Wilfried Rosendahl erklärte, was einem die Natur heute über die Eiszeit vor rund 20 000 Jahren verrät. Foto: Tröster
Von Harald Berlinghof
Mannheim. "Tief unter unseren Füßen liegt die Mannheim-Formation", erklärt Professor Wilfried Rosendahl den Teilnehmern an seinem "Eiszeitspaziergang" zum Mannheimer Naturschutzgebiet "Glockenbuckel", einer eiszeitlichen Sanddüne. Die größte Mächtigkeit der tief liegenden Kiesformation erreicht sie in Richtung Heidelberg mit einer Dicke von etwa 70 Metern.
Die geologische Formation, die den Namen der Quadratestadt trägt, besteht primär aus Kies und ist hoch durchlässig als Wasserspeicher. Den Sand, der üblicherweise zwischen dem Kieselgestein zu finden ist, hat vor Hundert- und Zehntausenden Jahren ein eiszeitlicher Wind aus dem Gesteinsgemisch heraus geblasen und als Sanddünen entlang des Rheins abgelagert. Den noch feineren Lößboden hat der Wind nicht entlang des Rheins zu Dünen aufgehäuft, sondern bis zum Rand des Odenwalds getragen. In Heidelberg-Ziegelhausen liegt die Formation, die dem Löß seinen Namen gab.
Die Region ist also auch in geologischen Standardwerken keine unbekannte. Umso spannender die Führung von Rosendahl, dem designierten Generaldirektors der Reiss-Engelhorn-Museen (rem). Bekanntlich wird er am 1. Januar Nachfolger des scheidenden bisherigen rem-Chefs, Professor Alfried Wieczorek.
"Die gegenwärtige Temperatur mit um die 20 Grad, wäre in der letzten Kaltzeit der letzten Eiszeitperiode hochsommerlich gewesen", sagt Rosendahl. Im Rahmen der "Buga-Plattform" mit regelmäßigen Veranstaltungen zu den Leitthemen der Bundesgartenschau im Jahr 2023 rund um Klima, Umwelt, Energie und Nahrungssicherung, referiert der Experte vor Ort am "Glockenbuckel" in der Nähe des Wasserwerks Käfertal, wie das Klima zur Zeit der Entstehung der Sanddünen gewesen ist.
Es war einst kalt, aber fast immer trocken. Kein Schnee fiel auf die eiszeitlichen Sanddünen. Es gab keine Wolken, weil alles Wasser im Eis der gewaltigen, bis in gemäßigte Zonen reichenden Polkappen gebunden war. In der Folge gab es kaum Vegetation im Bereich der Dünen. Der Rhein wurde gespeist aus den Gletschern der Alpen. Die Binnendünen entlang des verflochtenen, heftig mäandrierenden und sumpfigen Rheins bis südlich von Karlsruhe waren beliebtes Siedlungsland, weil man dort auch bei Hochwasser trockene Füße behielt. Auch das Kloster Lorsch steht auf so einer Düne. Die in Baden-Württemberg höchste Binnen-Sanddüne entlang des Rheins findet sich mit 20 Metern Höhe in Oftersheim.
Und aus der Form der Sanddünen kann Rosendahl die häufigste Windrichtung in Mannheim während der letzten Eiszeit ableiten. Der Sand wird an Hindernissen, die den Wind verlangsamen, abgeladen. "Dann kann der Wind den Sand nicht mehr halten", so Rosendahl. So hat jede Sanddüne eine flach ansteigende Fläche dort, wo der Wind herkommt (Luv) und eine steil abfallende im Wind abgewandten Bereich (Lee). Bezüglich der Windrichtung war in der Eiszeit alles wie heute. Er kam überwiegend aus West bis Südwest.
Die letzte Eiszeit hatte ihren Höhepunkt vor etwa 21.000 Jahren und ging vor rund 10.000 Jahren zu Ende. Das ist geologisch betrachtet ein Wimpernschlag. Im Vergleich: Der Oberrheingraben als europäische Nahtstelle ist bereits vor 50 Millionen Jahren entstanden. Vorläufer der Nilpferde konnten diese geologische Schneise am Rhein entlang bis London hinauf traben. Geologisch gab es noch keinen Brexit. England hatte sich noch nicht vom Resteuropa abgespalten.
Eine der Hauptursachen für die zyklisch auftretenden Eiszeiten sind Veränderungen der Erdumlaufbahn. Tatsächlich kreist die Erde nicht kreisrund um die Sonne. Auch die Erdachse eiert ein wenig. Die Form der elliptischen Erdumlaufbahn um die Sonne ändert sich mit einer Periode von etwa 100.000 Jahren, die Neigung der Erdachse zur Umlaufbahn mit einer Periode von etwa 40.000 Jahren.