Das sind die Probleme bei der Sanierung der Hochstraßen
"Keiner blickt mehr duchr" - Abriss immer wieder verschoben

Die Hochstraße Nord ist der Hauptzubringer zur Kurt-Schumacher-Brücke, die über den Rhein zwischen Ludwigshafen und Mannheim führt. Abriss und Neubau der Trasse soll nun der Sanierung der Südbrücke vorgezogen werden. Foto: Kay Sommer
Ludwigshafen. (dpa-lrs) Es ist eine Operation am offenen Herzen - mit dem Problem, dass das Herz aus massivem Beton besteht und rund 200.000 Tonnen wiegt. Auf wuchtigen Säulen thronen die Hochstraßen in Ludwigshafen am Rhein, sie sind Lebensadern einer ganzen Region. Doch die Verkehrswege mit großer Bedeutung für den Weltkonzern BASF und Zehntausende Pendler zwischen Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg sind in die Jahre gekommen. Sie müssen saniert werden - nur wie? Und wann? Längst scheinen die Planer überfordert.
Dabei hängt die Wirtschaftskraft des ganzen Rhein-Neckar-Gebiets entscheidend von den Hochstraßen ab. "Noch sehe ich nicht schwarz", warnt der einflussreiche Verbandschef der Region Rhein-Neckar, Stefan Dallinger (CDU), "aber meine Ampeln sind auf gelb gestellt."
2019, 2021, 2023: Vor allem der geplante Abriss der auf 149 Säulen ruhenden Nordtrasse wird immer wieder verschoben. "Keiner blickt mehr durch", kritisiert etwa der Unternehmer Konrad Fischer. Einst war die Hochstraße Nord das erste Bauwerk dieser Art in Europa. Nun naht ihr Abriss, weil sie baufällig ist. Die Folgen werden im gesamten Bundesland zu spüren sein - und darüber hinaus.
Denn die Hochstraße Nord ist eine der wichtigsten Verbindungen in der Region. Rund 40.000 Autos täglich rollen darauf an der zweitgrößten Stadt in Rheinland-Pfalz vorbei. Weil die Konstruktion aus den 1970er Jahren mürbe ist, soll sie durch eine ebenerdige Variante ersetzt werden.
Als Hauptproblem sehen viele ihre 60 Jahre alte "Schwester", die Hochstraße Süd. Das Betonmonster sollte zunächst als Ausweichstrecke saniert werden - allerdings stehen weder Finanzierung noch Details. Wegen der Verzögerung wird nun wohl die Sanierung der Nordtangente vorgezogen. Damit würde die wichtigste Ausweichroute für Lastwagen fehlen. Ganz sicher scheint aber auch das nicht.
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Die Vorarbeiten für das achtjährige Projekt sollen 2021 beginnen. 2023 startet der eigentliche Abriss der 1,8 Kilometer langen Straße. Etwa fünfeinhalb Jahre lang, schätzen Experten, ist mit massiven Behinderungen zu rechnen - verheerend für Pendler und Unternehmer.
"Es gab Fehler", räumt die Ludwigshafener Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck ein. Die Stadt hätte früher Alternativen prüfen können. "Das neue Konzept wird nicht mehr in diesem Jahr präsentiert", kündigte die SPD-Politikerin an.
"Die Achillesferse der Region sind die Rheinquerungen", sagt Michael Heinz, Vorstandsmitglied des Chemieunternehmens BASF. "Der Rhein darf nicht zur natürlichen Grenze werden." Schon geht das unschöne Wort ,Luxit' um - gebildet aus dem Autokennzeichen für Ludwigshafen (LU) und dem Begriff für den EU-Austritt Großbritanniens ("Brexit"). Heinz fordert wie andere Unternehmer: "Wir brauchen Planungsklarheit."
Durch den verheerenden Brückeneinsturz in Genua im vergangenen Jahr rückten für viele die markanten Hochstraßen in Rheinland-Pfalz wieder ins Bewusstsein. Der Landesrechnungshof in Speyer hatte wiederholt einen Investitionsstau bei der Modernisierung beklagt. In Mainz stellte die Stadtspitze unlängst den Baustellenplan für 2019 vor. Auf der Liste mit 14 Großprojekten stehen auch Vorarbeiten unterhalb der maroden Mombacher Hochbrücke. Wie in Ludwigshafen machen sich die Planer Gedanken, wie der Verkehr ebenerdig geführt werden soll.
Die Stadt geht davon aus, dass sich das 1969 als Teil einer nicht verwirklichten Tangente eröffnete Bauwerk nur noch bis 2020 nutzen lässt. Dann soll die vierspurige Hochstraße aus Spannbeton abgerissen werden - oder zum Beispiel als Fahrradhochweg erhalten bleiben.
Die Bedeutung der Hochbrücke hält sich in Grenzen. Der Stadt zufolge nutzen täglich rund 13 000 Fahrzeuge die Strecke. Wegen dieser Zahl lohnt sich kein Neubau. Doch auch so muss die Landeshauptstadt investieren: Allein der Abriss kostet wohl rund 25 Millionen Euro. Die Behinderung für den Verkehr will die Kommune gering halten.
In Ludwigshafen mangelt es nicht an Ideen für Alternativen während der Sanierung der Hochstraßen - zum Beispiel eine Container-Seilbahn über den Rhein zwischen dem Hafen Mannheim und dem BASF-Werk. Doch auch hier gilt: die technische Umsetzung und der wirtschaftliche Nutzen sind unklar. Und so hatte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sicher nicht unrecht, als sie vor Kurzem bei einem Besuch in Ludwigshafen feststellte: "Sie haben ja nicht ganz unkomplizierte Straßen hier, wo es ein bisschen was zu tun gibt."