenhauschef Alfred D. entlastet. Der Zeuge berichtet am Dienstag im Landgericht von einer Abteilungsleiter-Konferenz im Herbst 2013. Damals habe Alfred D. die klare Direktive ausgegeben, dass für die Wartung und den jährlichen "Qualitäts-Tüv" die Zentrale Sterilgutversorgung ("Steri") im Haus zuständig sei. Die Operateure sollten die Siebe mit gereinigten und desinfizierten Instrumenten vor Eingriffen aber noch einmal prüfen.
Anlass für die Dienstanweisung waren Hinweise eines Unfallchirurgen. Er hatte nach Knie-Operationen bei Patienten Entzündungen festgestellt. Später wurden im Labor Keime nachgewiesen. Die "Steri" fiel damals in die Zuständigkeit des einstigen Leiters der Personal- und Logistik-Abteilung. Er war auch bei der erwähnten Besprechung zugegen. Doch sei der Mann beratungsresistent gewesen, so der Zeuge. Bei einem Gespräch mit ihm, einem auf Hygiene spezialisierten Arzt und einem Professor für Mikrobiologie habe er sich plötzlich entschlossen, wegen knurrenden Magens nach Hause zu fahren.
"Das war ein desaströser Abend", erinnert sich der Zeuge. Denn es sei bei der Unterredung zudem um fehlende Fachkenntnisse der Mitarbeiter im "Steri" gegangen. Eine weitere Führungskraft habe dieses Thema mit den Worten "abgebügelt", die Vorgaben des Robert-Koch-Instituts ließen hier genügend Spielraum. Der Einkaufsleiter habe auch das Angebot des Pflegedirektors dankend abgelehnt, den personell stark unterbesetzten "Steri" mit Pflegepersonal aufzustocken. Der ehemalige Referent vermutet, dass sich Personal- und Einkaufschef nicht in die Karten schauen lassen wollten, weil sie möglicherweise Zielvereinbarungen nicht einhalten konnten. Dass die Stimmung in der Sterilgutversorgung in dieser Zeit im Keller und der Krankenstand exorbitant hoch war, führt der Zeuge auch auf den früheren "Steri-Chef" zurück, der offenbar mit seiner polternden Art die Mitarbeiter herunterputzte und sich Einmischungen "von außen" verbat.
Als Alfred D. darüber und über ein bei Proben entdecktes, verkeimtes OP-Sieb unterrichtet wurde, sei dieser "explodiert", sagt der Ex-Referent. Der Geschäftsführer stellte für den "Steri" neue Kräfte ein, darunter Leiharbeiter. Die Situation entspannte sich. "Die Hygiene und die Sicherheit der Patienten waren ihm sehr wichtig", betont der Zeuge. Als im Oktober 2014 nach einer Kontrolle des Regierungspräsidiums die Affäre hochkochte und bundesweit Schlagzeilen schrieb, räumte Alfred D. den Posten. Der Personalchef akzeptierte später einen Strafbefehl über 90 Tagessätze, ansonsten wäre auch sein Fall vor Gericht gelandet. D.s Verteidiger widerspricht indes am Dienstag Gerüchten, sein Mandant habe stets auf die Kostenbremse gedrückt, um Gewinne zu machen und damit selbst mehr Geld zu verdienen.
Der Geschäftsführer eines Spezialunternehmens, das seit Herbst 2014 für die Klinik tätig ist, schildert die früheren Prozesse beim Reinigen und Desinfizieren des OP-Bestecks. Danach seien einige Skalpelle, Scheren und Zangen in anderen Klinikabteilungen "vorgewaschen" worden. Anschließend kamen sie unterirdisch in elektronisch programmierten Wagen zum zentralen "Steri". Doch das konnte dauern. Denn über den gleichen Weg wurde auch das Essen für die Patienten transportiert – das "und alles andere" hatten Vorrang. "Die Wagen mit den Instrumenten standen an letzter Stelle oder wurden in Buchten zwischengeparkt", sagt der Experte. "Nach 20 Uhr bewegte sich stundenlang nichts mehr."
Inzwischen sind die "Außenposten" aufgelöst worden. Die Wagen werden von Mitarbeitern geschoben. Nach dem Skandal tauschte das Krankenhaus die Bestecke für einen hohen Millionenbetrag komplett aus. Dabei hätte man 20 bis 30 Prozent davon noch nutzen können, glaubt der Firmenchef. Die Leitung des "Steri" sei "hoffnungslos überfordert" gewesen, dabei wäre es ihre Aufgabe gewesen, die "Tüv"-Abnahme der Geräte zu organisieren. Ein Teil der Mitarbeiter hätte nicht mal über den "Fachkunde-nachweis 1" verfügt. Dieser setzt bei nicht-medizinischem Personal ein halbjähriges Praktikum, eine zweiwöchige Intensivschulung und neun Monate Alltagspraxis voraus. Erst dann dürfe jemand die Geräte ohne Aufsicht bedienen, weiß der auch als Gutachter tätige Zeuge.