Friedensaktivist Hermann Theisen (56) blättert in den zahlreichen Akten, die er nun weglegen kann. Foto: Kreutzer
Von Annette Steininger
Hirschberg/Leipzig. Hermann Theisen aus Hirschberg-Leutershausen ist so, wie man sich einen Friedensaktivisten vorstellt: friedlich und freundlich. Es sei denn, es geht um die Sache. Dann kann der 56-Jährige durchaus kämpfen. Seine Hartnäckigkeit hat sich jetzt ausgezahlt. So hat Theisen einen Streit mit dem Landratsamt Rottweil um die Weitergabe von Briefen gewonnen.
Die Behörde wäre verpflichtet gewesen, die Schreiben mit kritischem Inhalt zu Waffenexporten der Firma Heckler & Koch an die angeschriebenen Kreisräte weiterzugeben, entschied das Bundesverwaltungsgericht am Mittwoch vergangener Woche in Leipzig. Das Bundesgericht änderte Urteile der beiden Vorinstanzen ab, die entweder überwiegend oder ganz dem Landratsamt recht gegeben hatten.
Diese Entscheidung auf höchstrichterlicher Ebene der Verwaltungsgesetzgebung freut Theisen: "Für mich bedeuten die juristischen Erfolge eine deutliche Bestätigung meines friedenspolitischen Engagements. Seit mehr als 30 Jahren erlebe ich immer wieder, dass Staatsanwaltschaften und Behörden mein Handeln immer wieder als strafbar bewertet haben und erst im Verfahrensverlauf erkannt haben, dass sie dabei so bedeutende Grundrechte wie Meinungs- und Versammlungsfreiheit vollkommen vernachlässigt haben." Der Leutershausener, der im Sozialdienst eines Krankenhauses arbeitet, ist auch erleichtert, dass ihm durch das Urteil die Gerichtskosten, die er auf 12.000 Euro beziffert, erspart bleiben.
Sonst hätte er, wie in zurückliegenden Fällen, auf die Unterstützung anderer zurückgreifen müssen. So half ihm beispielsweise schon die Gesellschaft für Freiheitsrechte. Das ist nun in diesem Fall nicht mehr nötig; nach vier Jahren findet der Rechtsstreit ein Ende.
Theisen initiierte damals eine erste von zwei Kundgebungen vor dem Werkstor von Heckler & Koch in Oberndorf. Er verteilte Flugblätter und wollte Mitarbeiter dazu ermuntern, an die Öffentlichkeit zu gehen, sollten sie etwas von mutmaßlich illegalen Waffengeschäften wissen. Das Landratsamt sah darin einen Aufruf zum Geheimnisverrat und erließ ein Versammlungsverbot. Dies war jedoch rechtswidrig, urteilte später das Freiburger Verwaltungsgericht. So hatte Theisen allein vor den Werkstoren demonstriert, weshalb man nicht von einer Versammlung sprechen könne. Der Friedensaktivist habe nur sein Recht auf freie Meinungsäußerung genutzt.
Ein weiterer Rechtsstreit, der mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nun ein Ende fand, entzündete sich an einer Briefpetition, die Theisen 2016 an das Landratsamt verschickt und an die Kreisräte adressiert hatte. Er forderte sie darin auf, ihre Einflussmöglichkeiten als Kommunalpolitiker zu nutzen, um Waffenexporte zu verhindern. Aber nur wenige Kreisräte sowie den Landrat und den Ersten Landesbeamten erreichten die Schreiben. Den Rest sandte das Landratsamt ungeöffnet an Theisen zurück.
Diese Praxis der Behörde, generell keine Eingaben von Einzelpersonen weiterzugeben, sei nicht mit den Artikeln 3 und 17 des Grundgesetzes vereinbar, entschied das Bundesverwaltungsgericht. Artikel 17 gesteht jedermann das Recht zu, sich mit Petitionen an die Volksvertretung zu richten. Dass einzelne Schreiben die Adressaten erreicht hätten, andere aber nicht, stufte das Gericht zudem als Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz in Artikel 3 ein.
"Nachdem sowohl das Verwaltungsgericht Freiburg zum überwiegenden Teil als auch der Verwaltungsgerichtshof Mannheim vollumfänglich die Praxis des Landkreises im Umgang mit Petitionen eines Bürgers als rechtmäßig bestätigt hatten, war es überraschend, dass das Bundesverwaltungsgericht eine gänzliche andere Rechtsansicht geäußert hat", kommentierte das Landratsamt am Mittwoch das Urteil. Die konkreten Erwägungsgründe könnten erst der schriftlichen Begründung entnommen werden, die aber noch nicht vorliege. "Dennoch wird der Landkreis selbstverständlich entsprechend reagieren und das Urteil umsetzen", heißt es in der Stellungnahme.
Die Firma "Heckler & Koch" bat auf RNZ-Anfrage um Verständnis, dass sie ein Urteil, in dem sie zwar indirekt Thema, aber keine Prozesspartei seien, nicht kommentiert. Generell betonte der Sprecher aber: "Als Ausrüster unserer demokratisch legitimierten Sicherheitsbehörden schützt Heckler & Koch auf indirekte Weise auch unseren Rechtsstaat. Dass jeder Bürger in Deutschland den Rechtsweg einschlagen kann, ist eine große Errungenschaft unserer Demokratie."