Die Maßnahmen für den Hochwasserschutz am Rhein reichen bis in die Wohngebiete von Ludwigshafen-Oggersheim. Foto: Döring
Von Andrea Döring
Ludwigshafen. Schilfumsäumt windet sich der Oggersheimer Altrheingraben in sanften Kurven zwischen Frankenthal und Ludwigshafen-Edigheim, wo er früher schnurgerade schier endlose Felder durchschnitt. Der erste von vier Bauabschnitten der Renaturierung des Altrheingrabens ist abgeschlossen.
*
Auf der Bocksbrücke zwischen Oppau und Frankenthal herrscht reger Feierabend-Fahrradverkehr, oft sieht man die roten BASF-Vehikel. Mit dem Fahrrad sind auch die meisten Interessierten zur Brücke gekommen. Hier beginnt ein Spaziergang entlang des Grabens, geleitet von der Leiterin des Projektes, Landschaftsplanerin Ulrike Monath und Rainer Ritthaler. Sie zeigen eines der größten Projekte des Gewässerkonzepts 2020. Ludwigshafen und Frankenthal haben dafür zusammengearbeitet. Doch nicht nur die pfälzischen Nachbarstädte, sondern zum Beispiel auch Worms und Weinheim, Mannheim und Heidelberg brauchen in Zeiten des Klimawandels gemeinsamen Natur- und Hochwasserschutz, macht die Führung deutlich.
Im abgeschlossenen ersten Bauabschnitt kann man erkennen, dass die Renaturierung des Grabens nicht nur den Menschen zugute kommt. In den 1960er Jahren hatte man ihn in ein enges, gerades Bett mit steilen Ufern gezwängt. Alte Karten zeigen, dass der Altrhein hier vorher in Windungen verlief. In den neuen kleinen Buchten, die sich durch den jetzt mäandernden Verlauf und die flacheren Böschungen mit vielen Pflanzen unter und über Wasser bilden, können Fische, Frösche und Vögel gut geschützt für Nachwuchs sorgen. Durch die nun größere Oberfläche kann der Altrheingraben bei Rhein-Hochwasser oder Starkregen viel mehr Wasser aufnehmen.
So sollen herausgedrückte Kanaldeckel oder überflutete Keller bei den Anrainern der Vergangenheit angehören. Doch nicht alle Hausbesitzer sind begeistert von der Renaturierungs-Maßnahme. "Es gab Zoff", meint einer der Anwohner. Kaputte Abwasserrohre, deren Lage im Laufe der Jahre bei den Behörden in Vergessenheit geraten war, sorgten für nasse Füße im Keller. Auch der Pflegeweg hinter dem kleinen Bach, der die Grundstücke früher begrenzte, bereitet den Anwohnern Sorge. Jugendliche, die hier feiern, oder gar Einbrecher könnten Zugang zu ihren Gärten und Häusern finden, befürchten sie. Monath und Ritthaler versprechen, mit den Hausbesitzern im Gespräch zu bleiben.
Ritthaler erweitert dann den Blick vom Altrheinarm zwischen Oggersheim und Edigheim auf Frankenthal, Bad Dürkheim und das große Ganze. "Hochwasserschutz kann nicht nach dem St.-Florians-Prinzip funktionieren", erklärt er. Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, ja Deutschland, die Schweiz, Frankreich und die Niederlande müssten beim Natur- und Hochwasserschutz zusammenarbeiten. Ein Teil der Gelder für die Renaturierung des Altrheinarms kam von der "Aktion Blau" und dem Nachfolgeprogramm "Aktion Blau Plus" des Landes. Bereits über 1400 Projekte zur Verbesserung der Gewässer hat Rheinland-Pfalz seit Einführung der Aktion im Jahr 1995 umgesetzt. Betonfassungen entfernen, Überflutungsflächen für Fische oder bedrohte Amphibien anlegen und den Schutz vor Hochwasser verbessern: Das alles gehört dazu. Breite Auen und Uferränder verhindern auch, dass Pestizide oder Dünger von den Äckern ins Wasser gelangen. Rund eine Million Euro kostete der erste Bauabschnitt am Altrheingraben, rund 1,7 Millionen werden für den zweiten benötigt. Rund 90 Prozent davon übernimmt das Land. Riesige Erdmengen werden bewegt. Auf einer Fläche von etwa fünf Hektar, wo die Äcker früher bis ans Wasser heranreichten, sollen sich später Fische und Vögel tummeln. Die Stadt hofft, dass das Wasser so besser von den Häusern fern bleibt. Rund 9000 Quadratmeter tonartiges Material wird den am tiefsten gelegenen Bereich, die Gewässersohle, abdichten. Ein etwa ein Meter hoher Damm soll vor Hochwasser schützen. Drumherum werden Wiesen, Büsche und Bäume wachsen.
Reservat für Pflanzen und Tiere
Mit dem Rad oder zu Fuß kann man dann wahrscheinlich ab November auf einem neuen Weg die Natur genießen. Ein kleines Reservat, in dem Tiere und Pflanzen zumeist unter sich sind, soll ein Polder mit 4600 Kubikmeter Volumen auf einem ehemaligen Bahngelände werden.
Dieser Polder soll Anlieger vor Hochwasser schützen und zusätzliches Rückhaltevolumen für den geplanten Umbau einer Regenwasser-Behandlungsanlage bereithalten. Fast 500 Meter soll der Graben an dieser Stelle breit werden. Wenn die Bagger fertig sind, wird auch hier Schilf die Ufer des Oggersheimer Altrheingrabens säumen.